Hallo Nicole,
zuerst mal Fehlerkorrektur: Ich meinte nicht eine Detrusor-Sphincter-Dyssynergie, sondern eine Detrusor-Blasenhals-Dyssynergie. Das ist es wohl, worunter Du (der Therapie nach zu schließen) leidest.
Prinzipiell funktioniert das beim Pinkeln so:
Die Wandmuskulatur der Blase (der sog. Detrusormuskel) kontrahiert sich, gesteuert über einen willkürlich auslösbaren Reflex des vegetativen Nervensystems. Ist der Reflex einmal aktiviert, so kontrahiert sich die Harnblase unhaltbar bis zum Ende, was erklärt, warum man nicht mehr so einfach aufhören kann (also nur die Auslösung ist willkürlich, der Reflex als solcher läuft eben automatisch ab). In den Synapsen des Detrusors wird Acetylcholin verwendet, d.h. mit Pharmaka, die den Acetylcholinrezeptor blocken (Anticholinergika), kann man den Blasenmuskel ruhigstellen, was z.B. bei der Reizblase zum Einsatz kommt, wo der Muskel hyperreagibel ist. Wenn ich Dich aber richtig verstanden habe, bleibt bei Dir nach dem Urinieren ein Restharn in der Blase zurück, das Problem ist also entweder 1. eine mangelnde Kontraktionsfähigkeit des Detrusors (da wären dann natürlich Cholinergika und nicht etwa o.g. _Anti_cholinerkika angebracht) oder 2. ein Hindernis in der Ausflußbahn, was wiederum a) eine anatomischen Enge der Harnröhre sein kann (bei Frauen eher Narben nach Infektionen, bei Männern in allererster Linie die Prostata) oder b) eine manglende Relaxierung der Blasenschließmuskeln.
Die Urodynamik dient dazu, diese Störungen gegeneinander zu differenzieren. In Deinem Fall relaxieren offenbar die Schließmuskeln nicht richtig. Deren gibt es zwei, deren Aktivität man dann während der Urodynamik mit Hilfe eines Beckenboden-EMGs plus Harnröhrendruckmessung differenzieren kann: Einen äußerem Sphincter, welcher lediglich ein ringförmig verstärkter Teil der Skelettmuskulatur des Beckenbodens ist und als solcher mit der Willkürmotorik bewußt geöffnet oder geschlossen werden kann, und einem inneren Schließmuskel, der von einem verstärkten Teil der Blasenmuskulatur um den Blasenhals herum gebildet wird. Er besteht wie jener Detrusor aus glatter Muskulatur und wird ebenfalls durch das vegetative Nervensystem kontrolliert - allerdings nicht über Acetylcholin- sondern über Alpha-1-Rezeptoren.
Normalerweise wird dieser Blasenhalsmuskel i.R. des Urinierreflexes automatisch (sprich: während der Kontraktion des Blasendetrusormuskels) entspannt. Manchmal funktioniert das aus unbekannten Gründen aber nicht so ganz (meist junge Männer ohne organische Erkrankung). Dann kontrahiert sich der Detrusor also gegen den Widerstand des inneren Schließmuskels („Detrusor-Blasenhals-Dyssynergie“), und die Blasenentleerung kann, falls dem Detrusor zum Schluß des Urinierens die Luft ausgeht, unvollständig sein -> Restharn. Therapie ist dann logischerweise die pharmakologische Relaxierung mit Alpha-1-Blockern.
Noch der Vollständigkeit halber: Wenn der aüßere, willkürlich innervierte Sphincter gegenarbeitet, spricht man von der „Detrusor-Sphincter-Dyssynergie“. Diese kann durch einen bewußten (oder auch unbewußten) Versuch des Harnanhaltens geschehen, oder bei Lähmungen z.B. bei Querschnitt oder Multiple Sklerose, wo ja die gelähmte Muskulatur konstant (spastisch) angespannt ist und nicht mehr willkürlich (= vom Großhirn her, zu dem ja die Verbindung unterbrochen ist) kontrolliert (entspannt) werden kann. Da gibt man dann keinen Alphablocker, sondern einen anderen Typ Muskelrelaxans, der speziell auf Skelettmuskulatur wirkt (Dantrolen).
Und das alles kann man dann wie gesagt mit Urodynamik und gleichzeitigem EMG gegeneinander differenzieren, und bei
dir muß, der Therapie zufolge, die Blasenhalsdyssynergie vorliegen.
So, jetzt weißt Du, warum der Alphablocker den Restharn beseitigen sollte und damit auch den Nährboden für Infektionen
Die Nebenwirkungen erklären sich übrigens dadurch, daß nicht nur der Blasenhals, sondern auch die Muskulatur der Arteriolenwände über Alpha-1-Rezeptoren reguliert wird. Die Gefäße stellen sich also weit, als Folge fällt der Druck vor den Arteriolen, sprich: der „Blutdruck“. Wenn dann Verbraucher wie die Muskeln noch zusätzlich Blut aus den Arterien abzapfen (z.B. beim Radeln oder auch nur plötzliches Aufstehen), so fällt der Blutdruck noch weiter, anstatt durch eine Widerstandserhöhung der Arteriolen anzusteigen. Aber es greifen dann ja recht schnell die im letzten Posting genannten Kompensationsmechanismen. Das Radeln solltest Du so lange sein lassen. Und auch das Besteigen hoher Gegenstände wie Schemeln oder Leitern.
Zur Prognose denke ich einfach mal, daß sich der pathologische Schließmuskelkontraktionsreflex von alleine wieder verlernen dürfte, d.h. wenn Du in ein paar Wochen/Monaten das Präparat wieder probeweise absetzt (am besten ausschleichen, im Zweifel ist das auch für den Kreislauf - reaktiver Bluthochdruck - besser), dann dürfte mit etwas Glück wieder alles tun 
Oliver