Verfremdung

hi,
ich muss für meinen kunstunterricht eine verfremdung bauen! nur leider habe ich weder gute ideen, noch finde ich beispiele im internet. vielleicht hat ja von euch einer ne gute idee, sollte aber nicht zu schwer sein, da ich es ja bauen muss. danke
maxi

Mh,
Maxi,
Deine Frage ist schon so abstrus, dass sie mich schon wieder interessiert.
Verfremdung? Immer wieder ein interessantes Thema.
Aber: Verfremdung von was, bitte???
Und dann „bauen“?
Also welche Art von Verfremdung soll nun gebaut werden??? Und heißt Verfremdung nicht, dass neben dem „Bauen“ auch andere Techniken zum Tragen kommen könnten…
rätselhaft…
Wenn du das genauer beschreiben könntest, hätte ich ja vielleicht eine Idee, aber so???
Gruß,
Anja

Hallo Anja,

dem Rätsel einer „gebauten Verfremdung“ ziemlich nahe zu kommen scheint mir Picassos Stierkopf aus Fahrradsattel & -lenker. Was würdest Du, vom Fach, von diesem Ansatz halten?

In diesem Fall kämen, etwas weniger genial, in Frage:

  • Teekanne mit Brille & Mütze
  • Bouquet von Klo-, Flaschen- und Reagenzglasbürsten in einer richtig feist kitschigen Vase
  • Das diplomatische Telefon mit Plüsch-Ohrenschützern statt der Abdeckungen von Sprech- und Hörmuschel

und dergleichen.

Schöne Grüße

MM

Hi Martin,

dem Rätsel einer „gebauten Verfremdung“ ziemlich nahe zu
kommen scheint mir Picassos Stierkopf aus Fahrradsattel &
-lenker. Was würdest Du, vom Fach, von diesem Ansatz halten?

Diese Anfrage ehrt mich :smile:)
Dieses Beispiel ist gar nicht schlecht, nur (ich „behaupte“ jetzt mal aus meiner Sicht): Picasso hat in dem Fahrradsattel+Lenker eben keine Verfremdung, sondern den Stierkopf real gesehen. Der Eindruck der „Verfremdung“ entsteht bei dem Betrachter aufgrund der Tatsache, Sattel und Lenker in anderem Kontext („funktionslos“ zusammenmontiert an einer Wand im Museum) zu sehen. Auch der Betrachter erkennt sogleich die „Idee“, also wird aus der scheinbaren Verfremdung im Wissen um die Idee wieder Realität.
Dies schreibe ich wohlbemerkt als Künstlerin und nicht als Kunsthistorikerin (mit denen stehe ich ziemlich auf Kriegsfuß…).

In diesem Fall kämen, etwas weniger genial, in Frage:

  • Teekanne mit Brille & Mütze
  • Bouquet von Klo-, Flaschen- und Reagenzglasbürsten in einer
    richtig feist kitschigen Vase
  • Das diplomatische Telefon mit Plüsch-Ohrenschützern statt
    der Abdeckungen von Sprech- und Hörmuschel

Mit dem „weniger genial“ liegst Du völlig richtig :smile:
Was Du da beschreibst ist eine eher geckige wahllose Collage von Alltagsgegenständen, die mir im Höchstfall ein abschätziges Lächeln entlocken würde… (hoffe, Du fühlst Dich mit dieser Aussage nicht auf die Füße getreten…)

Ich habe mal auf dem Flohmarkt ein altes Waschbrett entdeckt, und sogleich eine Aussage darin „gesehen“, die ich dann umgesetzt habe. Das Ergebnis muss ich Dir mailen, da meine Homepage noch nicht steht und ich deshalb keine Verlinkung vornehmen kann…

Dir einen schönen Tach,
Anja

Hallo nochmal,

eine wahllose Collage
von Alltagsgegenständen

scheint mir - insbesondere für den Kunstunterricht, wo man wohl typisieren muss, wodurch die bildenden Künste im Zweifelsfall genauso gequält werden wie ein Text durch eine „Interpretation“ - in die Richtung der Aufgabenstellung zu gehen: Verfremdung als Aufbrechen der Sehgewohnheit, indem ein Gegenstand aus dem gewohnten in einen überraschenden anderen Zusammenhang gesetzt wird. Das „Rezept“ für Maxi (die vielleicht noch Konkreteres schreibt?) würde dann heißen: „Suche einen Gegenstand, der auch etwas anderes sein könnte, und setze ihn in einen Zusammenhang, in dem jenes andere auf den ersten Blick sichtbar wird“.

Wahllos sind die von mir vorgeschlagenen Collagen beiläufig nicht, sie führen im Fall Teekanne und Bouquet Parallelen von Formen vor und im Fall Diplomatentelefon Parallelen von Funktionen. Viel flacher als der Stierkopf sind sie, weil sie eben beim Gäg aufhören, während bei jenem das Wiedersehen im überraschenden Zusammenhang einen regelrechten Witz ausmacht. Ich erinnere mich gut an das Nasenrümpfen rundherum, als ich das erste Mal vor ihm stand und laut hinausgelacht habe…

Ich habe mal auf dem Flohmarkt ein altes Waschbrett entdeckt,
und sogleich eine Aussage darin „gesehen“, die ich dann
umgesetzt habe. Das Ergebnis muss ich Dir mailen, da meine
Homepage noch nicht steht und ich deshalb keine Verlinkung
vornehmen kann…

Bei diesem Stück - schönen Dank! - ist die Überraschung zweifach, weil sie Form und Inhalt gleichzeitig betrifft. Da fängt dann schon poetische Ver-Dichtung an!

Schöne Grüße

MM