Lieber Andreas Wehnert
Ich habe eher etwas grundsätzliches beizusteuern.
In welcher Hinsicht „grundsätzlich“ ist das denn?
Grundsätzlich falsch? Grundsätzlich polemisch? Grundsätzlich
unsachlich?
Ich hoffe, nichts von alledem:wink: Ich habe einen grundsätzlichen
Gedanken geäußert. Ich denke, das ist auch so gut rübergekommen.
Es mag allerdings sein, dass dir das nicht gefällt. Das ist dann
so ohne weiteres von meiner Seite aus nicht zu ändern. Nimm’ es
dir einfach nicht allzu sehr zu Herzen.
Mit jedem öffentlichen Gelöbnis in Form eines solchen Brimbamboriums
will diese Regierung, genau wie die vorherige, die Akzeptanz
für das Militärische in der Gesellschaft erhöhen.
Dazu kann ich ergänzend anmerken, dass Altbundeskanzler
Schmidt sinngemäß sagte, alle Völker seien „verführbar“.
Darin liegt immer eine latente Gefahr.
Nur blöd, das das gar nicht von Seiten der Regierung her
kommt. Selbst wenn ein Bundesminister der Verteidigung daran
irgendwie beteiligt ist, dann ist er das als höchster
Vorgesetzter seiner ihm anvertrauten Soldaten. Effektiv ist
seine Beteiligung aber nicht notwendig - das kann das BMVg als
oberste Bundesbehörde nämlich ganz alleine.
Das ist keine
Frage von einer Regierung, das ist die Frage von militärischer
Tradition und militärischen Brauchtum der Bundeswehr.
Du scheinst mit Leib & Seele Soldat zu sein; mir ist dein
Standpunkt lieber als ein Wischi-Waschi-Geschwätz, auch wenn
ich ihn unter keinen Umständen teile. Kritik an militristischem Auftreten solltest du aber trotzdem akzeptieren. Danke für deine Einlassung über die dienstrechtlichen Zuständigkeiten bei einem öffentlichen Gelöbnis, aber lass’ uns diesen Punkt hintenan stellen; ich halte ihn für nicht so wichtig.
Und wenn du behauptest, dass die Anzahl solcher
Veranstaltungen unter den letzten beiden Regierungen
signifikant zugenommen hätte, dann behauptest du etwas, das
nicht stimmt.
Es geht mir weniger um die nackte Zahl solcher Veranstaltungen.
Unleugbar hat die Akzeptanz für das Militär, sein Auftreten und
seine Öffentlichkeitsarbeit (Gelöbnisse, Tag der offenen Tür, Werbe-
touren in Schulen etc.) seit den 70er Jahren zugenommen. Das hängt
natürlich auch mit der wachsenden zeitlichen Distanz zu den Taten
der Reichswehr zusammen. Die Erinnerung an 33/45 verblasst.
Es soll normal werden, und da haben sie ja auch großen Erfolg, die
Politik mit den Mitteln des Krieges fortzusetzen.
Ach ja? Ich will dir keine Illusionen nehmen, aber befass dich
doch mal ein wenig mit der Menschheitsgeschichte und der
„Normalität“ von Agression.
Oh, sei versichert, das habe ich:wink:)
Im Regelfall hat dies jeder Mensch mit einem pazifistischen Weltbild
intensiver getan als jemand, der dieses Weltbild nicht teilt.
Und da es solche Veranstaltungen gibt, seit es die Bundeswehr
gibt, ist damit wohl auch deine „es soll normal werden“ These
ad absurdum geführt.
In dem gleichen Maße, in dem du es als normal empfindest, Militär
zu installieren und vorzuhalten, empfinde ich es als bedenklich.
Dem Militär wird ein viel zu hoher Stellenwert eingeräumt.
Was soll denn als nächstes folgen? Eine Truppenparade mit Atomraketen am Reichstag vorbei?
Abgesehen davon: Beamte werden auch nicht öffentlich vereidigt.
Warum sollte dies für Soldaten gelten?
Das Deutschland Streitkräfte hat ist normal, dass diese
Streitkräfte Teil der Gesellschaft und damit auch der
Öffentlichkeit sind ist normal, dass diese Streitkräfte in der
Öffentlichkeit auf die freiheitlich demokratische Grundordnung
schwören und geloben ist normal und wichtig.
Wie gesagt, das ist eine Sache der verschiedenen Blickwinkel.
Steter Tropfen höhlt den Stein, das wird uns gerade bewiesen.
Inwiefern? Meinst du, je öfter du dir das selbst oder anderen
einredest, desto richtiger wird es? In deiner Fantasie
vielleicht - faktisch aber nicht.
Natürlich und selbstverständlich ist eine Welt ohne Overkill-
Kapazität eine Utopie. Aber eine erstrebenswerte. Maßstab
jeglichen Weltbildes sollte der moralische Anspruch sein, nicht
seine tagespolitische Umsetzbarkeit. Es ist ein fataler Denkfehler
(oder taktische Absicht), Menschen Blauäugigkeit zu unterstellen,
die Auseinandersetzunge mit Waffengewalt ächten wollen.
Ich bewege mich da nur in eine andere Richtung als du.
Ich danke dir für deine Antwort.
Viele Grüße
Voltaire