Ich denke, es geht dir darum, weshalb die „Freiheit“ (verstanden als die umfassende Freiheit der Bürger, nicht in diesem sehr verkürzten Sinn der unternehmerischen Freiheit usw.) in der politischen Argumentation so unwichtig geworden ist.
Das ist für mein Verständnis eine komplexe Folge mehrere historischer Entwicklungen:
° Ende der bipolaren Weltordnung und damit eines Systemgegensatzes, der (fast) jedem Idioten (als Quasi-Experiment) klar vor Augen geführt hat, wohin ein Mangel an politischer Freiheit führt.
° Entgrenzung der privaten Lebensführung („das Private ist das Politische“) mitsamt des ganzen Kampfes um das „richtige Bewusstsein“.
° technologische Entwicklung: verbesserte Überwachungstechnologien, aber auch das Aufkommen von noch besseren „Bewussteinstechnologien“: statt der unidirektionale („Wenige beeinflussen das Bewusstsein vieler“) Rundfunk vorher, nun die bidirektionalen social media („Viele beeinflussen das Bewusstsein vieler“).
° deutlich stärkere Anknüpfung des Politischen an moralische Diskurse
° Enger-Werden der Welt hin zum „global village“, v.a. in den Finanz- und Kommunikationsstrukturen, was ein Zunahme an Regulierung erfordert.
° Fast völliger Bedeutungsverlust der „Freiheit“ auf der „linken“ Seite des politischen Tableaus, die bis vor ca. 50 Jahren noch wesentlich von verschiedenen Befreiungsbewegungen geprägt war.
Auf der „rechten“ Seite war Freiheit, sofern sie über „wirtschaftliche Freiheit“ hinausgeht, ohnehin nie sehr hoch im Kurs.
° Aufkommen des „Umwelt“-Themas, nun des „Klima“-Themas. Das hat, ökonomisch gesprochen, eine Vielzahl vorher „freier Güter“ (z.B. die Luft) zum „knappen Gut“ gemacht. Das geht zwingend mit enormen Freiheitsverlusten einher, weil mit knappen Gütern halt logischerweise klare Zugangsbeschränkungen einhergehen.
Gruß
F.