Verb-End-Stellung

Guten Abend Ihr Wissenden,

ich habe schon mal im Internet ein wenig gesucht, aber keine Übersicht gefunden.

Ich suche eine Zusammenstellung, welche (lebenden UND historischen) Sprachen im EMEA-Raum als Verb-End-Stellung-Sprachen gelten. Latein ja sicherlich, Baskisch auch. Die heutigen übrigen europäischen Sprachen sicher nicht (oder täusche ich mich da?)

Ferner interessiert mich, welches Volk diese Nicht-Verb-End-Stellung als erstes eingeführt hat und dabei so erfolgreich war, dass man bei der Google-Suche nach Verbendstellung fast nur auf Logopädieseiten landet, in denen die „Verbendstellung“ als eine krankhafte Erscheinung und Fehlentwicklung bei Kindern bezeichnet wird. Waren das die sog. Indogermanen? Aber Latein ist doch m.W. auch eine indogermanische Sprache, und diese hat die Verb-End-Stellung. Ich schreibe das Wort absichtlich mit Bindestrichen, der leichteren Lesbarkeit halber, nicht dass man auf eine falsche Trennung kommt (Ver-bend-stellung).

Vielen Dank im Voraus und viele Grüße

Alexander

Hallo Alexander,

wenn ich Deine Frage nicht vollkommen falsch verstehe, suchst Du eine Übersicht über SOV- und OSV-Sprachen. Solche findet man unter anderem hier, hier, hier und hier. Je nachdem, wie Du nun die Grenzen des EMEA-Raums definierst, kannst Du Dir aus den Listen Deine erste Auswahl zusammenstellen. Vermutlich gibt es noch umfangreichere Listen, die auch tote historische Sprachen beinhalten. Kannst ja Deine Recherchen mit obigen Suchbegriffen fortsetzen; vielleicht findest Du dann auch eher Antworten zur Frage der sprachgeschichtlichen Hintergründe.

Gruß,
Stefan

Hallo,

zu empfehlen ist auch der WALS, http://wals.info/feature, ab 81A beginnt die Rubrik Word Oder, dazu gibts dann einzelne Karten.

Gruß,
Kronf

Haloo Stefan, hallo Kronf,

das geht schon alles in die richtige Richtung, ist sicher auch alles sehr fundiert und insbesondere der Link von Dir, Kronf, extrem in die Tiefe gehend.

Vermutlich habe ich mir das als Laie einfach zuuuuuuu einfach vorgestellt, ich habe aus den Links gelernt, dass man da viele weitere Faktoren berücksichtigen muss.

Daher wird es wohl eine „Liste“ wie ich sie mir vorstelle - kurz, prägnant, übersichtlich, am besten noch mit Weltkarte, in der diese Sprachen dann auch noch eingezeichnet sind - gar nicht geben.

Wenn ich mir den Link http://wals.info/feature anschaue, so wäre das ja fast perfekt - wenn man irgendwie noch auf einen Blick sehen würde, in welchem Kontinent die entsprechende Sprache zu Hause ist. z.B. durch eine weitere Spalte mit den Kontinent-Abkürzungen Am, Af, As, Au, Eu, oder eben mit der schon erwähnten Einzeichnung in einer Weltkarte.

Auch sehe ich ein, dass ich mir wohl schwer tun werde, irgend welche Infos zu bekommen, warum sich dieser Wechsel von Verb-End-Stellung in heute übliches SPO gewandelt hat und welches Volk dafür verantwortlich war. (ganz leise: hier hoffe ich noch auf eine Antwort von André Müller, dessen Wissen ich immer wieder mit offenem Mund bestaune)

So möchte ich Euch beiden, Stefan und Krof, recht herzlich für Eure Unterstützung danken - ein wenig hat es ja geholfen.

Euch einen schönen Abend wünscht

Alexander

Hallo Alexander,

Wenn ich mir den Link http://wals.info/feature anschaue, so
wäre das ja fast perfekt - wenn man irgendwie noch auf einen
Blick sehen würde, in welchem Kontinent die entsprechende
Sprache zu Hause ist.

Genau das bietet WALS eigentlich (ich sitze grad in dem Institut, wo der WALS erstellt wurde, grad in der Bibliothek, hihi). Vielleicht hast du den Knopf übersehen, es ist nicht immer ganz leicht zu bedienen, aber hier hast du eine Karte mit den Standardwortstellungen:

http://wals.info/feature/81A?tg_format=map

Ich habe (eine ältere Version) diese® Karte übrigens in meiner Küche hängen, haha. Also du siehst da, das ganz Europa rot ist. Ausnahmen bilden hier einige germanische Sprachen mit variabler Wortstellung, wie z.B. das Deutsche (weil es eigentlich nicht SVO, sondern V2, also Verbzweit-Stellung, hat), und den keltischen Sprachen, die eher VSO haben. Sorbisch und Baskisch stechen raus, Baskisch, weil es nicht indoeuropäisch ist, und Sorbisch… tja, warum, weiß ich auch nicht, aber ich glaube, Sorbisch hat ganz oft auch SVO-Wortstellung, evtl. unter deutschem Einfluss.

Naja, und die anderen indoeuropäischen Sprachen spricht man so verteilt zwischen Iran und Indien, die sind zum allergrößten Teil ja SOV-Sprachen.

Leider fehlen beim WALS tote und rekonstruierte Sprachen (naja, er ist nicht dafür ausgelegt gewesen). Die könntest du dir jetzt dazudenken. Soweit ich weiß, haben das Englische und Deutsche einige Verschiebungen der Wortstellung durchgemacht, näheres weiß ich leider nicht.

Auch sehe ich ein, dass ich mir wohl schwer tun werde, irgend
welche Infos zu bekommen, warum sich dieser Wechsel von
Verb-End-Stellung in heute übliches SPO gewandelt hat und
welches Volk dafür verantwortlich war. (ganz leise: hier hoffe
ich noch auf eine Antwort von André Müller, dessen Wissen ich
immer wieder mit offenem Mund bestaune)

Hihi, danke für die Blumen! Und die interessante Frage. Ich hab sie vorhin schon gesehen und wusste erstmal auch nicht so recht die Antwort. Ich wollte den WALS-Link posten, aber das hat Kronf ja schon getan. :smile:
Aber warum das nun grad so ist… uff… da bin ich überfragt. Weiß auch nicht, was für eine Wortstellung fürs Proto-Indo-Europäische postuliert wird.

Hier noch der Hinweis (aber das sieht man auch in der Legende der Karte), dass SOV die häufigere Stellung ist, aber nur sehr gering. Daraus kann man jetzt nicht unbedingt einen Schluss ziehen.

Ich denke mal noch ein bisschen drüber nach, sonst versuche ich das mal noch irgendwie rauszufinden, warum das denn passiert ist. Und warum sich die europäischen Sprachen da so von ihren Verwandten in Indien, Afghanistan, Iran und Tadschikistan unterscheiden.

Viele Grüße,

  • André

Hallo André, hallo Stefan,

das ist jetzt absolut perfekt! Genau so was habe ich gesucht.

Fehlt jetzt nur noch die Erklärung, warum aus der SOV des Lateinischen die „moderne“ SPO-Stellung der meisten europäischen Sprachen wurde.

Hintergrund meiner Frage ist, dass ich mich derzeit mit den häufig als „etruskisch“ bezeichneten Inschriften am Guffert (Steinberg in Tirol) beschäftige. Da wird von mehreren Wissenschaftlern eine Verb-End-Stellung postuliert, die ich als Laie aber eigentlich nicht so ganz glauben mag. Und eben in der eigenen Reflexion zu dem Gelesenen der Wissenschaftler kam mir eben diese Frage: Wie sicher ist denn diese Verbendstellung bei den Steinberginschriften wirklich, könnte es nicht auch eine SPO-Stellung sein (was m.E. einige Erleichterung in der Deutung bewirken würde). Diese Idee (inklus. meiner eigenen Deutung der Zeilen) habe ich auch schon einem der beteiligten Wissenschaftler per e-mail mitgeteilt, es ist aber noch zu kurz her, als dass ich schon auf Antwort hoffen könnte.

Aber auch hier fehlen mir halt wieder die Grundlagen - die ich mir u.a. durch Eure Hilfe rudimentärst versuche anzueignen. Schon die Ver-bend-stellung hat mich längere Zeit Überlegung gekostet…

Schade aber auch, dass der WALS nur für lebende Sprachen existiert. Na, vielleicht bekommt ja doch noch irgend einer irgend eine Information raus, wie es zu diesem Wechsel gekommen ist.

Ich bin jedenfalls gespannt

Vielen Dank und herzliche Grüße an Euch alle drei!

Eine gute Nacht wünscht

Alexander