Hallo Lulea,
der Krieg war aus. Und die Meisten werden wohl froh gewesen
sein.
Aber wie war das für die deutschen Juden? Wie war die
Situation zwischen Deutschen und Juden nach dem Krieg.
Gespalten - zwispältig - ambivalent, wie es schon Deine Wortwahl ausdrückt, wenn Du von deutschen Juden und einen halben Satz später von Deutschen und Juden schreibst.
Wir müßten uns erst einmal verständigen, wen genau Du meinst, wenn Du „Juden in Deutschland nach 1945“ (schwieriges Wortungetüm) im Blick hast:
- Juden, die schon vor der Schoah in Deutschland gelebt haben, womöglich ein paar Jahrhunderte, was nicht verhindert hat, daß sie in der Nazizeit verfolgt wurden.
- Juden, die vorwiegend aus Osteuropa stammten, aber aus unterschiedlichen Gründen nach 1945 in der BRD hängenblieben und die in den damaligen jüdischen Gemeinden die Mehrheit bildeten.
- jüdische Emigranten, die in die BRD zurückkehrten
- jüdische Emigranten - meist Kommunisten - die in die DDR zurückkehrten und dort zum Aufbau eines neuen antifaschistischen Deutschland beitragen wollten.
Die Befindlichkeiten dieser Gruppen waren sehr unterschiedlich, aber nehmen wir mal die größte Zahl von ihnen, nämlich die osteuropäischen überlebenden Juden, die sich nach ihrer Befreiung in Deutschland (jetzt ist das Staatsgebiet der BRD gemeint) befanden.
Die Briten und die Amerikaner richteten in ihren jeweiligen Besatzungszonen DP-Lager (DP heißt displaced person) ein. DPs waren aber nicht nur Juden, sondern auch Zwangsarbeiter oder auch Kollaborateure der Nazis.
Da in der Britischen Zone die DPs nicht in getrennte Lager kamen, konnten sich also überlebende Juden wieder mit ihren ehemaligen Peinigern - osteuropäischen Kollaborateuren - wiederfinden.
In der amerikanischen Zone wurden getrennte DP-Lager eingerichtet, also rein jüdische Lager, die unter Selbstverwaltung standen und den Militärbehörden verantwortlich waren. Sie hatten eine ganz eigene Infrastruktur und waren darauf ausgerichtet, die Bewohner auf eine Auswanderung vorzubereiten. Mit dieser Auswanderung konnte es allerdings ziemlich lange dauern, weil man dafür einen Gesundheitspaß brauchte. Und da viele KZ-Überlebende Tuberkulose oder andere Krankheiten hatten, waren sie erstmal nicht auswanderungstauglich. So sind viele länger in diesen Lagern geblieben als sie wollten. Das letzte wurde erst 1957 geschlossen.
Wie
wurden sie weiter behandelt? Wie sind die Besatzer weiter mit
ihnen umgegangen? Konnten sich Juden wieder „frei“ bewegen,
einkaufen?
Da muß man zwischen Briten und Amerikanern und zwischen osteuropäischen Juden und deutschen Juden unterscheiden. Außerdem wäre die Frage eher nach der deutschen Mehrheitsbevölkerung zu stellen, denn - soweit Juden eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten hatten (DP-Lager), so hing das mit Ausschreitungen der deutschen Bevölkerung zusammen, vor der sie geschützt werden mußten.
Es gab da nämlich einigen Haß, weil - zumindest in der amerikanischen Besatzungszone - die Kalorien, die überlebende Juden in den DP-Lagern bekamen, höher angesetzt waren, als die der nicht-jüdischen Deutschen. Außerdem wurden die DP-Lager über die IRO (International Refugee Organisation), später UNRRA und amerikanisch-jüdische Organisationen (Joint) versorgt.
Die DP-Lager waren eine Art Parallel-Welt, und wer nicht in Kontakt kommen wollte mit der deutschen Umwelt mußte das auch nicht.
Was die deutschen Juden anging, war es in der britischen Besatzungszone ebenfalls anders als in der amerikanischen. Bei den Amis war es so, daß überlebende Juden relativ schnell sich wieder ihr eigenes Leben aufbauen konnten. Auf dem Gebiet der Amerikaner waren auch jüdische Untergrundorganisationen tätig, die Auswanderungswillige über die Tschechoslowakei ausschleusten.
Bei den Briten sah das etwas anders aus: Überlebende deutsche Juden waren Deutsche und als Deutsche hatten sie - wie die nicht-jüdischen Deutschen auch - den Status von enemy aliens.
Das hieß: Ihre Konten, die schon die Nazis eingefroren hatten, blieben weiter eingefroren. Sie kamen nicht an ihr Geld ran, um evtl. die Lebensmittelrationen durch Schwarzmarktkäufe aufstocken zu können.
Die überlebenden Juden hatten die gleiche Kalorienmenge wie die nicht-jüdischen Deutschen. Da sie aber durch die größere Mangelernährung während der Nazizeit (weniger Kalorien als die Nicht-Juden) stärker geschädigt waren, führte das dazu, daß Tausende zwar erst einmal überlebt hatten, aber nach Kriegsende starben.
Auf die besondere Situation von deutschen Juden gingen die Briten nicht ein. So gab es in Berlin einen amerikanischen Militärrabbiner, der von überlebenden deutschen Juden in Hamburg gebeten worden war, zu ihnen für die G-ttesdienste der Hohen Feiertage zu kommen und zu amtieren. Die britische Militärregierung erlaubte das nicht mit der Begründung, daß enemy aliens keine Unterstützung erfahren dürften.
Wenn Du etwas mehr zur Situation von DPs in der amerikanischen Zone wissen willst, dann kannst Du Dir das Taschenbuch von Juliane Wetzel und Angelika Königseder „Lebensmut im Wartesaal“ besorgen.
Viele Grüße
Iris