Hallo Rolo,
(im Vorfeld eine off-topic-Anmerkung: Wenn du in deine Texte einige Absätze - an den richtigen Stellen, versteht sich
- einfügst, erleichtert dies das Lesen und somit das Verständnis ungemein!)
Mir erscheint es, als wärst du auf der Suche nach einer allgemein gültigen Aussage über „Wahrheit“, über „richtig und falsch“.
Diese Suche, glaube mir, ist zum Scheitern verurteilt.
Es gibt keine allgemeingültige Wahrheit und es gibt auch kein allgemeingültiges richtig und falsch. Klar kann man richtig und falsch nach moralischen Wertmaßstäben beurteilen; hierbei sollte man jedoch nicht vergessen, dass Moral kulturabhängig ist. Und dass sich viele Menschen nicht an diesen moralischen Wertmaßstäben orientieren.
Die Begriffe „richtig“ und „falsch“ gibt es in der Natur nicht. Die Natur ist, wie sie ist. Diese Worte sind erst durch die Sprache und das Denken des Menschens entstanden.
Moralisch verwerflich ist z.B., wenn Menschen Menschen töten. Wenn der Mörder Politiker ist und die Getöteten „Terroristen“, dann ist der Delikt in vieler Augen nicht mehr verwerflich. Die Katze tötet Mäuse und die Spinne Fliegen, allerdings kam glaube ich noch keiner auf die Idee, dies als moralisch verwerflich und somit als „falsch“ zu bezeichnen.
Ich will versuchen, dir zu erklären, woraus die unterschiedlichen Wertmaßstäbe resultieren.
Kinder bringen bei der Geburt bereits viel an Persönlichkeit mit auf die Welt. Diese Persönlichkeit ist m.E. geprägt durch die Gene, durch astrologische Komponenten, durch die Erlebnisse der letzten 9 Monate im Mutterleib.
Dieser Grundstock unseres Seins wird in den ersten Lebensjahren erweitert.
Das, was wir erleben und wie wir es erleben und wie wir in der Lage sind, es zu verarbeiten bzw. wie wir auf Erlebnisse reagieren wird in unserem Körper und in unserem Geist gespeichert. Im Kopf formieren sich Verknüpfungen im Sinne von „Input“ und „Output“. D.h., es kommt ein Impuls von außen und wir reagieren darauf. Wenn wir mit der Reaktion das erreichen, was wir wollen, verfestigt sich das Reaktionsmuster.
Bereits zu einer kleinen Persönlichkeit herangewachsen, werden wir weiterhin geformt durch die Erziehung und die Sozialisation.
Als Erwachsene finden wir dann drei Seiten in uns vor. Freud nannte es das „Über-Ich“, das „Ich“ und das „Es“. Andere Modelle sprechen von einem „Eltern-Ich“, einem „Erwachsenen-Ich“ und dem „Kind-Ich“.
Stark vereinfacht könnte man sagen, im Kind-Ich kommen die Impulse und die Triebhaftigkeit des Kindes zutage, das Eltern-Ich vertritt die Normen und Werte und die Moral und das Erwachsenen-Ich versucht, zwischen beiden zu vermitteln um ein legitimes Verhalten zu finden. Inwieweit dies (gut) gelingt, hängt mit den Ängsten, dem Selbstwert, den Erfahrungen und vielem anderem zusammen.
Du wirst dir vorstellen können, dass das Resultat bei jedem Menschen unterschiedlich ausfallen wird. Was bringt er mit, was hat die Sozialisation aus ihm gemacht und in welchem Ich befindet sich dieser Mensch heute?!
Darum sieht jeder Mensch die Welt anders.
Und daher wird auch die Antwort auf die Frage
Was ist wirklich wichtig im Leben?
sehr unterschiedlich ausfallen.
Jeder kann diese Frage individuell beantworten, dennoch wirst du wahrscheinlich alle Antworten in einige wenige Kategorien einordnen können wie z.B. Geld, Macht, Familie, Religiösität, persönliche Zufriedenheit, …
Es gibt ja keine Instanz, die vorschreibt, was wichtig ist. Die Antwort ist eben von den Erfahrungen und der Persönlichkeit des Antwortenden abhängig.
Genauso verhält es sich mit deiner Frage
Welche Ziele sollte man verfolgen?
Du kannst nur die Antwort erhalten
„das muss jeder selber wissen“ und „das sieht jeder anders“
weil es niemanden gibt, der das Ziel vorschreibt. (Zum Glück! Ich denke da nur an Mao oder Hitler…)
Ausnahme wäre natürlich, du bist ein sehr religiöser Mensch, dann wirst du die Antwort in der jeweiligen Religion finden. Allerdings hat das dann nur noch sehr wenig mit dir selbst zu tun.
Nur du selbst kannst für dich dein Ziel finden.
Wobei ich persönlich zu H.Hesse tendiere, der meinte, der Weg ist das Ziel. Denn das fatale am Ziel ist ja, dass man nicht zufrieden ist, sobald man es erreicht hat, sondern dass ein neues Ziel entsteht.
Mein persönliches Ziel ist es, so zu leben, dass ich, hieße es, ich stürbe jetzt, sagen kann, ja, ich bin zufrieden mit meinem Dasein, ich habe das Beste daraus gemacht, ich bereue nichts und es gibt nichts, das noch offen stünde.
In meinen Augen, mein Lieber, hast du einen Denkfehler:
FÜR MICH DAS ZENTRALE PROBLEM: Jede Entscheidung, was
man will, was man tun möchte, was man gut findet, etc. beruht
ja auf bestimmten Annahmen, die richtig oder aber falsch sein können.
Nein! Abgesehen von den o.g. moralischen Bewertungen gibt es wie bereits gesagt kein richtig oder falsch!
Wenn ich sage, „ich denke…“ oder „ich fühle mich…“ oder „…das erinnert mich an…“, dann ist das mein! Gefühl, Gedanke, Eindruck oder was auch immer. Meiner! Und der kann nicht falsch sein, weil ich es ja so erlebe, so sehe oder so fühle.
Es war also
eine Assoziation, die ganz offensichtlich nicht zutreffend
war, denn an der Ostsee gibt es keine einsammen Inseln mit
Palmen am Strand.
Eine Assoziation ist eine Assoziation ist eine Assoziation…
Sprich, etwas außerhalb von mir löst etwas in mir aus.
Dabei ist es hoch wie breit, inwieweit das geistige Erleben realistisch ist! Es ist definitiv nicht falsch!
Ein vielleicht eindrücklicheres Beispiel: Du hörst mit 14 beim ersten Kuss ein Lied von den Dire Straits. 20 Jahre später streitest du mit deiner Partnerin, zufällig läuft das Lied im Radio und du erinnerst dich an deinen ersten Kuss. Ist die Assoziation zum ersten Kuss deswegen falsch, weil du ja jetzt streitest anstatt zu küssen? 
Und wo ich gerade bei Musik bin, möchte ich auf dein zweites Beispiel eingehen.
Ich finde einige Lieder von Noir desir super, obwohl es heißt, der Sänger habe seine Frau erschlagen. Musste mir sogar schon anhören, „wie kannst du nur!“, aber mir gefällt die Musik gefällt, basta. Würde ich die political correctness in alle Lebensbereiche übertragen, hätte ich verdammt viel zu tun. (Begänne schon damit, alle Produkte aus China zu boykottieren. Eine Lebensaufgabe…)
Soll heißen, es ist doch nicht richtig oder falsch, die Musik von den Doors zu hören. (Wieso eigentlich sind das in deinen Augen „Assis“?). Deine Betrachtungsweise hat sich geändert. Einmal war es für dich richtig, die Musik zu genießen, ein ander mal war es richtig für dich, die Musiker zu boykottieren.
Aber nur, weil du dich verändert hast, ist doch dein Verhalten aus früheren Tagen nicht falsch!
Weißt du, mich beschleicht der Eindruck, dass du es selbst bist, der sich so hart bewertet, der so hart mich sich ins Gericht zieht.
Ich hoffe, ich konnte Licht ins Dunkel bringen.
Liebe Grüße
jeanne