Vektorschreibweise in der Kinematik

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe eine Frage und zwar: Wann benutze ich die Vektorschreibweise in der Kinematik? Also wann reicht es einfach mit Formel zurechnen und wann muss ich anfangen mit Vektoren zu operieren um auf das Ergebnis zukommen.
Bei Wiki steht dazu was geschrieben was ich aber nicht so ganz verstehe, deswegen wäre es nett wenn mir das jemand er klären könnte (und zwar für Dummis).
Vielleicht hat jemand auch ein konkretes Beispiel. Ich weiß das ich beim waagerechten Wurf die Vektorschreibwese anwenden muss. Allerdings wenn ich die maximale Höhe ausrechne brauche ich die Vektorschreibweise nicht , brauche ich sie wenn ich die Wurfweite ausrechne? Brauche Sie nur wenn Beschleunigung und Geschwindigkeit zusammen vorkommmen in einem zusammenhang?

Ich bedanke mich schonmal im vorraus fürs beantworten meiner Frage.

Mit freundlichem Gruß
Roter Drache

Hallo!

Die Vektorschreibweise ist eigentlich immer erforderlich, wenn sich etwas im dreidimensionalen Raum bewegt. Manchmal interessiert aber nur die Bewegung entlang einer der Koordinatenachsen. Dann kann man zwei Dimensionen weglassen. Da man die Koordinatenachsen immer frei wählbar sind, kann man es sich natürlich einfach machen, und sie so wählen, dass sie mit der Bewegungsrichtung übereinstimmen. Das einzige, was von der Vektornatur der Größen übrigbleibt, ist das Vorzeichen („nach rechts oder nach links“)

Also ganz kurz: Bei geradlinigen Bewegungen kannst Du auf Vektoren verzichten, sonst nicht. Wurfbewegungen kann man in Gedanken immer in eine Horizontalbewegung und eine Vertikalbewegung zerlegen. Wenn nur das eine interessiert, brauche ich keinen Vektor.

(Übrigens kann man es auch anders sehen: Ein Vektor setzt sich aus drei Komponenten zusammen. Die Vektorschreibweise ist also nur eine Abkürzung für drei separate (manchmal auch gekoppelte) Gleichungen).

Gruß, Michael

Hossa :smile:

Ein Vektor v trägt zwei Informationen, eine Länge v und eine Richtung. Beachte den Unterschied in der Schreibweise, der Vektor v ist unterstrichten, seine Länge v hingegen nicht.

Eigentlich ist die Vektorschreibweise der Standard. Daher müsstest du fragen, wann du die Richtungs-Information ignorieren kannst und stattdessen nur mit der Länge v zu rechnen brauchst. Es gibt genau zwei Fälle, wo dies erlaubt ist. Um das zu erklären, hole ich ein bisschen aus.

1. Fall: Der Vektor kommt als Quadrat vor.

Zwei Vektoren a und b kann man miteinander multiplizieren, wenn sie gleich viele Koordinaten haben. Am einfachsten erkennt man den Trick in 2 Dimensionen, wenn also jeder Vektor 2 Koordinaten hat. Die Multiplikation ist dann wie folgt definiert:

\underline{a}\cdot\underline{b}=\left(\begin{array}{c}a_x\ a_y\end{array}\right)\cdot\left(\begin{array}{c}b_x\ b_y\end{array}\right)=a_x\cdot b_x+a_y\cdot b_y

Das Ergebnis dieser Multiplikation ist kein Vektor mehr, sondern eine normale Zahl (auch „Skalar“ genannt). Daher heißt diese Art der Multiplikation auch „Skalar-Multiplikation“.

Interessant ist es nun, wenn du einen Vektor v mit sich selbst multiplizierst. In zwei Dimensionen erhälst du:

\underline{v}^2=\underline{v}\cdot\underline{v}=\left(\begin{array}{c}v_x\ v_y\end{array}\right)\cdot\left(\begin{array}{c}v_x\ v_y\end{array}\right)=v_x\cdot v_x+v_y\cdot v_y=v_x^2+v_y^2

Ganz rechts steht die Summe aus zwei Quadraten. Diese hat eine geometrische Bedeutung:

 V
 /|
 / |
 / |
 / | v\_y
 / |
 / |
0-------
 v\_x

Der Vektor v geht vom Koordinaten-Ursprung bis zum Punkt V mit den Koorinaten (vx, vy). Zwischen der Länge v des Vektors v und den beiden Koordinaten gilt der Satz des Phytagoras:

v_x^2+v_y^2=v^2

Setzen wir dieses Ergebnis oben ein, erhalten wir:

\underline{v}^2=v_x^2+v_y^2=v^2

Mit anderen Worten, wenn du einen Vektor mit sich selbst multiplizierst, ist das Ergebnis eine Zahl und diese Zahl ist gleich dem Quadrat der Vektorlänge:

\underline{v}^2=v^2

Diese Tatsache gilt auch in 3 und mehr Dimensionen.

Wenn also ein Vektor als Quadrat vorkommt, kannst du ihn durch seine Länge ersetzen. Das ist z.B. bei der kinetischen Energie so:

E=\frac{1}{2}m\underline{v}^2=\frac{1}{2}mv^2

2. Fall: Du betrachtest nur eine Dimension.

Häufig werden in der Physik Vorgänge nur in einer Dimension, entlang einer Geraden, betrachtet. In diesem Fall gibt es nur zwei mögliche Richtungen, nach links oder nach rechts. Die Richtungs-Information eines Vektors kann dann in dem Vorzeichen verpackt werden.

Beispiel: Jemand tritt gegen einen Ball, der daraufhin mit der Geschwindigkeit v1 nach rechts fliegt. Der Wind bläst ihm entgegen und bremst ihn um die Geschwindigkeit v2 ab. Die Gesamtgeschwindigkeit des Balls ist dann:

v=v_1-v_2

Jede komplexe Bewegungen lässt sich in mehrere 1-dimensonale Bewegungen, die sich überlagern, zerlegen. Eine Gewehrkugel z.B. fällt senkrecht nach unten (1 Dimension) während sie sich in Schußrichtung (1 Dimension) bewegt. Du kannst beide Beweungen, den Fall und den Zielflug, getrennt betrachten. Die Vektorschreibweise erlaubt es uns, alle diese 1-dimensionalen Bewegungen auf einmal in einer einzigen Rechnung zu behandeln.

Viele Grüße

Hasenfuß