Liebe Experten,
eigentlich geht es mich ja nichts an, aber…
naja, es beschäftigt mich halt und meine Eltern verwickeln mich schon auch immer wieder in diesen Streit.
Wie seht ihr die Geschichte?
Meine Eltern waren ihr ganzes Leben lang sehr fleißig und auch erfolgreich. Trotzdem leben sie höchst bescheiden. Mein Vater (70, noch sehr gesund) gönnt sich eigentlich nur einen Luxus: er lebt in dem schönen, großen Haus in bester Lage und mit wunderbarer Aussicht, das er für seine Familie in den siebziger Jahren gebaut hat. Und er will auch dort wohnen bleiben, alles gefällt ihm so gut, er fühlt sich dort rundum wohl. Meine Mutter möchte aber lieber in eine Wohnung ziehen. Ihr ist das Haus zu groß, der Garten zu pflegeaufwändig.
Obwohl nun ein Teil des Hauses vermietet ist, ist es natürlich tatsächlich noch zu groß. Meine Mutter (66) ist leider ziemlich krank und kann nicht mehr viel tun, oder besser gesagt: sie ist nicht in der Lage, sich in ihren Aktivitäten so zu beschränken, dass sie nicht regelmässig zusammenbricht oder jedenfalls beinahe. Ihr macht der Gedanke, noch zehn oder mehr Jahre in dem Haus zu wohnen, Angst. Dabei führt sie als Grund wirklich nur den Pflegeaufwand für Haus und Garten an. Wenn man ihr sagt, sie bräuchte doch nicht so viel im Garten zu tun, könnte zum Beispiel doch die Gemüsebeete einfach mit Bodendeckern zuwachsen lassen statt dort Kartoffeln (!) anzubauen, entgegnet sie, man habe doch keine Ahnung. Die Beete seien doch da, sie einfach so verkommen zu lassen, das ginge doch nicht. Ähnlich geht die Argumentation mit ungenutzten Zimmern. Es fehlt nicht viel, und sie nimmt Obdachlose auf, damit sie nicht leerstehen. Und damit überfordert sie sich natürlich.
Einerseits ist meine Mutter wirklich krank. Andrerseits lädt sie sich immer noch ein Arbeitspensum auf, das auch viel Jüngere und ganz Gesunde fertigmachen würde.
So machen sich also die beiden lieben Leute schon lange gegenseitig das Leben schwer. Meine Mutter klagt über die viele Arbeit mit dem Haus und quengelt, dass sie in eine Wohnung ziehen will. Daneben putzt und pflanzt sie, schmückt und pflegt, kocht, bäckt, lädt ein und verwöhnt (sogar ihre Haushaltshilfen), weint vor Rückenschmerzen und verreist, wenn sie ihre Ruhe haben muss, obwohl Reisen ihr eine Last und ein Graus sind. Mein Vater schlendert wehmütig-ängstlich durch sein geliebtes Wohnviertel und nötigt mit dem ihm eigenen Charme einen bei jedem Besuch, die Schönheiten und Attraktionen doch auch recht wahrzunehmen und zu genießen. (Wohnungen gibt es dort, soweit ich weiß, überhaupt nicht. Meine Mutter hat sich schon eine Wohnung in der Stadt zurechtgelegt. Sie meint, dort sei alles viel einfacher, sie müsste dann nicht soviel Treppensteigen, obwohl diese Wohnung im ersten Stock liegt und obwohl man mit sehr geringen baulichen Veränderungen das Haus so nutzen könnte, dass nur noch fünf Stufen zwischen Wohn- und Schlafbereich liegen würden.) Es sieht so aus, dass das Haus verkauft werden müsste, wenn die Eltern ausziehen. Ich bin nicht sicher, ob das meinem Vater nicht das Herz brechen würde.
An der Schilderung merkt ihr schon, auf wessen Seite ich stehe, aber vielleicht sollte ich mich besser aus dem Konflikt ganz heraushalten. Ich habe den Eindruck, dass sich die Geschichte, die mindestens schon seit fünf Jahren so geht, allmählich ziemlich zuspitzt.
Was ist euer Rat?
Danke schonmal,
Juliane