Vereinigte Bananenrepublik Amerika Gedanken zum System Trump

Moin,
Er gibt ja genug Anlass zu verzweifeltem Unglauben an das Überleben des Guten und wenig Anlass zum hoffnungsvollen Glauben an die Vernunft oder so.
Wie funktioniert denn das System Trump? Es wird und wurde ja schon viel darüber geschrieben. Nach außen zeigt sich die ehemalige USA jetzt nicht mehr als der den Anspruch der moralischen Großmacht verdienenden Ankerpunkt der Demokratie in der Welt. (Macht es nicht nur dem bald ehemaligen großen Brittannien vor, wie man das zerstört)
Was sind die vereinigten Bananenstaaten von Amerika heute? Sie zeigen uns allen nicht nur, wie fürchterlich eine solch machtreiche Position des Präsidenten ist, der scheinbar unangreifbar offensichtlich minderbemittelt und impulsgesteuert „Politik“ per Twitter macht, ohne dass ihn der Rest der heimischen Demokratie darin ausbremsen kann. Überführt des moralischen Fehltritts des Betrugs am Wähler durch Zweckentfremdung von Spenden für seine (Wahl)Zwecke verlegt er einfach nur seinen Hauptwohnsitz in einen anderen Bundesstaat - nur ein jüngeres Beispiel.
Was für eine Struktur hat diese Bananenrepublik (mir fällt nun mal kein besserer Name dafür ein), in der der Präsident, der mächtigste Mann des Staates so absolut Panne sein kann, und dafür nicht ausreichend sanktioniert, geächtet und ausgebuht (das wäre mal so demokratisch zu erwarten) wird. Sondern von den Mitgliedern einer der zwei großen (seiner) Parteien sogar immer weiter unterstützt wird.
Das sind doch alles Merkmale einer Diktatur, einer Autokratie, eines totalitären Systems. Was ist es dort drüben denn? Dass ihn die Mehrheit der 63 Mio., die ihn gewählt haben, auch weiter unterstützen, liegt wohl zum größten Teil daran, dass eben die meisten schlecht gebildet, schlecht informiert und offen für Verschwörungstheorien sind (weiße Landbevölkerung), die nicht hinter die Lügen schauen können. Aber er wird ja auch von den gebildeten Republikanern unterstützt - die halten ihm die Stange und schauen sich keine Fakten kritisch an (sagen selbst, dass sie kritische Materialien einfach nicht zur Kenntnis nehmen).
Wo sind die 68 Mio. - das sind nur die Wähler, die für die Demokraten stimmten und nicht die Nichtwähler, das sind immerhin auch zusätzlich fast 120 Mio. - die eigentlich damit nicht einverstanden sind, was da passiert und was für ein Bild die USA inzwischen in der Welt abgeben, die eben keine Bananenrepublikaner sein wollen? Wieso kriegen die keinen Fuß auf den Boden? Das ist ein Potential von um 180 Mio. Wahlberechtigten, die wenigstens zum Teil das Land der unbegrenzten Möglichkeiten gerne (wieder)hätten.
In einem totalitären System funktioniert das über Gulags (Stalin) oder andere (Arbeits)lager für die Gegner (oder deren Eliminierung), dort drüben herrscht pro forma Meinungsfreiheit und so - die Gegner sind ja nicht weggesperrt, auch nicht die eloquenten, auch nicht alle, die so reden, dass „man“ ihnen zuhört. Warum hört man so wenig durchschlagend Erfolgreiches von den Vernünftigen, den Gegnern, den Verteidigern der Demokratie, den Korruptionsgegnern?
Das wollte ich jetzt mal loswerden und anstoßen, mir und anderen die Ideen dazu zu schreiben
Grüße, ynot

Moin,

in der ZDF Mediathek gibt es dazu eine sehr gute Reportage

Absolut sehenswert und auch etwas verstörend. Hier werden eine Menge deiner Fragen beantwortet.

Soon

Excuse my French (ist auch weniger polemisch, denn kurz+knackig gemeint), aber allein in dieser kleinen Passage sind schon drei Fehlannahmen:

a) So sonderlich machtreich ist die Position des US-Präsidenten nun wirklich nicht.

b) Aus meiner Sicht ist die impulsgesteuerte Twitter-Politik der intelligente Versuch, uns ständig über den „minderbetitelten“ Trump empören zu lassen, während er „dahinter“ vergleichsweise unbemerkt seine Politik durchzieht. Nicht nur seine Steuerreform usw. sind zu nennen, sondern auch „innerparteilich“ hat er es geschafft, den Republikanern einiges abzutrotzen ohne deshalb ihre Zustimmung eingebüßt zu haben: Budgetdisziplin, außenpolitische Bündnistreue, wirtschaftspolitischer Protektionismus usw.

Und obendrein treibt er mit seinen Twitter-Spiegelfechtereien die Demokraten nach links, zu AOC und den anderen, und zu Sanders und Warren, gegen die er bei den Präsidentschaftswahlen gut gewinnen kann, wenn nichts Großes dazwischen kommt.

Ich weiß nicht, ob das wirklich durchgerechnetes Kalkül ist (z.T. glaube ich schon), aber es ist ungeheuer geschickt.
Dass wir ihn immer unterschätzen („minderbemittelt“ usw.) und uns damit schlichtweg fortwährend irren, zieht sich schon seit dem Vorwahlkampf durch. Wir sollten ihn mal anders betrachten.

c) Natürlich könnte ihn der „Rest der Demokratie“ ausbremsen. Nur nicht die Demokraten als Oppositionspartei allein. Das ist aber doch weder ein Trump- noch ein USA-Spezifikum.

Grund
F.

In der Reportage geht es um seinen Weg zur Präsidentschaft, @ynot geht es aber um die Zeit danach.
Trump hat es geschafft, sowohl die rechten Medien als auch einen Großteil der Republikaner hinter sich zu bringen. Wer nicht mitmachen wollte, wurde von den eigenen Reihen gnadenlos niedergemacht und/oder hat sich aus der Politik zurückgezogen. Gleichzeitig wurden im Windschatten von Trump Kandidaten gewählt, die ihm recht ähnlich sind und somit die Partei noch weiter umgeformt.

Für mich etwas schockierend war, wie schnell und absolut auch Parteigranden umgeschwenkt sind. Bestes Beispiel ist Lindsey Graham, der heute einer der größten Jünger von Trump ist. Vor der Wahl klang das noch so:

„He’s a race-baiting, xenophobic, religious bigot,“ Graham told Alisyn Camerota. „He doesn’t represent my party. He doesn’t represents the values that the men and women who wear the uniform are fighting for. … He’s the ISIL man of the year.“

Man darf sich auch fragen, wo die ganzen fiscal conservatives abgeblieben sind, die Obama bei jedem Dollar Neuverschuldung verbal gekreuzigt haben. Mittlerweile ist das Defizit auf eine Billion angewachsen und das in einer Zeit, in der man gerne auch mal Überschüsse produzieren könnte.
Generell sind Dinge, die bei Obama noch das Ende der USA eingeläutet haben, unter Trump gar kein Problem mehr. Man möge sich nur mal vorstellen, Obama hätte enge Familienmitglieder im Weißen Haus arbeiten lassen…

Was man bei Kavanaugh noch erahnen konnte, sieht man jetzt beim Impeachmentverfahren gegen Trump ganz offen: Die GOP setzt rein auf den Machterhalt und schreckt im Grunde vor gar nichts mehr zurück. Ich hab mir die erste Anhörung mit Kent und Taylor live angesehen und schon da musste ich mich mehrmals fragen, auf welchem Planeten die republikanischen Abgeordneten eigentlich leben. Die eine Hälfte der Aussagen waren gelogen, die andere hatten mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun.

Eine Spur weiter geht dann FOX News und ich muss ehrlich zugeben, dass ich das Verfahren gegen Trump auch nicht unterstützen würde, wenn ich meine Nachrichten nur von dort konsumieren würde.

Die rechten Medien und die GOP stecken einfach schon zu tief drin, als das sie sich noch von Trump lösen könnten und ich sehe für das Impeachmentverfahren keine Chance, da die GOP Senatoren geschlossen dagegen stimmen werden. Da könnte man sich das alles ersparen, denn es handelt sich um ein rein politisches Verfahren, bei dem die Wahrheit oder Fakten einfach keinen Platz haben.

Trump merkt selber, dass er seinen Anhängern immer neues Material liefern muss und ein schönes Indiz dafür finde ich folgende Zahlen: 2017 erzählte Trump im Schnitt 2 Lügen pro Tag. 2018 waren es schon 8 und mittlerweile sind es 10. Er dürfte sich mittlerweile unantastbar fühlen und die Umfragen innerhalb der GOP dürften ihn darin auch noch bestärken. Bleibt nur zu hoffen, dass nächstes Jahr die Rechnung präsentiert wird und die Dems das Weiße Haus und den Senat erobern. Was ein Trump anstellt, der nicht zumindest eine mögliche Wiederwahl im Auge behalten muss, möchte ich mir gar nicht ausmalen…

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ja, das ist leider so. Diese Taktik des Fischschwarms funktioniert ja bei den ungebildeten Wählern nachvollziehbar. In dem Schwarm von Lügen wird der Betrachter und sie Betrachterin (und der Jäger sowie die Jägerin) dermaßen verwirrt, dass er und sie Einzelnes gar nicht betrachte und überprüfen kann, weil das nächste schon -zig fach da ist. Das funktioniert bei den Lügen und bei den Faux-pas und den Affronts gleichermaßen.
Warum aber die Partei"genossen" ebenso wie alle gebildeteren nach 3 Jahren im Amt und dem Vorlauf es immer noch nicht geschnallt haben, dass diese Schwarmtaktik, dieses neue-Feuer-legen-um-vom-aktuellen-Feuer-abzulenken, das ist mir unerfindlich.
Es gibt scheinbar immer noch keinen Film/keine Sammlung, die unzensiert und unkommentiert einfach nur seine Widersprüche gegenüberstellt (mit Datum,Uhrzeit und Ort) - weil es niemanden interessiert und jede/r nur in diesen Schwarm, diese Wimmelbilder blickt und es nicht fassen kann.
Die anderen Drecks… der GrandOldParty machen mit, weil sie um ihre Macht fürchten. Dass das so weit geht, verstehe ich nicht und würde eben gerne die Psychologie dahinter entdecken. Was für ein System ist das? Kein „normales“ totalitäres, keine klassische Diktatur, keine klassische Tyrannei. Und Macht hat auf jeden Fall dieser POTUS viel zu viel, weil ihm viel zu viele seine Blubberergüsse glauben, obwohl er fast nur fakes von sich gibt. Da, bei ihm besonders, beachte man den klassischen Satz, dass er mit seinen Vorwürfen seine eigenen Mängel entlarvt, dass diese Vorwürfe auf jeden Fall auf ihn zutreffen.
Und warum ihn überhaupt noch Frauen unterstützen, kann ich so gar nicht nachvollziehen.
Grüße ynot

Das bleibt abzuwarten. Nächstes Jahr wird gleichzeitig ein Drittel des Senats und das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt. Einige Republikaner werden sich noch sehr genau überlegen müssen, was ihre Wiederwahl stärker beeinflussen wird: Unterstützung von Trump oder Distanzierung von Trump. Gerade in den ländlichen Gebieten ist schon dem ein oder anderen Trumpwähler inzwischen aufgefallen, daß die Handelspolitik des Präsidenten nicht unmittelbar zu ihrem Vorteil war, auch wenn er sie versuchte mit Geschenken wieder zu besänftigen.

Ich bin mir nicht sicher, ob er eine nur einmalige Wiederwahl als akzeptables Szenario betrachtet. Daß er die Verfassung mehr so also grobe Richtlinie denn als bindend ansieht, blitzte ja schon das ein oder andere mal durch.

du meinst, er könnte sich Putin und Erdogan zum Vorbild nehmen und einfach
für immer an der Macht bleiben wollen? :wink:

VG
J~

Ich bezog mich da eher auf das laufende Impeachmentverfahren. Das wird wohl Anfang des Jahres im Senat zur Abstimmung kommen und dann ist es noch weit bis zu den Wahlen.

Das ist nur ein Teil der Geschichte. Wer sich gegen Trump stellt, wird gnadenlos niedergemacht. Das musste ein Urgestein wie McCain erfahren, der sich von Trump Dinge gefallen lassen musste, wie kein zweiter. Dass jetzt nach seinem Tod sein bester Freund Graham zu den treusten Steigbügelhalter von DT gehört, ist da nur ein weiterer Mosaikstein. Aktuell sehe ich höchstens bei Romney Tendenzen, nicht einfach blindlings für Trump abzustimmen und selbst dafür wird er schon zur Sau gemacht. Es werden sich niemals genug Senatoren für die nötige 2/3 Mehrheit finden.

Es müssen sich zwar 23 GOP Senatoren zur Wahl stellen (bei nur 12 auf Seiten der Dems), aber die meisten dieser Bundesstaaten sind tiefrot. Ich sehe durchaus Chancen für die Dems, eine Mehrheit im Senat zu holen und Kentucky (wobei Bevin sicher kein Maßstab für die anderen GOP Politiker ist) und Virginia haben gezeigt, wie es gehen könnte. Die einzelnen Kandidaten müssen sich aber sicher gut fragen, ob sie auf die Unterstützung von Trump (und möglicherweise des RNC) verzichten können. In Einzelfällen wahrscheinlich schon, aber die Partei als Ganzes könnte sich nur durch eine Abwahl Trumps im Herbst von ihm lösen.

Das würde ich ihm im Falle eines Sieges 2020 auch zutrauen. Stand jetzt dürfte ihm aber auch klar sein, dass er die Wahl unbedingt gewinnen muss und daher nicht alle Dämme brechen dürfen. Auch ihm dürfte klar sein, das am ersten Tag nach seinem Ausscheiden die ganzen Verfahren, vor denen er bisher durch das Amt geschützt war, aufgenommen werden. Imho ist es keine Frage, ob Trump nach seiner Amtszeit ins Gefängnis kommt, sondern wie lange.

… allein, mir fehlt der Glaube und in deinem Satz leider der Konjunktiv des müssens …
Mit genug Geld kann ExPotus sich in den VereinigtenBananenRepubliken besonders dann in der PostTrumpÄra vor dem Knast leider vermutlich schützen, und sei es durch in die Länge ziehen der Verfahren, bis dass der Tod sie scheide. Schau genau hin, wer welche höchsten Richterposten wie auf Lebzeiten besetzt hat: Justitia Americanensis schielt und ist auf allen Augen blind.
Ich wünsche Beweise des Gegenteils,
Grüße