Hallo!
Wir wohnen in einem Gebäude, das schätzungsweise irgendwann um 1900, definitiv
aber vor dem Krieg gebaut wurde und haben trotz nicht
vorhandener Wärmedämmung auch einen Kennwert um die 120
kWh/m²a.
Wie haben die das denn damals ohne zusätzliche Dämmung mit
stinknormalen Backsteinen geschafft, was die in den 70ern
nicht mehr schafften?
Zu allen Zeiten wurden Behausungen für den Daueraufenthalt von Menschen gedämmt. Diesbezüglich nicht wirklich gut waren Hütten aus Holzstangen, Reisig und Tierhäuten. Deutlich besser war meterdickes Gemäuer. Schwachstelle waren über Jahrtausende insbesondere die Fenster.
Schon seit über 100 Jahren geht man aber nicht mehr nur nach der Viel-hilft-viel-Methode vor, sondern versucht statt mit meterdicken Mauern mit überschaubarem Materialeinsatz den gewünschten Effekt zu erzielen. Dafür nutzte man über Generation zweischaliges Mauerwerk. Die innere Schale diente der Statik, trug die Decken. Die äußere Schale diente als Wetterschutz. Zwischen den beiden Schalen gab es einige Zentimeter Luftschicht. Das war gut gedacht, denn stehende Luft isoliert thermisch hervorragend. Nur Vakuum ist besser. Die Luftschicht zwischen den Gebäudeschalen brachte aber auch Probleme mit sich. Damit Kondenswasser nicht die innere Schale durchfeuchtet, erhielt die Luftschicht kleine Lüftungsgitter nach außen - und schon war es vorbei mit der ruhenden Luft. Außerdem waren die Schalen aus Stabilitätsgründen an vielen Stellen miteinander verbunden, was zu Wärmebrücken führte. Außerdem führten Pfusch am Bau, spätere Umbauten und Reparaturen oft zu weiteren Wärmebrücken. Besonderer Schwachpunkt blieben aber die Fenster. Wo genug Geld vorhanden war, wurden Kastenfenster eingebaut, die aus separaten Fensterflügeln in Innen- und Außenschale des Gebäudes bestanden. Das war zwar Aufwand, aber thermisch gar nicht schlecht.
Eine weitere Schwachstelle früherer Bauweisen war ins Gemäuer eindringende Feuchtigkeit. Es gab einfach keine dauerhaft dichten Beschichtungen für erdberührte Bauwerksteile, es gab nicht die heute verfügbaren Drainagesysteme und es gab manche bis heute anzutreffende Gedankenlosigkeit. So war es seit jeher üblich, Kellermauern von außen mit Erdreich zu verfüllen. Bei Blumenbeeten an der Hauswand dachte man sich über Jahrhunderte nichts, vermutete keinen Herstellungsfehler. Es ist aber sehr viel günstiger, ganz unten eine Drainage zu verlegen, bis obenhin mit Kies kapillarbrechender Körnung zu verfüllen und damit unmittelbar erdberührte Wände zu vermeiden. Die erwähnte Kiesschicht speichert kein Wasser, hält die Wände trocken und beinhaltet viel Luft. Das Gebäude steht also trocken in einer dämmenden Schicht. Als weitere Maßnahme hält man mit üppigen Dachüberständen Feuchtigkeit von der Fassade fern.
Ein Gebäude auf sandigem Grund, trocken und in geschützter Lage, Außenwände dicker als 40 cm, Luftschicht ohne Baupfusch, mit genau richtig dimensionierter Belüftung zwischen den Schalen, ausgestattet mit Kastenfenstern, dazu ein optimiertes Verhältnis von Gebäudeoberfläche und Rauminhalt sowie günstige Ausrichtung des Gebäudes, hatte auch schon zu früheren Zeiten erträglichen Energiebedarf, mit dem man bis heute zurecht kommen könnte. Die Realität sah aber meistens anders aus. Das Elend begann schon bei örtlichen Bauvorschriften. Die Häuser hatten in Reih’ und Glied zu stehen, eine Ausrichtung nach energetischen Gesichtspunkten stand gar nicht auf der Agenda. Ein Energiebedarf von 250 bis über 300 kWh pro Quadratmeter und Jahr war der Normalfall, was zum Heizölbedarf von jährlich durchschnittlich 3.000 Litern für ein kleines Einfamilienhaus führte.
Aber nicht allein Bauweise, Gründung, Lage und Ausrichtung eines Gebäudes bestimmen den Energiebedarf, sondern auch die Heizungstechnik. Feuerstellen in allen Räumen ließen einen großen Teil des Heizwerts des Brennstoffs durch die zahlreichen Schornsteinzüge gehen. Zudem kam die für die Verbrennung erforderliche Luft aus dem zu heizenden Raum, so dass ständig kalte Außenluft in den Raum gelangen musste. Die deshalb erforderliche Belüftung war durch bauartbedingt zugige Fenster und Türen gewährleistet. Die ersten Zentralheizungsanlagen waren zwar deutlich komfortabler und auch etwas effizienter, waren aber regelungstechnische Katastrophen. Die Anlagen liefen „auf Schwerkraft“, hatten armdicke Rohre mit gewaltigen Wasservolumina. Die Heizkörper hatten wenig Oberfläche und mussten knallheiß werden.
Unsere Altvorderen hätten gerne weniger Brennstoff benötigt. Es gab drückende Heizölrechnungen, obwohl der Liter Heizöl lange Zeit für 18 Pfennig zu haben war. Ältere Semester erinnern sich vielleicht an Zeiten von Kohlenklau und Raubbau in Wäldern, aber die früher üblichen Bauweisen sowie die zur Verfügung stehenden Materialien und Verfahren gaben nichts Günstigeres her, wenn man die Bude wenigstens halbwegs erträglich temperiert haben wollte. Von heutigem Wohnkomfort waren die Verhältnisse ohnehin weit entfernt. Längst nicht jeder Raum wurde beheizt oder hatte überhaupt eine Heizmöglichkeit. Dicke Pullover, Schals, Fingerlinge, zwiebelschalenmäßige Kleidung und Berge an Bettdecken mussten es bringen. Ein geheizter Raum war in der Nähe des Ofens oder Heizkörpers schwer erträglich warm und ansonsten mehr oder weniger ungemütlich, die Wandoberflächen richtig kalt und an den Fensterscheiben musste man von innen Eis kratzen.
Gruß
Wolfgang