Verdacht auf Thrombose - Mobilisierung?

Patient mit Verdacht auf Thrombose:

  • Hausarzt fragt den Patienten, ob er es schaffen würde, die Treppen (2.Stock) hinunter zu laufen.
  • Rettungsleitstelle (Krankentransport) sagt „auf jeden Fall aufstehen und herumlaufen vermeiden“.
  • Krankentransport DRK - Patient wird mit einem „Tragestuhl“ (mühseligst!) die Treppen heruntergetragen.
  • Hausarzt argumentiert (auf Nachfrage) und weist auf das neueste Standardwerk für (Haus-) Mediziner hin:
    -> heutzutage braucht man bei Verdacht auf Thrombose nicht mehr so vorsichtig zu sein, wie vor Jahren. Mobilisierung wäre heute normal.

Ist es tatsächlich heute so, dass man Patienten mit Verdacht auf eine Thrombose problemlos zu ihrem Notfallwagen laufen lassen kann?

Gruß
Spatzi

Im Rettungsdienst haben wir da eine sehr schöne Notfallbeschreibung bzw. Verdachtsdiagnose für:

Z.n. Hausarzt

nein es ist nicht normal!

Hallo,

Ist es tatsächlich heute so, dass man Patienten mit Verdacht
auf eine Thrombose problemlos zu ihrem Notfallwagen laufen
lassen kann?

Dann könnte er ja wohl auch selbst zum Krankenhaus laufen…
Ernsthaft: Ein Krankenwagen ist kein großes Taxi! Es wird angefordert wegen der medizinisch-technischen Ausstattung inkl. des geschulten Personals.

Ich vermute, der Hausarzt kann nicht beurteilen, wie groß der Thrombus ist, wie fest er sitzt und ob er sich beim Umherlaufen lösen wird. Dann droht die Verschleppung des Thrombus’ (nennt sich dann Embolus) in die Lungengefäße (-> Lungenarterienembolie). Das endet nicht allzu selten auch mal tödlich.
Wegen dieses Risikos haben sich die Kollegen die Arbeit mit der Schlepperei gemacht.

Grüße
Liete

Hallo Spatzi !
Es hat, was die Mobilisation bei Thrombosen angeht, tatsächlich ein Umdenken stattgefunden. Früher hat man ALLEN Patienten mit Beinvenenthrombose (egal wo lokalisiert und egal wie ausgeprägt) eine strikte Bettruhe verordnet. Mittlerweile weiß man, dass bei strikter Bettruhe das Risiko für eine Zunahme der Thrombose sowie auch für eine Lungenembolie (durch Verschleppen des Thrombus) höher ist, als wenn die Patienten mobilisiert werden. Als ich meine Facharztausbildung begann, da vertrat man folgende Ansicht:

  • Unterschenkelthrombose: kann und sollte stets mobilisiert werden.
  • Oberschenkelthrombose: kann bis auf Ausnahmen mobilisiert werden.

Mit Ausnahmen waren gemeint:

  • Sehr großer oder nur lose an der Venenwand haftender Thrombus.
  • Thrombus sehr weit proximal, d.h. oberhalb der Leiste lokalisiert.

Patienten mit Oberschenkelthrombosen und den genannten Ausnahmen sowie auch Patienten mit Beckenvenenthrombosen wurde Bettruhe verordnet.

Mittlerweile lässt man aber sogar ALLE Patienten aufstehen. Eine strikte Bettruhe ist nach der aktuellen Datenlage NICHT mehr erforderlich. Der Hausarzt hat also keinen groben Fehler gemacht.

Gruß Kai

Hallo Kai,

bitte lies noch mal genau. Es geht um einen Patienten mit „Verdacht auf eine Thrombose!“
Dieser Patient hat weder einen Kompressionsverband, noch wurde er mit Heparin behandelt.

http://www.deutsche-gefaessliga.de/venenthrombose.html
„Bettruhe oder gehen lassen?
" … Unsere konkrete Empfehlung ist, dass eine isolierte Thrombose in Unterschenkel- oder Wadenvenen bei gehfähigen Patienten mit Kompression und Heparinspritzen behandelt und mobilisiert werden kann. Dagegen sollte man frische Thrombosen der Oberschenkel- und Beckenvenen über einen Zeitraum von wenigen Tagen mit Bettruhe behandeln.“

Mittlerweile lässt man aber sogar ALLE Patienten aufstehen.
Eine strikte Bettruhe ist nach der aktuellen Datenlage NICHT
mehr erforderlich.

Das Standardwerk für Hausärzte hat anscheinend einen entscheidenden Fehler - darin, dass es nicht berücksichtigt, dass „vermutete Thrombosen“ noch nicht mit Kompressionsverband und Heparinspritzen behandelt werden - weil - nur vermutet.

Bei dem Verdacht auf Thrombosen (ohne irgendwelche Behandlung) - muss also davon ausgegangen werden, dass sich ein Thrombus durch Mobilisierung löst und eine Embolie verursachen kann.

Der Hausarzt hat also keinen groben Fehler
gemacht.

Der Hausarzt hat gewusst, dass keinerlei Therapie der Thrombose vorher stattgefunden hat - weil es sich um den akuten „Verdacht auf Thrombose“ gehandelt hat.
Der Hausarzt hat also grob fahrlässig gehandelt.

Hallo Kai,

bitte lies noch mal genau. Es geht um einen Patienten mit
„Verdacht auf eine Thrombose!“
Dieser Patient hat weder einen Kompressionsverband, noch wurde
er mit Heparin behandelt.
http://www.deutsche-gefaessliga.de/venenthrombose.html
„Bettruhe oder gehen lassen?
" … Unsere konkrete Empfehlung ist, dass eine isolierte
Thrombose in Unterschenkel- oder Wadenvenen bei gehfähigen
Patienten mit Kompression und Heparinspritzen behandelt und
mobilisiert werden kann. Dagegen sollte man frische Thrombosen
der Oberschenkel- und Beckenvenen über einen Zeitraum von
wenigen Tagen mit Bettruhe behandeln.“

Hallo Spatzi !
Die aktuellen Leitlinien (Stand 06/2010) sagen etwas anderes (siehe http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/065-002_…). Da heisst es:
„Patienten mit einer Venenthrombose jedweder Lokalisation und Morphologie sollen nicht immobilisiert werden, es sei denn zur Linderung starker Schmerzen.“

Bei dem Verdacht auf Thrombosen (ohne irgendwelche Behandlung)

  • muss also davon ausgegangen werden, dass sich ein Thrombus
    durch Mobilisierung löst und eine Embolie verursachen kann.

Dieses Risiko besteht immer, auch wenn Heparin gegeben wird bzw. wurde ! Keine Heparin-Therapie wird zu 100 % eine embolische Komplikation verhindern können. Zudem dauert es auch unter Heparin eine ganze Weile bis sich so ein Thrombus aufgelöst hat. Und der Patient sollte hier ja nur eine kurze Strecke zum RTW gehen und hat dann im Krankenhaus ja sicher auch gleich Heparin bekommen.

Der Hausarzt hat also grob fahrlässig gehandelt.

Nochmals: Da hat er aus meiner Sicht nicht.

Hallo Kai,

bitte lies noch mal genau. Es geht um einen Patienten mit
„Verdacht auf eine Thrombose!“
Dieser Patient hat weder einen Kompressionsverband, noch wurde
er mit Heparin behandelt.

Die aktuellen Leitlinien (Stand 06/2010) sagen etwas anderes
(siehe
http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/065-002_…).
Da heisst es:
„Patienten mit einer Venenthrombose jedweder Lokalisation und
Morphologie sollen nicht immobilisiert werden, es sei denn zur
Linderung starker Schmerzen.“

Da steht aber nichts von „Verdachtsfällen auf eine Thrombose“ und wie man damit umgehen soll.
(Vielleicht finde ich den entsprechenden Passus auch nicht - dann bitte ich um einen Hinweis auf diesen Text.)

Bei dem Verdacht auf Thrombosen (ohne irgendwelche Behandlung)

  • muss also davon ausgegangen werden, dass sich ein Thrombus
    durch Mobilisierung löst und eine Embolie verursachen kann.

Dieses Risiko besteht immer, auch wenn Heparin gegeben wird
bzw. wurde ! Keine Heparin-Therapie wird zu 100 % eine
embolische Komplikation verhindern können. Zudem dauert es
auch unter Heparin eine ganze Weile bis sich so ein Thrombus
aufgelöst hat. Und der Patient sollte hier ja nur eine kurze
Strecke zum RTW gehen und hat dann im Krankenhaus ja sicher
auch gleich Heparin bekommen.

Fraglich ist anscheinend (aus deiner und allgemein Hausärztlicher Sicht), ob sich ein Thrombus durch Bewegung lösen und eine Lungenembolie verursachen kann(?).

Der Hausarzt hat also grob fahrlässig gehandelt.

Nochmals: Da hat er aus meiner Sicht nicht.

Ich möchte keinen Hausarzt an den Pranger stellen. Mir scheint, dass die ärztlichen Richtlinien für Hausärzte - bezüglich seltener Ereignisse - mangelhaft sind.

Es kann nicht sein, dass der Rettungsdienst von anderen Prämissen als die Ärzteschaft ausgeht!

Gruß
Spatzi

Es kann nicht sein, dass der Rettungsdienst von anderen
Prämissen als die Ärzteschaft ausgeht!

Doch, diese Schnittstellenproblematik ist nicht außergewöhnlich.

Weiteres Beispiel: Stifnecks (eine Immobilisationsschiene für die Halswirbelsäule). Diese werden vom Rettungsdienst u.a. bei so ziemlich jedem Verkehrsunfall-Patienten angelegt, bei dem der Unfallmechanismus eine Verletzung der Halswirbelsäule zumindest möglich erscheinen lässt.
Kaum im Krankenhaus angekommen, passiert es nicht selten, dass der aufnehmende Arzt das Ding mit dem Kommentar „Das ist doch unbequem!“ oder „Das gibt ein schlechtes Röntgenbild“ abreißt.

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Du weißt doch selber, wir sind nur Erfüllungsgehilfen und haben sowieso von nichts ne Ahnung :wink:

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