Hallo,
in solchen Fällen hilft es selten, sich auf moralphilosophische Überlegungen zu verlassen, auch weil - je nach vertretener Richtung - die Antwort anders ausfallen würde. Wäre der geschilderte Fall ein reales Problem, würde also der Zufall entscheiden, nach welchen Prinzipien sich A richtet (je nachdem, mit wem man sich berät).
Zwei Dinge würden hier aber aus jeder Richtung entscheidend sein: erstens die grundsätzlichen Präferenzen von A, die in solchen Fällen selten A selbst bekannt sind, sondern ihm erst bewusst werden müssen; zweitens die Frage nach möglichen Alternativen zu den beiden angeführten gegensätzlichen Extrempositionen. Es ist nicht unbedingt zwingend, dass die Entscheidung zwischen „Schule abbrechen“ und „Freundin verlassen“ gefällt werden muss. Vielmehr kann man in der Regel Kompromissmöglichkeiten erarbeiten.
Spontan würde mir einfallen, dass der Ausbildungsabbruch z. B. auch zu einer Ausbildungsunterbrechung gemacht werden könnte. Auch ist es möglich, nach zeitlich befristeten Wegen zu suchen, also etwa dass die Ausbildung gestreckt wird, also länger dauert bzw. dass finanzielle Einschränkungen für die Zeit der Ausbildung in Kauf genommen werden. In Betracht ziehen sollte man auch staatliche Hilfen, die für solche Fälle durchaus zur Verfügung stehen. Und es gibt noch viele, viele weitere Möglichkeiten, wie man die scheinbare Härte der beiden Extremlösungen umgehen kann. Natürlich sind sie alle mit mehr oder weniger Einschränkungen verbunden, aber diese Einschränkungen müssen nicht so drastisch sein bzw. so drastisch erlebt werden, wie es durch deine Alternativen A und B den Anschein hat.
Für den Fall, dass das Problem real existiert, würde ich dir bzw. der Person A also zu einer ausführlichen und umfangreichen Beratung raten, die möglichst verschiedene Ansätze aufnimmt. Das Leben richtet sich nicht nach unseren moralischen Grundsätzen, welcher Art sie auch immer sind. Und solchen Problemen kann man daher nicht mit irgendwelchen Konstrukten begegnen, sondern man muss sie mit den beteiligten Personen erörtern.
Wer in Fragen der praktischen Philosophie dieselbe oder auch nur eine ähnliche Exaktheit erwartet wie in Fragen der Theorie, hat die praktische Antwort eigentlich schon verfehlt - das wusste schon Aristoteles. Dein (geschildertes) Problem ist also gar kein moralphilosophisches Problem, sondern es ist ein Problem der Anwendung moralphilosophischer Prinzipien - und dazu gehört immer die Abwägung von Situationen bzw. Situationsmöglichkeiten.
Du solltet dir (bzw. A sollte sich) also nicht einreden lassen, was andere meinen, sondern deren Meinungen im konkreten Gespräch erörtern und im Vergleich mit der eigenen Stellungnahme zu den Anregungen Anderer abwägen.
Übrigens: Verantwortung ist nicht unbedingt einseitig!
Herzliche Grüße
Thomas Miller