Hallo Stephanie,
wie gemalt für Deine Fragestellung ist folgendes Buch:
Jean-Paul Bertaud, Alltagsleben während der Französischen Revolution, Freiburg und Würzburg 1989
Die meisten Dinge, die ich im Folgenden anspreche, kannst du dort detaillierter nachlesen. Es ist übrigens auffallend angenehm zu lesen, weil es für ein wissenschaftliches Werk sehr kurzweilig geschrieben ist.
Nun, von den Revolutionären herbeigeführte Veränderungen gab es nach 1789 in nahezu allen Lebensbereichen, eine Auswahl:
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In den Städten, allen voran natürlich in Paris, wurden viele Straßen und Plätze umbenannt. Viele waren nach Heiligen (zB rue Saint-Martin) oder nach royalistischen Motiven (zB rue Louis-le-Grand) benannt. Die Revolutionäre ersetzten solche Namen durch ihnen ideologisch nahestehende Motive und Personen (zB Place de la Révolution, rue Mirabeau, Quai Voltaire etc…)
Analog dazu wurden auch ganze Ortsnamen einfach umbenannt. Das kam meistens vor, wenn der Ort nach einer Kirche benannt war. Bedenke, dass die Hinrichtung des Königspaares auf der Place de la Révolution ein hoch symbolischer Akt gewesen war, und nicht nur, weil sie vorher Place Louis XV geheißen hat (heute ist es die Place de la Concorde).
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Den Revolutionskalender hast du erwähnt. Daher nur ein Gedanke zu seinen Auswirkungen in der Bevölkerung. Der neue Kalender war nicht sehr beliebt, aber er nötigte jedem Menschen in Frankreich ein politisches Statement ab, das sich darin äußerte, wann er seinen freien Tag feierte - am Sonntag oder eben am décadi. Dem konnte man nicht entkommen, wodurch das gesamte Volk „politisiert“ wurde. Anschaulich wird das durch folgende zeitgenössische Notiz:
„Der Parteigeist der Decadins und Dominicains, so nennen sie spöttelnd die Anhänger des alten und neuen Kalenders in Absicht der Feier der Dekaden – oder des Sonntages, ist besonders in den Kaufläden im Gleichheitssinne, so wie in den unzähligen ähnlichen Gewölben der Gassen sichtbar. Hier sind einige dieser Läden am Dekadentage, dort andere, und bei weitem die meisten, am Sonntage geschlossen, und die Kaufleute legen damit stillschweigend ihr politisches Glaubensbekenntnis ab.“
(aus: Friedrich Johann Meyer, Fragmente aus Paris im IVten Jahr der französischen Republik, Bd. 2, Hamburg 1798, S. 28f)
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Nicht nur Straßen und Plätze, sondern alle möglichen Dinge wurden umbenannt, wenn ihre bisherigen Bezeichnungen an das alte Schreckensregime erinnern konnten. Das ging soweit, dass aus den Birnen „poires de bon-chrétien“ zu den „poires de bon-républicain“ wurden. Das in der Revolutionszeit typische Einheitsbrot wurde „pain de l’égalité“ genannt.
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Alte Spielkarten mit König, Dame und Bube gingen natürlich auch nicht mehr. Sie wurden durch revolutionsgerechte Karten ersetzt, auf denen Allegorien wie der „Genius der Künste oder des Krieges“ und so weiter dargestellt waren. Ein solches Kartenspiel kannst du dir hier anschauen: http://www.histoire-image.org/site/etude_comp/etude_…
Die einfachen Menschen konnten meistens weder lesen noch schreiben, umso besser aber Kartenspielen. Daher hat das neue Regime alle Möglichkeiten genutzt, sich in deren Köpfen präsent zu machen und die neuen Ideale zu verankern. Die Karten zeigen hervorragend, dass man da keine Gelegenheit ausgelassen hat.
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Gebäude wurden natürlich auch umbenannt, zb in Paris wurde das „Hôtel-de-Ville“ zu „Maison Commune“, das „Palais Bourbon“ zur „Maison de la Révolution“ und der „Jardin du Roi“ zum „Jardin des Plantes“.
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Findige Unternehmer haben ihr Warensortiment auch schnell angepasst. Schneider haben Kleider „à la Constitution“ verkauft, Möbelhändler Betten „à la Féderation“ angeboten und so weiter. In Restaurants stand „Kokardensuppe“ auf der Speisekarte, wobei das Gemüse in den neuen französischen Nationalfarben der Trikolore im Teller drapiert wurde. Viele Menschen haben sich revolutionsgerechte Beinamen zugelegt, zb Philipp Égalité. Die heiligen Schutzpatrone der Zünfte und Gewerbe wurden durch Fürsprecher „revolutionärer Patrioten“ abgelöst.
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Die Menschen kleideten, betteten und aßen aber nicht nur anders, sie unterhielten sich auch anders. Die Anrede „Monsieur“ war durch „Citoyen“ (=Bürger) ersetzt worden. Und zumindest bis zum Prairialaufstand hat man auch das „Sie“ abgeschafft. Alle waren schließlich gleich, alle waren Brüder, man war daher natürlich per „Du“.
Die Interpretation solcher Maßnahmen ist augenfällig und sei Dir selbst überlassen, mit freundlichen Grüßen
Jerry