Urteil in Chemnitz

Ich finde die Verurteilung von Alaa S. wegen Totschlag und gefährlicher Körperverletzung höchst problematisch. Offenbar war die Beweislage äußerst dünn (korrigiert mich, wenn ich mich irre), keinerlei Spuren, ein einziger Zeuge mit inkonsistenten Aussagen. Für die Körperverletzung soll es überhaupt keine Hinweise geben.

Wenn er es war, ist es gut, das der richtige bestraft wird. Wenn er es nicht wahr, ist es entsetztlich, einen Unschuldigen für mindestens 6 Jahre (bei guter Führung) ins Gefängnis zu stecken.

Viele sind froh darüber, dass das Urteil so ausgefallen ist, wie der dumpfe Wille des „Volkes“ (?) das verlangte. Da wird also im Zweifel ein Mensch für Ruhe und Ordnung geopfert.

Die Unabhängigkeit der Justiz ist ein unschätzbar hohes Rechtgut in einem freien Land - kapieren leider viele Menschen nur, wenn sie plötzlich selber in der Angeklagtenrolle stecken…

Wie seht ihr das?
karl

Richtersprüche aus der Ferne zu beurteilen, ist ein schwieriges Unterfangen.

Klar ist, so oder so, dass die Causa „Chemnitz“ von vorne herein magna voce nach einem

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verlangt - im Sinne dieses (sehr bekannten) Kulturanthropologen - und nun auch bekommen hat.
Auch moderne Gesellschaften pflegen ihre Archaismen.

Aus der Ferne frag ich ich mich generell oft, woher Gerichte den Mut nehmen, bei solch miserablen Beweislagen solche Urteile zu sprechen.
Will man/frau denn nicht am nächsten Morgen noch in den Spiegel schauen können?

Inmitten hier des Gewusels von Übersetzungen und Übersetzungen von Übersetzungen, in absentia des mutmaßlichen Haupttäters, inmitten all des politischen und öffentlichen Drucks, inmitten der widerrufenen Aussagen und der Ihr-habt-mich-missverstanden-Beteuerungen, unter Zuhilfenahme der alten frühneuzeitlichen Regel, bei sehr widersprüchlichen Aussagen (hier des Zeugen; dort des Angeklagten, auf dessen Geständnis man damals noch unbedingten Wert legte, mit oder ohne Peynlichkeit) einen Diabolus ex Machina hervor zu zaubern: Was, der einzige wirkliche Zeuge zieht seine Aussage zurück? - Dafür können durch nur die bocksfüßigen Freunde des Angeklagten verantwortlich sein! - Gibts dafür Beweise? - Nein, denn die könnte ja nur der Zeuge benennen, aber der kann ja nicht, weil …

Aus der Ferne aber natürlich überhaupt nicht einzuschätzen.
Aus der Nähe leider wohl auch nicht.

Immerhin, moderne Rechtssysteme kennen Berufungen und Revisionen.

Gruß
F.

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Mit der Beurteilung von Richtersprüchen sollte man generell sehr vorsichtig sein, wenn man nicht am Prozess teilgenommen hat / die Aktenlage nicht vollständig kenn, und auch das Urteil nur in seinem Tenor, nicht aber dessen vollständige Begründung kennt. Auch ärgere ich mich immer wieder über fehlgehende Urteilskritiken, die schlicht und ergreifend fehlendes juristisches Wissen erkennen lassen.

Trotzdem muss ich gestehen, dass auch mir bei diesem Urteil angesichts der bisherigen Prozessberichterstattung ganz anders geworden ist. Es riecht einfach zu sehr nach einer „Beruhigung des Volkes vor der Wahl“, für die man bereit war, dem Angeklagten das Label des Verurteilten aufzudrücken. Und dies durchaus gekoppelt mit dem Vertrauen in die Rechtspflege und den Instanzenzug, der dann - nach der Wahl und unter abgenommenem öffentlichen Interesse - das Urteil wieder kippen könnte.

Dieses Urteil mag zwar nicht aus einem „gesunden Volksempfinden“ gesprochen worden sein, aber alleine die Tatsache, dass es gesprochen worden sein könnte, um dem „gesunden Volksempfinden“ Rechnung zu tragen, wie es gewisse Bevölkerungsteile für sich in Anspruch nehmen, lässt mich erschauern und zeigt, wohin die Reise geht, wenn wir diesen Kreisen nicht schleunigst Einhalt gebieten.

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Du hast im Gerichtssaal gesessen? Die Protokolle gelesen? Bist Jurist?

Was daran ist denn ‚offenbar‘?

Eben. Was obliegt es also dir, darüber zu urteilen, ob ein Urteil richtig ist, wenn du nur aus der Ferne gefilterte Informationen aus zweiter Hand hast?

100 Prozent Zustimmung zu deinem ganzen Text. Auch ich kenne scheinbar „unmögliche“ Urteile, über die man den Kopf schüttelt, die man aber nach ausführlicher Information in anderem Licht sieht.
Und auch mir gruselt es angesichts der Befürchtung, dass hier der dumpfe Volkswille das Recht lenkt.
„Der Besuch der alten Dame“ von Dürrenmatt, ist glaube ich das Thema.

Tut mir leid, Sporadisch, aber ich kann deinen Beitrag nur naiv nennen. In unserer modernen Welt können wir nicht überall persönlich dabei sein. Ich gehe z. B. davon aus, dass auf der Welt ca. 7,5 Milliarden Menschen leben, ohne sie selber gezählt zu haben. Der Bundestag tagt auch nicht im Fußballstadion. Trotzdem sind alle Bürger unseres Landes dazu aufgefordert, Politik und eben auch die Justiz aufmerksam und kritisch zu verfolgen und zu beurteilen. Zeitungen, Radio und Internet sind bei klugem Gebrauch durchaus taugliche Medien.
Deine Vorstellung, allen Menschen, die nicht inmittelbar betroiffen sind, zu verbieten, sich eine Meinung zu bilden, ist völlig undemokratisch.

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Sagt ja der richtige.

Du machst dich grad lächerlich.

Wie recht du hast! Mit jemanden ernsthaft diskutieren zu wollen, der nur rumstänkern will, ist wirklich lächerlich! Dafür ist mir meine Zeit zu schade.

Um

zu können sollte man wenigstens ein klein wenig versuchen, beim Thema zu bleiben. Zudem ist es unabdingbar, zu versuchen, sein Gegenüber zu verstehen.
Beides kann ich bei dir nicht erkennen. Und das nennt man dann in der Tat