Vereidigung

Lieber Paul

Gestern wurden ja 500 Soldaten vor dem Reichstag vereidigt.
Vorher fand dies im Bendlerblock statt.
Woher kam der plötzliche Sinneswandel? Hat sich das jemand im
Verteidigungsministerium ausgedacht? Gab es einen konkreten
Anlass dafür?

Ich habe eher etwas grundsätzliches beizusteuern. Mit jedem öffentlichen Gelöbnis in Form eines solchen Brimbamboriums will diese Regierung, genau wie die vorherige, die Akzeptanz für das Militärische in der Gesellschaft erhöhen. Es soll normal werden, und da haben sie ja auch großen Erfolg, die Politik mit den Mitteln des Krieges fortzusetzen. Steter Tropfen höhlt den Stein, das wird uns gerade bewiesen.

für Informationen über das Zustandekommen der Änderung bin ich
dankbar,

Viele Grüße
Voltaire

Ich habe eher etwas grundsätzliches beizusteuern.

In welcher hinsicht „grundsätzlich“ ist das denn? Grundsätzlich falsch? Grundsätzlich polemisch? Grundsätzlich unsachlich?

Mit jedem öffentlichen Gelöbnis in Form eines solchen Brimbamboriums
will diese Regierung, genau wie die vorherige, die Akzeptanz
für das Militärische in der Gesellschaft erhöhen.

Nur blöd, das das gar nicht von Seiten der Regierung her kommt. Selbst wenn ein Bundesminister der Verteidigung daran irgendwie beteiligt ist, dann ist er das als höchster Vorgesetzter seiner ihm anvertrauten Soldaten. Effektiv ist seine Beteiligung aber nicht notwendig - das kann das BMVg als oberste Bundesbehörde nämlich ganz alleine. :wink: Das ist keine Frage von einer regierung, das ist die Frage von militärischer Tradition und militärischen Brauchtum der Bundeswehr.

Und wenn du behauptest, dass die Anzahl solcher Veranstaltungen unter den letzten beiden Regierungen signifikant zugenommen hätte, dann behauptest du etwas, das nicht stimmt.

Es soll normal werden, und da haben sie ja auch großen Erfolg, die
Politik mit den Mitteln des Krieges fortzusetzen.

Ach ja? Ich will dir keine Illusionen nehmen, aber befass dich doch mal ein wenig mit der Menschheitsgeschichte und der „Normalität“ von Agression.
Und da es solche Veranstaltungen gibt, seit es die Bundeswehr gibt, ist damit wohl auch deine „es soll normal werden“ These ad absurdum geführt.
Das Deutschland Streitkräfte hat ist normal, dass diese Streitkräfte Teil der Gesellschaft und damit auch der Öffentlichkeit sind ist normal, dass diese Streitkräfte in der Öffentlichkeit auf die freiheitlich demokratische Grundordnung schwören und geloben ist normal und wichtig.

Steter Tropfen höhlt den Stein, das wird uns gerade bewiesen.

Inwiefern? Meinst du, je öfter du dir das selbst oder anderen einredest, desto richtiger wird es? In deiner Fantasie vielleicht - faktisch aber nicht.

Gruß Andreas

Hallo,

vorweg: ich verstehe mich selbst als Pazifist, bin allerdings in den letzten Jahren dem Klischee des Älterwerdens gefolgt und habe nicht mehr die ganz einfachen, absoluten Antworten, die ich früher zu diesem Thema immer parat hatte.

Mir ist, wenn wir denn in Deutschland eine Armee (Bundeswehr) brauchen, eine, die sich als „Bürger in Uniform“ versteht und öffentliche Gelöbnisse ableistet, wesentlich lieber als solche, die das versteckt machen.
Es ist im Übrigen ewig her, dass mir Bundeswehrsoldaten in Uniform begegnet sind (außer einigen Autos mit Bundeswehrnummern auf der Autobahn). Früher waren die öfter zu sehen. Das kann aber eine individuelle Einschätzung sein und hat vielleicht nur mit der Lage von Kasernen usw. zu tun.

Gruß
Elke

Hallo Paul,

dann bist du also auch gegen die Polizei?

Gruß
Michael

Hallo,

Meine Bemerkung, dass ich (mehr oder weniger) erst gewaltsam
gegen ihn vorgehen würde, wenn er die Oder überschreitet,
überhörte sie wohl.

Ich habe gerade nochmal im Atlas nachgeschaut.

Also, die Oder konnte ich weder im ehemaligen Jugoslawien noch in Afghanistan finden.

Ich habe bis heute nicht verstanden, warum unser Verteidigungsminister sagt, Deutschland würde jetzt am Hindukusch verteidigt, während sein Kollege Innenminster sagt, wegen der deutschen Soldaten in Afghanistan wäre Deutschland jetzt stärker von Terroristen bedroht und wir müssten deshalb alle ganz dolle neue Reisepässe, Videoüberwachung, Lauschangriffe, Bundestrojaner, Vorbeugehaft, Grundgesetzänderungen für Soldanteneinsätze gegen die eigene Bevölkerung, Folter „light“ und wass weiss ich noch alles haben.

Ich hab’ mich wohler gefühlt, als wir noch nicht von Deinen Kollegen verteidigt wurden.

Gruß

Fritze

Liebe eklastic

vorweg: ich verstehe mich selbst als Pazifist, bin allerdings
in den letzten Jahren dem Klischee des Älterwerdens gefolgt
und habe nicht mehr die ganz einfachen, absoluten Antworten,
die ich früher zu diesem Thema immer parat hatte.

Ich stimme dir zu. Ich setze allerdings voraus, dass auch die
„Gegenseite“ ihren Standpunkt in fortwährender Weise überprüft.
Leider sind deren Argumente seit Jahrzehnten gleich. Sie festigen
ihre gedankliche Basis durch Abstimmung auf die Masse, selten
aus eigenen Gedanken heraus.

Mir ist, wenn wir denn in Deutschland eine Armee (Bundeswehr)
brauchen, eine, die sich als „Bürger in Uniform“ versteht und
öffentliche Gelöbnisse ableistet,
wesentlich lieber als solche, die das versteckt machen.

Es würde vielleicht auch langen, einfach ein Schriftstück zu
Unterzeichnen. Kein Herumgebrülle unter Fahnen oder dergleichen,
kein Garnichts.

Es ist im Übrigen ewig her, dass mir Bundeswehrsoldaten in
Uniform begegnet sind (außer einigen Autos mit
Bundeswehrnummern auf der Autobahn). Früher waren die öfter
zu sehen. Das kann aber eine individuelle Einschätzung sein
und hat vielleicht nur mit der Lage von Kasernen usw. zu tun.

Hat vielleicht auch mit Veränderungen der Manöverstruktur zu
tun (reine Mutmaßung von mir).
Viele Grüße
Voltaire

Lieber Andreas Wehnert

Ich habe eher etwas grundsätzliches beizusteuern.

In welcher Hinsicht „grundsätzlich“ ist das denn?
Grundsätzlich falsch? Grundsätzlich polemisch? Grundsätzlich
unsachlich?

Ich hoffe, nichts von alledem:wink: Ich habe einen grundsätzlichen
Gedanken geäußert. Ich denke, das ist auch so gut rübergekommen.
Es mag allerdings sein, dass dir das nicht gefällt. Das ist dann
so ohne weiteres von meiner Seite aus nicht zu ändern. Nimm’ es
dir einfach nicht allzu sehr zu Herzen.

Mit jedem öffentlichen Gelöbnis in Form eines solchen Brimbamboriums
will diese Regierung, genau wie die vorherige, die Akzeptanz
für das Militärische in der Gesellschaft erhöhen.

Dazu kann ich ergänzend anmerken, dass Altbundeskanzler
Schmidt sinngemäß sagte, alle Völker seien „verführbar“.
Darin liegt immer eine latente Gefahr.

Nur blöd, das das gar nicht von Seiten der Regierung her
kommt. Selbst wenn ein Bundesminister der Verteidigung daran
irgendwie beteiligt ist, dann ist er das als höchster
Vorgesetzter seiner ihm anvertrauten Soldaten. Effektiv ist
seine Beteiligung aber nicht notwendig - das kann das BMVg als
oberste Bundesbehörde nämlich ganz alleine. :wink: Das ist keine
Frage von einer Regierung, das ist die Frage von militärischer
Tradition und militärischen Brauchtum der Bundeswehr.

Du scheinst mit Leib & Seele Soldat zu sein; mir ist dein
Standpunkt lieber als ein Wischi-Waschi-Geschwätz, auch wenn
ich ihn unter keinen Umständen teile. Kritik an militristischem Auftreten solltest du aber trotzdem akzeptieren. Danke für deine Einlassung über die dienstrechtlichen Zuständigkeiten bei einem öffentlichen Gelöbnis, aber lass’ uns diesen Punkt hintenan stellen; ich halte ihn für nicht so wichtig.

Und wenn du behauptest, dass die Anzahl solcher
Veranstaltungen unter den letzten beiden Regierungen
signifikant zugenommen hätte, dann behauptest du etwas, das
nicht stimmt.

Es geht mir weniger um die nackte Zahl solcher Veranstaltungen.
Unleugbar hat die Akzeptanz für das Militär, sein Auftreten und
seine Öffentlichkeitsarbeit (Gelöbnisse, Tag der offenen Tür, Werbe-
touren in Schulen etc.) seit den 70er Jahren zugenommen. Das hängt
natürlich auch mit der wachsenden zeitlichen Distanz zu den Taten
der Reichswehr zusammen. Die Erinnerung an 33/45 verblasst.

Es soll normal werden, und da haben sie ja auch großen Erfolg, die
Politik mit den Mitteln des Krieges fortzusetzen.

Ach ja? Ich will dir keine Illusionen nehmen, aber befass dich
doch mal ein wenig mit der Menschheitsgeschichte und der
„Normalität“ von Agression.

Oh, sei versichert, das habe ich:wink:)
Im Regelfall hat dies jeder Mensch mit einem pazifistischen Weltbild
intensiver getan als jemand, der dieses Weltbild nicht teilt.

Und da es solche Veranstaltungen gibt, seit es die Bundeswehr
gibt, ist damit wohl auch deine „es soll normal werden“ These
ad absurdum geführt.

In dem gleichen Maße, in dem du es als normal empfindest, Militär
zu installieren und vorzuhalten, empfinde ich es als bedenklich.
Dem Militär wird ein viel zu hoher Stellenwert eingeräumt.
Was soll denn als nächstes folgen? Eine Truppenparade mit Atomraketen am Reichstag vorbei?
Abgesehen davon: Beamte werden auch nicht öffentlich vereidigt.
Warum sollte dies für Soldaten gelten?

Das Deutschland Streitkräfte hat ist normal, dass diese
Streitkräfte Teil der Gesellschaft und damit auch der
Öffentlichkeit sind ist normal, dass diese Streitkräfte in der
Öffentlichkeit auf die freiheitlich demokratische Grundordnung
schwören und geloben ist normal und wichtig.

Wie gesagt, das ist eine Sache der verschiedenen Blickwinkel.

Steter Tropfen höhlt den Stein, das wird uns gerade bewiesen.

Inwiefern? Meinst du, je öfter du dir das selbst oder anderen
einredest, desto richtiger wird es? In deiner Fantasie
vielleicht - faktisch aber nicht.

Natürlich und selbstverständlich ist eine Welt ohne Overkill-
Kapazität eine Utopie. Aber eine erstrebenswerte. Maßstab
jeglichen Weltbildes sollte der moralische Anspruch sein, nicht
seine tagespolitische Umsetzbarkeit. Es ist ein fataler Denkfehler
(oder taktische Absicht), Menschen Blauäugigkeit zu unterstellen,
die Auseinandersetzunge mit Waffengewalt ächten wollen.
Ich bewege mich da nur in eine andere Richtung als du.

Ich danke dir für deine Antwort.
Viele Grüße
Voltaire

Hallo Voltaire,

Es würde vielleicht auch langen, einfach ein Schriftstück zu
Unterzeichnen. Kein Herumgebrülle unter Fahnen oder
dergleichen,
kein Garnichts.

Ich arbeite für eine Kreisverwaltung. Nicht Beamte, einfach Angestellte. Da muss man auch ein Gelöbnis ablegen. Ein paar Zettel unterschreiben und jemandem die Hand schütteln, dass man gelobt verschiedene Sachen zu machen bzw. nicht zu machen.
Das Ganze fand im Büro der Personalsachbearbeiterin statt. An ihrem Schreibtisch. Gegenüber saß ihre Kollegin, die gerade irgendwas am Telefon machte. Zwischendrin steckte mal jemand den Kopf durch die Tür, wo denn der Sowieso heute zu erreichen sei. „Außendienst, aber - haha - selbst wenn er da ist, ist er ja zu nichts zu gebrauchen.“ Allgemeines Gegrinse. Achja, das Gelöbnis…
Also so ungefähr das Gegensätzlichste zu feierlich, was man sich vorstellen kann.
An die Unterbrechung erinnere ich mich mehr als an das, was ich da gelobt habe.
An unserer Schule müssen die Lehrer, die nicht Beamtenstatus haben, bei Amtsantritt mit der Schulsekretärin das Gelöbnis machen und ihr „die Hand drauf geben“.

Was ist an ein bißchen Ritual und Feierlichkeit eigentlich falsch? Manchmal kann das helfen, den Ernst der Situation klarzumachen.

Gruß
Elke

Gelöbnis und Selbstverständnis
Hallöchen,

wesentlich lieber als solche, die das versteckt machen.

Es würde vielleicht auch langen, einfach ein Schriftstück zu
Unterzeichnen. Kein Herumgebrülle unter Fahnen oder
dergleichen,

von Gebrülle weiß ich nichts und die Zahl der Flaggen und Fahnen hielt sich schwer in Grenzen. Stattdessen standen wir eine gute Stunde in mörderischer Hitze und voller Montur auf einem Platz herum, während einige Schaulustige zzgl. Angehörige drumherum standen. Letzte Endes eine gute Gelegenheit, darüber nachzudenken, daß man da gerade mehr machte als zwölf Monate pflichtgemäß abzuhängen.

Aber ich scheine generell ein anderes Verhältnis als die meisten anderen zu diesem Land zu haben. Ein Blick ins Forum oder die Sat.1-Text „Leserbriefe“ reicht aus, um mir immer wieder bewußt zu machen, daß die meisten diesen Staat einfach nur furchtbar und überflüssig zu finden scheinen, sich aber nicht zu schade sind, Leistungen von ihm anzunehmen - oder gar zu fordern.

Gruß
Christian

Hallo Voltair,

jedem sollte zugestanden bleiben, dass er sich seine SOUVERÄNITÄT bewahrt. Und dazu öffenlich zu stehen. Wer das verneint, sollte sich sonst nicht wundern. ´Toleranz in der Gesellschaft´ (Ziel) ´bedingt´ die Toleranz der Bundeswehr zum Demokratischen Rechtsstaat.

Die Vereidigung ist zwar nicht ´notwendig´, dennoch aber ´erforderlich´.

Gruß
guvo