Vaterkomplex

Gibt es Ihn überhaupt, oder ist es ein Begriff der Medien ?
Immer wieder hört oder liest man im Zusammenhang mit einer Beziehung zwischen einem viel Älteren Mann und einer jungen Frau davon. Was steckt dahinter ? Sucht man als Frau in einem älteren Mann wirklich eine Art Vaterersatz? Mir schwirren in diesem Zusammenhang auch stets Freuds Theorien im Kopf rum: dass es eigentlich eine kindliche Entwicklungsphase ist, dass man als Mädchen seinen Vater begehrt und somit die Mutter als Feindin sieht. Oedipus (sehr stark vereinfacht, vielleicht auch verfälscht kann mich nicht mehr allzu genau daran erinnern.)
Hat es etwas damit zu tun ?
Was meint Ihr dazu ? und wo kann ich mehr Infos dazu finden ?
Freue mich auf Eure Antworten.
Jaffa

Hi!

Ein bißchen was ist da sicher dran, aber das können andere vermutlich besser erklären.

Eine andere Variante, die mir noch einfällt, wäre der Wiederholungszwang. Wenn z.B. die Mutter auch einen sehr viel älteren Mann geheiratet hat, könnte die Tochter sich daran orientieren. (Ich kenne zumindest ein paar Beispiele, denen man das unterstellen könnte.)

Der Begriff „Vaterkomplex“ ist von Freud eingeführt worden und bezieht sich tatsächlich auf den Ödipuskomplex. Die Analytiker arbeiten mit diesem Modell.

Um schlau aus seinen Beziehungen zu Männern zu werden, braucht es meiner Erfahrung nach nicht unbedingt ein solches Konstrukt.
Die Erfahrungen einer Tochter mit dem Vater nehmen sicher Einfluß auf die spätere Beziehungsgestaltung (zu Männern), alledings läßt sich das auch mit anderen Modellen der Psychologie erklären.

Die Konstellation junge Frau - älterer Mann wird sich je nach Einzelfall unterschiedlich erklären lassen. So eine Beziehung muß auch nicht immer pathologisch sein.

susanne

Und hier hat Freud geirrt:
Nicht das kleine Mädchen „begehrt“ den Vater, sondern leider ist es oft umgekehrt!! Zu Freuds Zeiten ein Tabu. Eltern haben gut zu sein und Recht zu haben. Heute wissen wir über Gewalt und Mißbrauch in den „heilen“ Familien sehr viel besser Bescheid. Kleine Kinder „begehren“ nicht, sie suchen und brauchen Schutz. Erwachsene nach der Pubertät „begehren“…
Gruß Cornelia

Hi!

Ein bißchen was ist da sicher dran, aber das können andere
vermutlich besser erklären.

Eine andere Variante, die mir noch einfällt, wäre der
Wiederholungszwang. Wenn z.B. die Mutter auch einen sehr viel
älteren Mann geheiratet hat, könnte die Tochter sich daran
orientieren. (Ich kenne zumindest ein paar Beispiele, denen
man das unterstellen könnte.)

noch aktuell?
Hallo,

Und hier hat Freud geirrt:
Nicht das kleine Mädchen „begehrt“ den Vater, sondern leider
ist es oft umgekehrt!! Zu Freuds Zeiten ein Tabu. Eltern haben
gut zu sein und Recht zu haben. Heute wissen wir über Gewalt
und Mißbrauch in den „heilen“ Familien sehr viel besser
Bescheid. Kleine Kinder „begehren“ nicht, sie suchen und
brauchen Schutz. Erwachsene nach der Pubertät „begehren“…

Die Erklärung von Freud habe ich noch nie so recht verstanden.
So rum ist es viel besser nachvollziehbar!

Eine Frage hätte ich in diesem Zusammenhang aber noch: Ist Freuds Konzept in der modernen Psychoanalyse eigentlich noch aktuell oder sieht man das inzwischen allgemein anders?

Danke und viele Grüsse,
Lisa

Hi Lisa,

Freud hatte zunächst die Interpretation, daß seine Patientinnen etwas erinnern, fantasieren, träumen, was ihnen in der Kindheit real widerfahren ist. Das aber hätte bedeutet, den Vater als Mißbraucher zu „outen“. Freud war seiner Zeit und der damaligen Moral (Eltern sind gut und haben Recht) verhaftet, also bildete er eine „sozialverträgliche“ Hypothese, indem er die Schuld umdrehte und dem Opfer als Wunschfantasie andichtete: das Mädchen „begehrt“ den Vater.
Niemand aus der Psychoszene glaubt heute noch ernsthaft an den Ödipuskomplex, wie ihn Freud interpretiert hat. Einen Durchbruch schaffte Alice Miller in ihren Büchern so in den 80-er Jahren: sehr lesenswert!
Auch der „Penisneid“ ist so ein Jahrhundertwendeblödsinn…
Gruß
CH

Hallo,

Und hier hat Freud geirrt:
Nicht das kleine Mädchen „begehrt“ den Vater, sondern leider
ist es oft umgekehrt!! Zu Freuds Zeiten ein Tabu. Eltern haben
gut zu sein und Recht zu haben. Heute wissen wir über Gewalt
und Mißbrauch in den „heilen“ Familien sehr viel besser
Bescheid. Kleine Kinder „begehren“ nicht, sie suchen und
brauchen Schutz. Erwachsene nach der Pubertät „begehren“…

Die Erklärung von Freud habe ich noch nie so recht verstanden.
So rum ist es viel besser nachvollziehbar!

Eine Frage hätte ich in diesem Zusammenhang aber noch: Ist
Freuds Konzept in der modernen Psychoanalyse eigentlich noch
aktuell oder sieht man das inzwischen allgemein anders?

Danke und viele Grüsse,
Lisa

Liebe Doctrix,

Ich habe mich jahrelang mit Systemen und Menschen befasst, in denen sexuelle Übergriffe an Kindern vorgekommen aind. Ich habe mich zudem auch mit der Psychoanalyse befasst und darf sagen, dass das Konzept der frühkindlichen Sexualität schon ein Verdienst Freuds gewesen ist. Wir möchten gerne heute manches als Blödsinn bezeichnen, so wir die Ernte der wissenschaftlichen Nachfahren genießen. Doch sehen wir’s als Entwicklung. Wichtig ist, aus dem damaligen gesellschaftlichen Kontext verstanden, dass das Kind eine ihm eigene, sehr persönliche Sexualität besitzt, und sich diese kindliche Vorstellungs- und Gefühlswelt an der Welt der Erwachsenen und deren Sexualität bricht.
Es würde mich sehr interessieren, Frau Kollegin, wie Du Deine Ansicht belegen kannst, die sozusagen in dem ödipalen Geschehen grundsätzlich ein Szenario der sexuellen Ausbeutung (das ist "Mißbrauch nämlich) durch den Vater konstruiert.
Das können wir dann gerne diskutieren.
Bin gespannt,
Volkmar

Hallo

Auch ohne Doktortitel und ohne die Freudschen Theorien ausführlich recherchiert zu haben, war ich über die Interpretation als Kindermissbrauch sehr überrascht.
Meine Ansichten mögen laienhaft sein, doch bin ich der überzeugung, dass man sich nicht in einzelne Worte und Ausdrücke verbeissen sollte. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich im Alter von 3-4 Jahren immer wieder äusserte meinen Vater heiraten zu wollen. Das „Begehren“ empfand ich, soweit ich mich erinnern kann nicht als sexuell. Nur diesbezüglich kann ich Frau Dokter Cornelias Meinung teilen.
Womit ich Mühe habe ist die Fixiertheit auf die einzelnen Schulen und Richtungen der Psychologie. Klar ist Freud momentan nicht mehr aktuell, doch alle seine Errungenschaften als veraltet zu bezeichnen fände ich auch falsch. Es gibt doch nicht einen richtigen Ansatz oder Theorie um die Entwicklung, die Gefühle und das Sein des Menschen zu erklären. Darum finde ich es falsch, sich nur auf ein Erklärungsmuster oder eine Theoretischerichtung festzulegen. Denn von verschiedentlichsten Forschern und berühmten Psychologen können,vielleicht auch nur ein kleiner Teil, ihrer Theorien auf das eine oder andere Individuum zutreffen.
Das sollte, meiner Meinung nach, das Ziel der Wissenschaft sein, flexibel zu bleiben möglichst eine breites Spektrum an Erklärungsmöglichkeiten zu Verfügung zu stellen um wenn nötig eine individuelle Behandlung zu ermöglichen.

Gruss
Jaffa

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Einen
Durchbruch schaffte Alice Miller in ihren Büchern so in den
80-er Jahren: sehr lesenswert!

Dem kann ich nur Zustimmen! Schön, daß der Name hier mal zu lesen ist.

Gruß,
Claudio