Verbauen

Abend,

ich frage mich schon länger, wieso das Verb „verbauen“ sich seit einiger Zeit inflationärer Beliebtheit erfreut. Wie kommt das und wann wurde dieses Wort erfunden? Früher sagte man einbauen oder benutzte ein Verb ohne -bauen.

Neulich las ich einen Bericht über einen Motor, der zur Freude der Konstrukteure längs verbaut werden konnte, da er „sehr kurz baut“. Häh?

Hab ich da was verpasst? Müssen Sprüche wie „Kindern nicht die Zukunft verbauen!“ jetzt umgeschrieben werden, damit sie nicht genau das Gegenteil meinen?

Wann also entstand „verbauen“ in der jetzigen Bedeutung?

Gruß
Nils

Hallo Nils,

ich frage mich schon länger, wieso das Verb „verbauen“ sich seit einiger Zeit inflationärer Beliebtheit erfreut.

inflationäre Beliebtheit ist mir nicht aufgefallen. Ich tippe auf den Effekt, den wohl jeder kennt: Hat man ein Wort gerade kennengelernt oder sich daran gestört, scheint gleichzeitig dessen Verwendung sprunghaft anzusteigen, sodass es einem überall begegnet.

Wie kommt das und wann wurde dieses Wort erfunden?

Ich nehme an, dass du nicht ins Mittelhochdeutsche zurückgehen willst. Falls doch, wirfst du einen Blick in die Online-Ausgabe des Deutschen Wörterbuchs der Brüder Grimm (http://germazope.uni-trier.de/Projects/WBB/woerterbu…), in dem auch einiges von dem steht, was ich dazu schreiben kann.

Die unterschiedlichen Bedeutungen des Verbs verbauen hängen nämlich mit denen des Präfixes ver- zusammen. So kann diese Vorsilbe bedeuten, dass eine Sache mit etwas versehen wird, zum Beispiel in verschorfen (mit Schorf versehen). Es ist möglich, ein Ufer oder Hänge zu verbauen, also mit einem sichernden Bau zu versehen oder – laut DUDEN – »durch Einbauen von etw. [zu] befestigen«. Eine zweite Bedeutung von ver- drückt aus, dass etwas falsch gemacht oder beeinträchtigt wird, wie in verwohnen (durch Wohnen abnutzen). Wenn man die Landschaft verbaut, deckt sich das mit der DUDEN-Definition »in störender, hässlicher Weise bebauen«; wenn man seine Immobilie oder eine Klausur verbaut, passt das zu »falsch, unzweckmäßig bauen«. Zu guter Letzt weist eine dritte Bedeutung von ver- darauf hin, dass etwas bei besagter Tätigkeit genutzt und meist verbraucht wird, so in verspielen (durch Spielen verbringen oder verbrauchen). Was man als Objekt gestattet, lässt sich nicht eindeutig festlegen. An erster Stelle stehen natürlich Baumaterialien wie Zement oder Holz (DUDEN: »zum, beim Bauen verwenden«), an zweiter Stelle eventuell Geld (DUDEN: »zum, beim Bauen verbrauchen«), das zumindest – wie die Grimms schreiben – von Goethe und Gellert literarisch verbaut wurde. Warum nicht auch ein Motor? Wenn er in dem dafür vorgesehen Raum eines Wagens montiert wird, kann man es so sehen, dass er als Motor für sich nicht mehr existiert, sondern Teil des hergestellten Autos geworden ist – so wie die Bretter nicht weg, sondern jetzt Teil des Hauses sind.

da er „sehr kurz baut“. Häh?

Das ist wieder eine andere Baustelle :wink: Im DUDEN – und in der entsprechenden Fachpresse – findet man das Verb bauen dann und wann mit der Bedeutung »in bestimmter Weise technisch hergestellt, gebaut sein«.

Ist dir mit dieser Erklärung geholfen?

Gruß
Christopher

versterben
Hi Nils
Mir gings früher ähnlich mit „versterben“. Erst wurde nur immer fleißig „gestorben“, dann fingen mehr und mehr Leute an, zu „versterben“. Hat mich als June schon gewundert.
Es gibt ja öfters solche Änderungen. Früher „hatte alles Sinn“, heutzutage „macht alles Sinn“.
Tröstlich dabei ist höchstens, dass Sprache und Logik so rein garnichts miteinander gemein haben. :wink:
Gruß,
Branden

Hallo Nils

Auch mich stören unnötige Vorsilben!
Ergänzend zu den sehr aufschlussreichen Ausführungen
von Christopher, beobachte ich, dass die Vorsilbe
«ver-» viele Verben ins Negative umdeutet:
raten – verraten
zeigen – verzeigen
legen – verlegen

Zugegeben: nicht immer. Manchmal ist es sogar eher eine
(Ver)stärkung der Bedeutung:
klären – verklären
stehen – verstehen
trauen – vertrauen

Und manchmal kehrt sich die Bedeutung durch das «ver–»
ins pure Gegenteil:
kaufen – verkaufen

Fast täglich höre ich in den (Schweizer) Nachrichten:
«Der Verkehr verläuft störungsfrei».
Der Verkehr ist aber kein Tintenfleck, der sich im
Löschpapier ausbreitet; keine Farbe, die stufenlos in
eine andere übergeht; keine registrierte Abfolge von
Vorgängen … also kein Verlauf!
Richtig wäre m.E.: «Der Verkehr läuft (oder: rollt)
störungsfrei».

Ich kann daher nur vermuten, dass auf den
Nachrichtenredaktionen wieder einmal die unreflektierte
«Sprachblähsucht» meint, längere Wörter würden besser
tönen.

Grüsse
Rolf

Da hat sich wohl ein Begriff verirrt.
Einen Motor verbaut man nicht, man baut ihn ein, besser, man montiert ihn.

Wohl aber verbaut man Material, an dem / mit dem man noch etwas tut.

  • Wir haben heute zwei Paletten Ziegel verbaut.
  • Ein Handwerker verbaut Material im Wert von 500 Euro pro Tag.
  • Sie verbauten ihm die Zufahrt (mit Baumstämmen).
  • Die Fermacellplatten habe ich gestern schon verbaut.

Gruß vom Bau, Dalga