Verantwortung der Beobachtenden

Hallo,

ausgelöst durch eine Diskussion im Haustierbrett,
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/f

möchte ich eine Überlegung zur Diskussion stellen:

Inwiefern ist ein „Reporter“ (= hier: jemand, der etwas
beobachtet und dann darüber berichtet, sei es mit Worten,
sei es mit (auch beweglichen) Bildern) in die Pflicht
genommen, einzugreifen.
In dem von mir im Haustierbrett zitierten Bild
http://www.thelifeshop.com/about_life
hatte der Reporter ein Recht, dieses Kind nur zu
beobachten oder hätte er eingreifen müssen?
Da er am Ende doch eingriff, hat er wirklich etwas erreicht
(das Kind lebte wohl einige Tage (Stunden?) länger, aber
nciht mehr).

Und endlich: Ist das Eingreifen (Retten eines Kindes,
Helfen bei einem Misstand) dem Nicht-Eingreifen, aber
Dokumentierens (was u.U. zur Hilfe für Viele führen kann)
moralisch vorzuziehen?

Andere Überlegungen, die hier mit hereinspielen, sind natürlich
auch, wie sich der Reporter gegenüber seinem eigenen
Gewissen rechtfertigen kann - was es ihn kostet, nur zu
dokumentieren.
Mit der Argumentation, einen kleinen Misstand zu akzeptieren,
um ein großen Misstand zu beseitigen, werden Kriege geführt,
sogenannte Befreiungskriege geführt, Diktaturen gerechtfertigt…

Grüße
Elke

Hallo Elke,

die beiden Links funktionieren nicht, und im Haustierbrett finde ich keine entsprechende Überschrift.

Ich kann mir nicht konkret genug vorstellen, worum es geht?

Viele Grüsse

Iris

Hi Iris,

sorry, lag wohl daran (?), dass ich den Artikel wegen
eines Schreibfehlers in der Überschrift noch mal gelöscht habe
und dann mit copy& paste…
Ich probiers nochmal:

Es ging um meine Antwort auf diesen Artikel:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarchiv…

Es ging um den Thread der lebendig enthäuteten Tiere.

Das Bild ist das hier:
http://kabiza.com/images/vulture-Sudan-child.jpg

Ich hoffe, jetzt ist mein Anliegen klarer.
Danke, dass du gleich Bescheid gesagt hast, und ich
das (hoffentlich) reparieren konnte.

Grüße
Elke

Hey,

Inwiefern ist ein „Reporter“ (= hier: jemand, der etwas
beobachtet und dann darüber berichtet, sei es mit Worten,
sei es mit (auch beweglichen) Bildern) in die Pflicht
genommen, einzugreifen.

ich glaube, das kommt schwer auf die Situation an.

In dem von dir genannten Fall konnte der Reporter das Bild machen und helfen, in anderen Fällen ist möglicherweise sofortige Hilfe ohne Nachdenken nötig, und ich kann nur für mich sprechen: Ich würde erstmal eingreifen, so ich denn was ausrichten könnte!

Persönlich war ich schon häufiger in Situationen, in denen ich gerne geholfen hätte, aber absolut nichts tun konnte - mal ging es um eine Schlägerei, da habe ich wenigstens die Polizei gerufen, wäre aber im Leben nicht dazwischen gegangen. Ein anderes Mal ging es um einen Mann, der auf offener Straße seinen Hung misshandelt hat - ein Anruf beim Tierheim brachte gar nichts, weil der Kerl schon über alle Berge war, dazwischen gehen hätte mir mindestens eine Tracht Prügel eingebracht, jedenfalls wirkte er so. Gut gefühlt habe ich mich dabei aber auch nicht, das arme Vieh geht mir heute noch durch den Kopf.

Im Fall eines Reporters, der auch noch abwägen muss, ob er mehr Menschen/Tieren helfen kann, indem er Missstände aufdeckt oder ob er direkt akut einem Lebewesen helfen kann - ich weiß nicht …
Ich glaube, die globalen Probleme sind mittlerweile bekannt, ein Bild oder Film mehr oder weniger löst imho nicht wirklich etwas aus - entweder bin ich schon gewillt, zu helfen wo ich kann, oder ich werde es nie sein.

Darum bin ich dafür, dass direkte Hilfe vor Bild/Film geht - aber im Endeffekt muss das wohl jeder mit seinem Gewissen ausmachen …

Gruß
Cess

bs"d

In dem von mir im Haustierbrett zitierten Bild
http://www.thelifeshop.com/about_life
hatte der Reporter ein Recht, dieses Kind nur zu
beobachten oder hätte er eingreifen müssen?

Im Judentum ist es so, dass ein Leben immer zu retten ist, wenn man damit konfrontiert wird. Eine Pflicht zu Dokumentation hingegen gibt es nicht. Im hier vorliegenden Fall kann ich allerdings nicht für den Reporter antworten, da ich seine Möglichkeiten ja nicht kenne.

Kol tuw,
Eli

Hallo,

Und endlich: Ist das Eingreifen (Retten eines Kindes,
Helfen bei einem Misstand) dem Nicht-Eingreifen, aber
Dokumentierens (was u.U. zur Hilfe für Viele führen kann)
moralisch vorzuziehen?

nach meinem Moralempfinden ein ganz klares „Nein“. Es muss andere Wege geben, als das Recht der Öffentlichkeit auf Information und Aufklärung zum Preis des Lebens eines Kindes zu erkaufen. Das Leben ist das allerhöchste uns anvertraute Gut und das Recht der Öffentlichkeit auf Information eben nicht.

Gruss
tigger

Hallo Elke

ich bin natürlich der Meinung, dass man in einer Notsituation helfen muss, wenn man es kann. Ich dächte auch, ansonsten wäre es „unterlassene Hilfeleistung“, eine Straftat.

Allerdings würde ich als Reporter (ggf.) es wahrscheinlich vermeiden wollen, in ein solches Krisengebiet zu reisen, wenn es irgendwie geht. Wer als Einzelperson hier helfen will, muss doch helfen, bis er selbst nichts mehr hat! Oder hilft er einigen wenigen, und den anderen nicht? Ich wüsste wirklich nicht, wie ich mich dort verhalten sollte.

Viele Grüße
Thea

PS:
Das Schlimme ist, man weiß ja genau, dass die Menschheit bestimmt nicht verarmen würde, wenn alle zusammen helfen würden. Eigentlich verstehe ich nicht richtig, wieso das nicht in den Griff zu kriegen ist.

Offtopic: Ein afrikanischer Journalist (Name vergessen) hat übrigens mal gesagt, dass die Entwicklungshilfe hauptsächlich die unfähigen Regierungen unterstützt, und dass sie Afrika in einer Haltung des Sich-selbst-für-unfähig-Haltens und Auf-andere-angewiesen-Seins unterstützt, und dass ohne die Entwicklungshilfe die Regierungen endlich mal gezwungen wären zu schauen, was ihre Menschen brauchen, und dass Afrika dann sehr wohl selbst in der Lage wäre, auf die Beine zu kommen.

Der hat sich aber natürlich nicht gegen humanitäre Hilfe in Notfällen ausgesprochen.

Hallo

Allerdings würde ich als Reporter (ggf.) es wahrscheinlich
vermeiden wollen, in ein solches Krisengebiet zu reisen, wenn
es irgendwie geht. Wer als Einzelperson hier helfen will, muss
doch helfen, bis er selbst nichts mehr hat!

Ich vermute, dass die Reporter, wenn sie in ein Hungergebiet fahren, grundsätzlich nichts Essbares dabei haben, weil sie sonst zerpflückt werden. Und dass sie nur ganz kurz dort verweilen und dann aber sofort nach der Heimkehr - schon von selbst - massiv darum werben, dort zu helfen, und sicher auch selbst etwas tun.

Viele Grüße
Thea

Hi Thea,

so ähnlich war die Argumentation von Kevin Carter, der
Photograph des Pullitzer-Preis gewinnenden Photos.
(wie ich gerade bemerkte, kann man es auf dem oben
genannten Link nicht mehr sehen, hier ein anderer:
http://www.fotografya.gen.tr/issue-12/fotoetik/etikd…
)
Erwähnenswert ist auch, dass Carter einige Monate
nach Erhalt des Preises Selbstmord begangen hat (was in den
meisten Nachrufen mit seiner Arbeit in Verbindung gebracht
wurde, was ich aber nciht beurteilen kann).

Ich verstehe intellektuell, was er gesagt hat, um sein
Bild zu rechtfertigen, in etwa: er hätte dem Kind nicht
auf Dauer helfen können, es wäre sowieso gestorben,
er hätte das nur um einige Stunden, Tage verschieben
können.

Trotzdem verstehe ich nicht, wie sich jemand neben ein
sterbendes Kind legen kann, mit einer Kamera vorm Auge,
„um zu gucken, was passiert“.
Vielleicht hätte er kein gutes Photo geschossen (und die
Katastrophe im Sudan wäre weniger bekannt geworden in der
Welt und es hätte weniger Spendengelder gegegeben, mit denen
andere Kinder gerettet werden konnten), wenn er seiner
Menschlichkeit nachgegeben hätte, und dem Kind Trost gespendet
hätte.

Ich drifte ein bisschen ab, aber mir fällt im Zusammenhang
die Geschichte der südafrikanischen Mount Everest Besteigering
Cathy O’Dowd ein. Auf ihrem Weg zum Gipfel trafen sie auf
eine sterbende Amerikanerin. Man gab der Frau etwas Sauerstoff
und dann ging man weiter, weil man wusste, man konnte ihr nicht
helfen. In ihrem Buch schrieb O’Dowd: ich musste sie allein
lassen, um mein eigenes Leben zu retten. In einem BBC-
Interview war sie ehrlicher, sie sagte damals sinngemäß: Ich
konnte nicht bei ihr bleiben, wir mussten zum Gipfel. Und
ihr Leben retten, hätten wir nicht gekonnt.
Aber vielleicht hätte man den eigenen Gipfelerfolg hintenan
stellen können, um jemandem beim Sterben beizustehen. So ähnlich
empfinde ich bei dem Sudanbild.

Das nur um meine Gefühle darzulegen.
Trotzdem bleibt das intellektuelle Wissen, dass durch Dokumentation
und Bilder vielleicht mehr (quantitativ) geholfen wird,
als durch direkte Menschlichkeit, die einem Einzelnen
erwiesen wird. Für mich stellt das durchaus ein Dilemma
dar.

Auslöser dieser Gedanken meinerseits war die Diskussion
im Haustierbrett, in der ein Kameramann, der sich für
die Dokumentation entschieden hat (allerdings in einer
Situation, in der IMO keine direkte Hilfe möglich gewesen
wäre), schwer verunglimpft wurde.

Es bleibt für mich ein Dilemma, das ich von Situation zu
Situation entscheiden müsste. Aber ich freue mich, das
man das hier auf eine Art diskutieren kann, die zeigt, dass
das Dilemma verstanden überhaupt verstanden wurde (was
im Haustierbrett wohl nicht ging).

Danke für eure Gedanken.

Gruß
Elke

nach meinem Moralempfinden ein ganz klares „Nein“. Es muss
andere Wege geben, als das Recht der Öffentlichkeit auf
Information und Aufklärung zum Preis des Lebens eines Kindes
zu erkaufen. Das Leben ist das allerhöchste uns anvertraute
Gut und das Recht der Öffentlichkeit auf Information eben
nicht.

Gruss
tigger

Es gehört zum Zeichen unserer heutigen Zeit, erst an das eigene Wohl, die Karriere, das Ansehen, den Ruhm usw zu denken, bevor jemand eingreift und sich für andere einsetzt.

Ich sehe es genauso: „Es muss andere Wege geben“ Der Reporter hätte das Kind mitnehmen und seine Kamera mitsamt Ausrüstung gegen Wasser und Nahrung eintauschen können.
Das er für seine Ignoranz auch noch belohnt wurde ist, nur für mich persönlich, wieder ein Zeichen für unsere dekadente und traurige Entwicklung die wir Zivilsation nennen.

Niemand kann heute beweisen, dass dieses Kind lediglich einpaar Stunden, Tage, Monate oder Jahre gelebt hätte.

Was hat das Intellektuelle denn für einen Nutzen, wenn die Humanität deswegen auf der Strecke bleibt? Besserwisser kontra Biophile?

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