Urmeter

lt. Wiki wurde 1791 in Frankreich das Metermaß als zehnmillionster Teil des Erdmeridianquadranten (Strecke vom Pol zum Äquator) eingeführt. Dazu wurde der Meridianbogen von Dünkirchen bis Barcelona von zwei franz. Astronomen vermessen. Das Sekundenpendel wurde ausgeschlossen, weil die Länge mit der Schwerkraft variiert, aber das zeigt doch, dass man sich um eine reproduzierbare Basiseinheit sehr wohl Gedanken machte.

Wiki verschweigt leider, wie man auf diese unanschauliche kaum reproduzierbare Basisinheit gekommen ist und warum man nur eine Teilstrecke, nämlich den Meridianbogen Dünk. bis Barcelona vermessen hat, denn es dürfte auch schon damals klar gewesen sein, dass dieses Mass mit erheblichen Toleranzen und Unsicherheiten belastet ist. Bei den damaligen begrenzten techn. Möglichkeiten war es sicher sinnvoll, ein Urmeter anzufertigen, ähnlich wie im Mittelalter am Marktplatz für jederman ersichtlich die Srecke von einer Elle, Fuß etc. in Stein gemeiselt wurde. Wozu dann aber diese aufwändige Urmeter-Basiseinheit? Steckt da eine besondere Philosophie oder Idee dahinter?

Danke für Eure Antworten

Wolfgang D.

Hallo!

Wiki verschweigt leider, wie man auf diese unanschauliche kaum
reproduzierbare Basisinheit gekommen ist und warum man nur
eine Teilstrecke, nämlich den Meridianbogen Dünk. bis
Barcelona vermessen hat, denn es dürfte auch schon damals klar
gewesen sein, dass dieses Mass mit erheblichen Toleranzen und
Unsicherheiten belastet ist.

Daran ändert sich aber nichts Prinzipielles, wenn man die gesamte Strecke vom Pol zum Äquator vermessen würde. Ein hinreichend großes Teilstück ist vollkommen ausreichend. Hinzu kommt, dass man den Nordpol erst mehr als 100 Jahre später erreichte.

Bei den damaligen begrenzten
techn. Möglichkeiten war es sicher sinnvoll, ein Urmeter
anzufertigen, ähnlich wie im Mittelalter am Marktplatz für
jederman ersichtlich die Srecke von einer Elle, Fuß etc. in
Stein gemeiselt wurde. Wozu dann aber diese aufwändige
Urmeter-Basiseinheit? Steckt da eine besondere Philosophie
oder Idee dahinter?

Die technischen Möglichkeiten Anfang des 18. Jahrhunderts werden leicht unterschätzt. Genaue Maßeinheiten brauchte man insbesondere für die Navigation (Für einen Schneider ist es hingegen egal, wie präzise die Längenmessung ist…)

Ich vermute, dass damals (wie heute) Entfernungen in der Navigation in Seemeilen gemessen wurden. Eine mögliche Definition für eine Seemeile ist „ein Sechzigstel eines Neunzigstels eines Meridians vom Nordpol zum Äquator“.

Wenn damals die Seemeile tatsächlich schon verwendet wurde, dann würde man mit der ursprünglichen Meter-Definition gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen:

  • Man ersetzt das 12er-System der Seemeile durch ein Dezimalsystem (das in der französischen Revolution als viel moderner galt - man denke nur an die Zeitmessung…)
  • Man hat einen einfachen Umrechnungsfaktor zwischen den Einheiten:

54 Seemeilen = 100 Kilometer

Wie gesagt: Das ist nur meine eigene Vermutung.

Michael

Errata

Die technischen Möglichkeiten Anfang des 18. Jahrhunderts
werden leicht unterschätzt.

Soll heißen: „Ende des 18. Jahrhunderts“

Hallo!

Wiki verschweigt leider, wie man auf diese unanschauliche kaum
reproduzierbare Basisinheit gekommen ist und warum man nur
eine Teilstrecke, nämlich den Meridianbogen Dünk. bis
Barcelona vermessen hat, denn es dürfte auch schon damals klar
gewesen sein, dass dieses Mass mit erheblichen Toleranzen und
Unsicherheiten belastet ist.

Daran ändert sich aber nichts Prinzipielles, wenn man die
gesamte Strecke vom Pol zum Äquator vermessen würde. Ein
hinreichend großes Teilstück ist vollkommen ausreichend. Hinzu
kommt, dass man den Nordpol erst mehr als 100 Jahre später
erreichte.

Das stimmt, wenn man von einer idealen Kugelgestalt der Erdoberfläche ausgeht. Nachdem die Pole aber abgeplattet sind, dürfte die tatsächliche Strecke kürzer sein. Die Polregionen hat amals noch niemand betreten und wahrscheinlich hat man die Polabplattung auch noch nicht gekannt, daher ist die Wahl der Basislänge aus einer terra inkognita umso unverständlicher.

Bei den damaligen begrenzten
techn. Möglichkeiten war es sicher sinnvoll, ein Urmeter
anzufertigen, ähnlich wie im Mittelalter am Marktplatz für
jederman ersichtlich die Srecke von einer Elle, Fuß etc. in
Stein gemeiselt wurde. Wozu dann aber diese aufwändige
Urmeter-Basiseinheit? Steckt da eine besondere Philosophie
oder Idee dahinter?

Die technischen Möglichkeiten Anfang des 18. Jahrhunderts
werden leicht unterschätzt. Genaue Maßeinheiten brauchte man
insbesondere für die Navigation (Für einen Schneider ist es
hingegen egal, wie präzise die Längenmessung ist…).

Das ist ja richtig. Aber solange alle über das gleiche „Urmass“ verfügen, kann das des Königs Armlänge sein oder Madam Pompadurs Schoßhund von Schnauze bis Schwanzspitze, insofern war das in Paris hinterlegte Urmeter letztlich eine gute Basis, wonach jedes Land sein Urmeter abgreifen und danach arbeiten konnte. Mich wundert nur der komplizierte Bezug auf den Erdumfang über die Pole. Ich nehem an, man wollte das Masssystem nicht willkürlich festlegen sondern - es lebe die Vernunft - auf eine vernünftige Basis stellen, die nur den Nachteil hatte, dass sie vernünftigerweise nicht reproduzierbar nachgemessen werden konnte. Heute ist 1 Meter definiert als jene Strecke, die das Licht im Vakuum in 1 / 299.792.458 Sekunden zurücklegt, das entspricht aber nicht dem zehnmillionste Teil des Erdmeridianquadranten, sondern der Strecke zwischen den 1 m Markierungen des Urmeters, also letztendlich doch eine ziemlich willkürliche Festlegung, aber jeder der eine gute Stoppuhr und eine Taschenlampe hat, kann sich selbst seinen Meterstab herstellen.

Wolfgang D.

ahhh, was für eine Frage … nur, warum steht sie nicht unter
Geowissenschaften, oder besser noch: Geodäsie :smile:

Bis ins Detail kann ich keine Auskunft geben, aber im Laufe der
Jahre hat man einiges Wissen gesammelt.

Die Revolutionäre suchten ein weltweit gültiges Naturmaß -„für
alle Zeiten, für alle Völker“-, das nicht von einem Körpermass
des Königs abgeleitet war. Es galt bis dahin der ‚Pied du Roi‘, etwa 32,48 cm, sechs Pieds ergaben eine Toise. Der König unterstützte das Vorhaben, (freiwillig/unfreiwillig?) er unterschrieb z.B. die
Reisedokumente für Méchain und Delambre.

Lesenswert

Kim Alder
http://www.libri.de/shop/action/productDetails/23504…

Zu meiner Überraschung kein Aufguss von

Denis Guedj
http://www.amazon.de/Die-Geburt-Meters-Denis-Guedj/d…

Der Erdumfang war als Naturmaß vielleicht naheliegend, weil
schon mehrere Versuche zur Bestimmung des Erdumfangs vorlagen, z.B. von Maupertuis und La Condamine von etwa 1740. Diese Bestimmung, die übrigens dem Nachweis der Polabplattung galt, sollte nach den Vorstellungen damaliger Wissenschaftler mit einer neuen Meridianmessung nochmals verbessert werden.

Natürlich war die ‚Verkörperung‘ Erdumfang fragil und fraglich, die Dreieckspunkte können zerstört werden, der Meridian ist nicht überall auf der Welt gleich.

Deswegen ist das Urmeter wie Du schon sagst, letztlich durch die Toise verkörpert, nicht durch den Erdumfang.

Es gab aber einmal den Vorschlag, zur Reproduktion eines Urmeters die geodätische Meridianmessung zu wiederholen, steht da nicht was bei Alder ?

Die Einzelheiten zum Verhältnis Meter/Toise sind m.E. eine
Wissenschaft für sich, da verschiedene Toisen, Urmeter und
Umrechnungsfaktoren existieren, man findet z.B.

1 Toise = 1, 949 036 3 m oder …037 m

Vom ursprünglichen Urmeter, dem flachen Platin-Endmaßstab von 1799, sollen in Paris noch drei Exemplare aufbewahrt sein, im Nationalarchiv, in der Academie des Arts (?) und im
‚Kaiserlichen/Pariser Observatorium‘ ? Da bin ich nicht sicher.

In Sevres liegt der X-förmige Invar-Maßstab von 1879/89.

Grüße Roland