Hi Thea,
so ähnlich war die Argumentation von Kevin Carter, der
Photograph des Pullitzer-Preis gewinnenden Photos.
(wie ich gerade bemerkte, kann man es auf dem oben
genannten Link nicht mehr sehen, hier ein anderer:
http://www.fotografya.gen.tr/issue-12/fotoetik/etikd…
)
Erwähnenswert ist auch, dass Carter einige Monate
nach Erhalt des Preises Selbstmord begangen hat (was in den
meisten Nachrufen mit seiner Arbeit in Verbindung gebracht
wurde, was ich aber nciht beurteilen kann).
Ich verstehe intellektuell, was er gesagt hat, um sein
Bild zu rechtfertigen, in etwa: er hätte dem Kind nicht
auf Dauer helfen können, es wäre sowieso gestorben,
er hätte das nur um einige Stunden, Tage verschieben
können.
Trotzdem verstehe ich nicht, wie sich jemand neben ein
sterbendes Kind legen kann, mit einer Kamera vorm Auge,
„um zu gucken, was passiert“.
Vielleicht hätte er kein gutes Photo geschossen (und die
Katastrophe im Sudan wäre weniger bekannt geworden in der
Welt und es hätte weniger Spendengelder gegegeben, mit denen
andere Kinder gerettet werden konnten), wenn er seiner
Menschlichkeit nachgegeben hätte, und dem Kind Trost gespendet
hätte.
Ich drifte ein bisschen ab, aber mir fällt im Zusammenhang
die Geschichte der südafrikanischen Mount Everest Besteigering
Cathy O’Dowd ein. Auf ihrem Weg zum Gipfel trafen sie auf
eine sterbende Amerikanerin. Man gab der Frau etwas Sauerstoff
und dann ging man weiter, weil man wusste, man konnte ihr nicht
helfen. In ihrem Buch schrieb O’Dowd: ich musste sie allein
lassen, um mein eigenes Leben zu retten. In einem BBC-
Interview war sie ehrlicher, sie sagte damals sinngemäß: Ich
konnte nicht bei ihr bleiben, wir mussten zum Gipfel. Und
ihr Leben retten, hätten wir nicht gekonnt.
Aber vielleicht hätte man den eigenen Gipfelerfolg hintenan
stellen können, um jemandem beim Sterben beizustehen. So ähnlich
empfinde ich bei dem Sudanbild.
Das nur um meine Gefühle darzulegen.
Trotzdem bleibt das intellektuelle Wissen, dass durch Dokumentation
und Bilder vielleicht mehr (quantitativ) geholfen wird,
als durch direkte Menschlichkeit, die einem Einzelnen
erwiesen wird. Für mich stellt das durchaus ein Dilemma
dar.
Auslöser dieser Gedanken meinerseits war die Diskussion
im Haustierbrett, in der ein Kameramann, der sich für
die Dokumentation entschieden hat (allerdings in einer
Situation, in der IMO keine direkte Hilfe möglich gewesen
wäre), schwer verunglimpft wurde.
Es bleibt für mich ein Dilemma, das ich von Situation zu
Situation entscheiden müsste. Aber ich freue mich, das
man das hier auf eine Art diskutieren kann, die zeigt, dass
das Dilemma verstanden überhaupt verstanden wurde (was
im Haustierbrett wohl nicht ging).
Danke für eure Gedanken.
Gruß
Elke