Verhältnis zu Juden nach dem Krieg

Hallo,

der Krieg war aus. Und die Meisten werden wohl froh gewesen sein.
Aber wie war das für die deutschen Juden? Wie war die Situation zwischen Deutschen und Juden nach dem Krieg. Wie wurden sie weiter behandelt? Wie sind die Besatzer weiter mit ihnen umgegangen? Konnten sich Juden wieder „frei“ bewegen, einkaufen?

Leider ist da aus meinen Großeltern nicht viel heraus zubekommen.Die reden nicht gerne über den Krieg…nur immer so pauschale Aussagen wie „schlimm“ oder „ging Vielen so“ bekomm ich aus ihnen heraus…

Wie war die Situation für Juden nach dem Krieg?

Vielen Dank,

Gruß Lulea

Hallo,

Wie war die Situation für Juden nach dem Krieg?

Welche Juden?

Gruß
Elke

PS: Lesestoff
Michael Degen: Nicht alle waren Mörder. Eine Kindheit in Berlin.
http://www.amazon.de/Nicht-alle-waren-M%C3%B6rder-Ki…
2. Teil dieser Autobiographie:
http://www.amazon.de/Mein-heiliges-Land-meinem-verlo…
Ralph Giordano: Erinnerungen eine Davongekommenen.
http://www.amazon.de/Erinnerungen-eines-Davongekomme…

Kein Jude, aber zum Teil vergleichbare Erlebnisse:
Hans J. Massaquoi: Neger, Neger, Schornsteinfeger
http://www.amazon.de/%C2%BBNeger-Neger-Schornsteinfe…

Das Verhältnis zwischen beiden läßt sich wohl am besten mit dem treffenden Satz von Zwi Rex beschreiben: „Die Deutschen werden den Juden Auschwitz nie verzeihen“

Hallo Lulea,

Normalität und Ausnahmezustand liegen meist viel enger zusammen, als wir glauben. Wichtig zu wissen ist:

  1. Nach dem Krieg gab es nur noch sehr sehr wenige Juden in Deutschland. Sie waren entweder rechtzeitig emigiriert oder ermordet worden.

  2. Nach dem Krieg waren plötzlich alle (heimliche) Nazi-Gegner gewesen und plötzlich war es (scheinbar) ganz egal, ob man „Arier“ oder nicht war. Es war sogar vorteilhaft, (angeblich) ein Gegner des Naziregims gewesen zu sein.

  3. Nach dem Krieg war keine Zeit, um groß nachzudenken. Die Bevölkerung musste ums nackte Überleben kämpfen, Häuser aufbauen, Arbeit finden und sich mit den Besatzungsmächten arrangieren.

Offiziell lebten also die wenigen Juden als ganz normaler Bevölkerungsteil in Deutschland. Antisemitismus offen zu zeigen traute man sich nicht. Man hatte sowieso erst einmal ganz andere Probleme.
Ich kenne Juden, die - äußerlich - ganz „normal“ im Nachkriegsdeutschland lebten. Wer weit weg im - zukünftigen - Israel lebte, hatte dagegen vielleicht im Kopf ein Bild von einem Deutschland voller „Monster-Menschen“.

Gruß!
Karl

der Krieg war aus. Und die Meisten werden wohl froh gewesen
sein.
Aber wie war das für die deutschen Juden? Wie war die
Situation zwischen Deutschen und Juden nach dem Krieg. Wie
wurden sie weiter behandelt? Wie sind die Besatzer weiter mit
ihnen umgegangen? Konnten sich Juden wieder „frei“ bewegen,
einkaufen?

Leider ist da aus meinen Großeltern nicht viel heraus
zubekommen.Die reden nicht gerne über den Krieg…nur immer
so pauschale Aussagen wie „schlimm“ oder „ging Vielen so“
bekomm ich aus ihnen heraus…

Wie war die Situation für Juden nach dem Krieg?

Vielen Dank,

Gruß Lulea

hi

Offiziell lebten also die wenigen Juden als ganz normaler
Bevölkerungsteil in Deutschland. Antisemitismus offen zu
zeigen traute man sich nicht. Man hatte sowieso erst einmal
ganz andere Probleme.

Woran hätte man sie erkannt?
Sangoma

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Hallo,

An der tätowierten Nummer an der Innenseite des linken Unterarmes!

Gruss von Julius

Hallo,

An der tätowierten Nummer an der Innenseite des linken
Unterarmes!

Das wären die wenigen, die ein Konzentrationslager überlebt haben.
Gibt es eigentlich eine Statistik, wieviel von denen in Deutschland geblieben sind?

Und was wäre mit den etwa 5000 Juden, die in Berlin im Untergrund überlebt haben (ich kann die Zahl nicht verifizieren, sie kommt mir sehr hoch vor, vielleicht betrifft sie auch alle Juden, die in ganz Deutschland im Untergrund überlebt haben), sie stammt aus einem der Bücher, die ich weiter oben verlinkt habe?

Aber ich weiß schon, was du gemeint hast: man hat es den Juden vorm zweiten Weltkrieg nicht angesehen, dass sie Juden waren, und danach auch nicht. Jedenfalls wird niemand nur hemdsärmelige Männer bedient haben.

Gruß
Elke

Hallo,

Woran hätte man sie erkannt?

Zum Teil am jüdischen Namen.
Zum Teil an ihrem Verhalten (Sprache/Religionsausübung).
Zum Teil aber einfach auch daran, dass es die Nachbarn
oder Bekannte aus dem Ort waren .
Gruß Uwi

Hallo,

Woran hätte man sie erkannt?

Zum Teil am jüdischen Namen.

Beim Einkaufen?

Zum Teil an ihrem Verhalten (Sprache/Religionsausübung).

Beim Einkaufen? Auf der Straße?

Zum Teil aber einfach auch daran, dass es die Nachbarn
oder Bekannte aus dem Ort waren .

Ich glaube nicht, dass viele Juden in Kleinstädten versteckt das Naziregime überlebt haben.

Gruß
Elke

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Hallo,

Woran hätte man sie erkannt?
Zum Teil am jüdischen Namen.

Beim Einkaufen?

Genau, 1946 beim Aldi oder war’s EDEKA ?

Zum Teil an ihrem Verhalten (Sprache/Religionsausübung).

Beim Einkaufen?

Nö, diemal eher im Kaufland.
Kann es sein, dass de sehr Konsumorientiert bist?

Auf der Straße?

Doch, tatsächlich habe die sich erlaubt den Mund aufzumachen
und sogar richtige Gespräche geführt. Unglaublich, nicht wahr?

Es gab sogar welche, die gingen in die Kneipe um sich zu besaufen
und haben dann laut jiddische Lieder gesungen.

Zum Teil aber einfach auch daran, dass es die Nachbarn
oder Bekannte aus dem Ort waren .

Ich glaube nicht, dass viele Juden in Kleinstädten versteckt
das Naziregime überlebt haben.

Niemand hat behauptet, dass es viele waren.
Aber du wirst es nicht glauben, nach 45 kamen auch Emigranten wieder
in ihre alte Heimat zurück. Was die sich so erlaubt haben :wink:
Gruß Uwi

Hallo,

Kann es sein, dass de sehr Konsumorientiert bist?

Kann es sein, dass ich das UP gelesen habe?

Konnten sich Juden wieder „frei“ bewegen, einkaufen?

Doch, tatsächlich habe die sich erlaubt den Mund aufzumachen
und sogar richtige Gespräche geführt. Unglaublich, nicht wahr?

Und da haben sie sofort ihre Ärmel hochgekrempelt und gerufen: Ich bin ein Jude!

Es gab sogar welche, die gingen in die Kneipe um sich zu
besaufen
und haben dann laut jiddische Lieder gesungen.

Das bezweifle ich.
Und wieso sollten denn eigentlich alle Deutschen jüdischen Glaubens Jiddisch sprechen können?

Zum Teil aber einfach auch daran, dass es die Nachbarn
oder Bekannte aus dem Ort waren .

Ich glaube nicht, dass viele Juden in Kleinstädten versteckt
das Naziregime überlebt haben.

Niemand hat behauptet, dass es viele waren.

Okay, deutlicher: diejenigen, die im Untergrund überlebt
haben, haben in größeren Städten überlebt. Danach durften sie
ohne gelben Stern rumlaufen und wurden deshalb nicht sofort
als Juden identifiziert.

Aber du wirst es nicht glauben, nach 45 kamen auch Emigranten
wieder
in ihre alte Heimat zurück. Was die sich so erlaubt haben :wink:

Was sollen diese blöden Anspielungen? Nirgendwo steht in
meinem Post, dass ich denke, Juden hätten sich nichts trauen
dürfen usw.
Es ging mir darum, dass man Menschen das Judentum
nicht ansieht und deshalb im normalen Leben (eben auf der
Straße, eben beim Einkaufen, eben beim Doktor, usw.) nicht
anders behandelt wurden als Deutsche.

Die Emigranten, die in meine Heimatregion zurückkamen, kamen
übrigens in den 50er Jahren und später zurück, nicht 1945 im
Sommer.

Gruß
Elke

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Hallo,

Kann es sein, dass ich das UP gelesen habe?

Eher nicht. Es ging um die Frage:
„Wie hätte man sie erkennen können?“

Konnten sich Juden wieder „frei“ bewegen, einkaufen?

Auf der Straße?

Doch, tatsächlich habe die sich erlaubt den Mund aufzumachen
und sogar richtige Gespräche geführt. Unglaublich, nicht wahr?

Und da haben sie sofort ihre Ärmel hochgekrempelt und auf
Jiddisch gesagt: „Ich bin e Judd.“

Zumindest mußten sie sich nicht mehr verstecken und konnten
wieder da wohnen und leben, wo sie her kamen.
Warum also sollten sie dort plötzlich alle inkognito gewesen sein?

Es gab sogar welche, die gingen in die Kneipe um sich zu
besaufen und haben dann laut jiddische Lieder gesungen.

Das bezweifle ich.

Und warum? Ist das nicht menschlich?
Ich behaupte ja auch nicht, dass es jeder gemacht hat.

Zum Teil aber einfach auch daran, dass es die Nachbarn
oder Bekannte aus dem Ort waren .

Ich glaube nicht, dass viele Juden in Kleinstädten versteckt
das Naziregime überlebt haben.

Niemand hat behauptet, dass es viele waren.

Okay, deutlicher: diejenigen, die im Untergrund überlebt
haben, haben in größeren Städten überlebt. Danach durften sie
ohne gelben Stern rumlaufen und wurden deshalb nicht sofort
als Juden identifiziert.

Und? Niemand hat behauptet, dass man sie sofort hätte erkennen müssen.

Aber du wirst es nicht glauben, nach 45 kamen auch Emigranten
wieder
in ihre alte Heimat zurück. Was die sich so erlaubt haben :wink:

Was sollen diese blöden Anspielungen? Nirgendwo steht in
meinem Post, dass ich denke, Juden hätten sich nichts trauen
dürfen usw.

Ich weiß nicht. Vielleicht war das Posting bischen seicht.
Es ging nur um die einfache Frage, wie man hätte Juden erkennen können.
Da habe ich ein paar triviale Möglichkeiten genannt, und du
sprichst in Folge von „Einkaufen“.

Es ging mir lediglich darum, dass man Menschen das Judentum
nicht ansieht und deshalb im normalen Leben (eben auf der
Straße, eben beim Einkaufen, eben beim Doktor, usw.) nicht
anders behandelt wurden als Deutsche.

Ah ja, dir geht es nur um die political correcness.
Dann schreibe das doch gleich und stelle nicht solche
Kindergartenfangfragen.

Die Emigranten, die in meine Heimatregion zurückkamen, kamen
übrigens in den 50er Jahren und später zurück, nicht 1945 im Sommer.

Wer aber Heimweh hatte, ist vielleicht etwas eher zurück gekommen.
Außer dir hat sich aber niemand auf Sommer 45 festgelegt.
Gruß Uwi

Hallo,

bitte: nur eine Beispiel, wo in den späten 40er Jahren nachweislich in einem Gasthaus jüdische Deutsche jiddische Lieder gesungen haben?

Es geht nicht um political correctness, es geht darum, dass
a) jüdische Menschen nicht als solche erkannt werden
und
b) Menschen nicht aus Konzentrationslagern zurückkehrten und dann weinselig sich in Heimatgefühl verloren.

Elke

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Hallo Karl,

Normalität und Ausnahmezustand liegen meist viel enger
zusammen, als wir glauben. Wichtig zu wissen ist:

Ich weiß nicht, was Du in diesem Zusammenhang genau damit sagen willst.

  1. Nach dem Krieg gab es nur noch sehr sehr wenige Juden in
    Deutschland.

Wann genau setzt Du nach dem Krieg an? Und was sind die Vergleichszahlen. 1933 lebten - so eine Volkszählung - 500 000 Juden im Deutschen Reich. Das waren 0,9 Prozent Bevölkerungsanteil.

Im Jahr 1946 lebten auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ca 180 000 Juden. Davon hatten nur die wenigsten vor der Schoah in Deutschland gelebt. Die meisten dieser 180 000 Juden waren sogenannte „displaced persons“ und lebten in den sogenannten DP-Lagern, die in der britischen und der amerikanischen Besatzungszone eingerichtet wurden. Diese DPs stammten vorwiegend aus osteuropäischen Ländern und sind im Zuge der Auflösung der Konzentrationslager in Polen im Rahmen der Todesmärsche auf das Gebiet des Deutschen Reiches getrieben worden. Von den Befreiern wurden sie dann in DP-Lagern untergebracht, die meist ehemalige Konzentrationslager (Bergen Belsen etc.) waren.

Allerdings unterschieden sich die Lebensbedingungen sehr gravierend in der britischen und der amerikanischen Besatzungszone, darum versuchte, wer konnte, in die amerikanische Besatzungszone zu kommen.

Sie waren entweder rechtzeitig emigiriert oder
ermordet worden.

Von den deutschen Juden haben auch welche im Versteck oder weil ihre nicht-jüdischen Partner, die sich dem Druck der Nazis sich scheiden zu lassen nicht nachgaben, überlebt. Auch wenn das vergleichsweise wenige waren, soll das nicht vergessen oder verschwiegen werden.

  1. Nach dem Krieg waren plötzlich alle (heimliche) Nazi-Gegner
    gewesen und plötzlich war es (scheinbar) ganz egal, ob man
    „Arier“ oder nicht war. Es war sogar vorteilhaft, (angeblich)
    ein Gegner des Naziregims gewesen zu sein.

Ja, davon kann ich ein Lied singen. Und Oliver Polack, ein jüdischer Comedian aus Papenburg karrikiert das in seinem Programm. Er meint, ganz Papenburg müßte von einem Netz an unterirdischen Tunneln durchzogen sein, so viele Juden wie da versteckt wurden.

  1. Nach dem Krieg war keine Zeit, um groß nachzudenken. Die
    Bevölkerung musste ums nackte Überleben kämpfen, Häuser
    aufbauen, Arbeit finden und sich mit den Besatzungsmächten
    arrangieren.

Offiziell lebten also die wenigen Juden als ganz normaler
Bevölkerungsteil in Deutschland.

Das kann man so nun wirklich nicht sagen. Das ist eher die Sicht der nicht-jüdischen deutschen Bevölkerungsmehrheit, die

  1. die Anwesenheit von Juden tabuisierte und
  2. wenn sie denn schon in Deutschland waren, sich „ganz normal“ unsichtbar machen sollten, weil man nicht gern im Wirtschaftswunderland daran erinnert werden wollte.

Antisemitismus offen zu
zeigen traute man sich nicht.

Ach, ich könnte Dir so einige Geschichten über Antisemitismus in der Zeit des Wirtschaftswunders erzählen.

Man hatte sowieso erst einmal
ganz andere Probleme.

Was viele Durchschnittsdeutsche doch nicht davon abhielt, Hitler gut zu finden nach dem Motto „nur das mit den Juden hätte er bleiben lassen sollen“.

Ich kenne Juden, die - äußerlich - ganz „normal“ im
Nachkriegsdeutschland lebten.

Was ist für Dich „normal“ in einer solchen Situation?

Wer weit weg im - zukünftigen -
Israel lebte, hatte dagegen vielleicht im Kopf ein Bild von
einem Deutschland voller „Monster-Menschen“.

Auch das scheint mir mehr eine Projektion aus deutscher Sicht zu sein. Von „Monstern“ war bei den Juden, die ich außerhalb Deutschlands zu dieser Zeit kennengelernt habe, nicht die Rede.

Viele Grüße

Iris

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Hallo Elke,

An der tätowierten Nummer an der Innenseite des linken
Unterarmes!

Nicht alle KZ-Überlebenden waren in Auschwitz, wo Nummern eintätowiert wurden.

Das wären die wenigen, die ein Konzentrationslager überlebt
haben.
Gibt es eigentlich eine Statistik, wieviel von denen in
Deutschland geblieben sind?

Nein, eine offizielle Statistik gibt es darüber nicht.
Der einzige Anhaltspunkt wären die Statistiken der jüdischen Gemeinden. Dort waren vor der Einwanderung der Juden aus der ehemaligen Sowjetunion etwa 27 000 bis 29 000 Juden. Die meisten von ihnen waren aber Überlebende aus Osteuropa, die in Deutschland hängen geblieben sind bzw. deren Nachkommen. Der Anteil der deutschen Juden und ihrer Kinder war recht gering (weniger als 10 Prozent). Das gilt für den Bereich der ehemaligen BRD. Über diejenigen, die nicht in den Gemeinden erfaßt waren, kann man nichts sagen und das ist auch noch nicht erforscht.

In der DDR waren kurz vor der Wiedervereinigung 500 Juden in den sieben jüdischen Gemeinden registriert. Man schätzt die Zahl der in der DDR lebenden Juden zu dieser Zeit auf insgesamt 1600.

Und was wäre mit den etwa 5000 Juden, die in Berlin im
Untergrund überlebt haben (ich kann die Zahl nicht
verifizieren, sie kommt mir sehr hoch vor, vielleicht betrifft
sie auch alle Juden, die in ganz Deutschland im Untergrund
überlebt haben), sie stammt aus einem der Bücher, die ich
weiter oben verlinkt habe?

In Berlin haben keine 5000 Juden im Versteck überlebt. Das ist eine Wunschvorstellung. 1400 haben im Versteck und etwa genauso viele durch nicht-jüdische Partner überlebt. Das wird oft - schwuppdiwupp - zusammengezählt und aufgerundet.

Es gibt einen Forschungsansatz, der meint, 5000 hätten in ganz Deutschland überlebt. Das scheint mir insofern unrealistisch als Berlin die größte jüdische Gemeinschaft war (178 000) und hier 1400 überlebt hatten. München hatte eine jüdische Vorkriegsgemeinde von etwas über 6000. Da haben 72 im Versteck überlebt. Um dem steigenden Antisemitismus zu entgehen, sind viele Juden aus der Provinz und aus Kleinstädten wegen der Anonymität in die Großstädte gegangen. Von daher erschließt sich mir die Zahl von 5000 auch nicht, obwohl ich die auch schon gelesen habe.

Aber ich weiß schon, was du gemeint hast: man hat es den Juden
vorm zweiten Weltkrieg nicht angesehen, dass sie Juden waren,
und danach auch nicht. Jedenfalls wird niemand nur
hemdsärmelige Männer bedient haben.

Viele Grüße

Iris

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Hallo Lulea,

der Krieg war aus. Und die Meisten werden wohl froh gewesen
sein.
Aber wie war das für die deutschen Juden? Wie war die
Situation zwischen Deutschen und Juden nach dem Krieg.

Gespalten - zwispältig - ambivalent, wie es schon Deine Wortwahl ausdrückt, wenn Du von deutschen Juden und einen halben Satz später von Deutschen und Juden schreibst.

Wir müßten uns erst einmal verständigen, wen genau Du meinst, wenn Du „Juden in Deutschland nach 1945“ (schwieriges Wortungetüm) im Blick hast:

  • Juden, die schon vor der Schoah in Deutschland gelebt haben, womöglich ein paar Jahrhunderte, was nicht verhindert hat, daß sie in der Nazizeit verfolgt wurden.
  • Juden, die vorwiegend aus Osteuropa stammten, aber aus unterschiedlichen Gründen nach 1945 in der BRD hängenblieben und die in den damaligen jüdischen Gemeinden die Mehrheit bildeten.
  • jüdische Emigranten, die in die BRD zurückkehrten
  • jüdische Emigranten - meist Kommunisten - die in die DDR zurückkehrten und dort zum Aufbau eines neuen antifaschistischen Deutschland beitragen wollten.

Die Befindlichkeiten dieser Gruppen waren sehr unterschiedlich, aber nehmen wir mal die größte Zahl von ihnen, nämlich die osteuropäischen überlebenden Juden, die sich nach ihrer Befreiung in Deutschland (jetzt ist das Staatsgebiet der BRD gemeint) befanden.

Die Briten und die Amerikaner richteten in ihren jeweiligen Besatzungszonen DP-Lager (DP heißt displaced person) ein. DPs waren aber nicht nur Juden, sondern auch Zwangsarbeiter oder auch Kollaborateure der Nazis.

Da in der Britischen Zone die DPs nicht in getrennte Lager kamen, konnten sich also überlebende Juden wieder mit ihren ehemaligen Peinigern - osteuropäischen Kollaborateuren - wiederfinden.

In der amerikanischen Zone wurden getrennte DP-Lager eingerichtet, also rein jüdische Lager, die unter Selbstverwaltung standen und den Militärbehörden verantwortlich waren. Sie hatten eine ganz eigene Infrastruktur und waren darauf ausgerichtet, die Bewohner auf eine Auswanderung vorzubereiten. Mit dieser Auswanderung konnte es allerdings ziemlich lange dauern, weil man dafür einen Gesundheitspaß brauchte. Und da viele KZ-Überlebende Tuberkulose oder andere Krankheiten hatten, waren sie erstmal nicht auswanderungstauglich. So sind viele länger in diesen Lagern geblieben als sie wollten. Das letzte wurde erst 1957 geschlossen.

Wie
wurden sie weiter behandelt? Wie sind die Besatzer weiter mit
ihnen umgegangen? Konnten sich Juden wieder „frei“ bewegen,
einkaufen?

Da muß man zwischen Briten und Amerikanern und zwischen osteuropäischen Juden und deutschen Juden unterscheiden. Außerdem wäre die Frage eher nach der deutschen Mehrheitsbevölkerung zu stellen, denn - soweit Juden eingeschränkte Bewegungsmöglichkeiten hatten (DP-Lager), so hing das mit Ausschreitungen der deutschen Bevölkerung zusammen, vor der sie geschützt werden mußten.

Es gab da nämlich einigen Haß, weil - zumindest in der amerikanischen Besatzungszone - die Kalorien, die überlebende Juden in den DP-Lagern bekamen, höher angesetzt waren, als die der nicht-jüdischen Deutschen. Außerdem wurden die DP-Lager über die IRO (International Refugee Organisation), später UNRRA und amerikanisch-jüdische Organisationen (Joint) versorgt.

Die DP-Lager waren eine Art Parallel-Welt, und wer nicht in Kontakt kommen wollte mit der deutschen Umwelt mußte das auch nicht.

Was die deutschen Juden anging, war es in der britischen Besatzungszone ebenfalls anders als in der amerikanischen. Bei den Amis war es so, daß überlebende Juden relativ schnell sich wieder ihr eigenes Leben aufbauen konnten. Auf dem Gebiet der Amerikaner waren auch jüdische Untergrundorganisationen tätig, die Auswanderungswillige über die Tschechoslowakei ausschleusten.

Bei den Briten sah das etwas anders aus: Überlebende deutsche Juden waren Deutsche und als Deutsche hatten sie - wie die nicht-jüdischen Deutschen auch - den Status von enemy aliens.

Das hieß: Ihre Konten, die schon die Nazis eingefroren hatten, blieben weiter eingefroren. Sie kamen nicht an ihr Geld ran, um evtl. die Lebensmittelrationen durch Schwarzmarktkäufe aufstocken zu können.

Die überlebenden Juden hatten die gleiche Kalorienmenge wie die nicht-jüdischen Deutschen. Da sie aber durch die größere Mangelernährung während der Nazizeit (weniger Kalorien als die Nicht-Juden) stärker geschädigt waren, führte das dazu, daß Tausende zwar erst einmal überlebt hatten, aber nach Kriegsende starben.

Auf die besondere Situation von deutschen Juden gingen die Briten nicht ein. So gab es in Berlin einen amerikanischen Militärrabbiner, der von überlebenden deutschen Juden in Hamburg gebeten worden war, zu ihnen für die G-ttesdienste der Hohen Feiertage zu kommen und zu amtieren. Die britische Militärregierung erlaubte das nicht mit der Begründung, daß enemy aliens keine Unterstützung erfahren dürften.

Wenn Du etwas mehr zur Situation von DPs in der amerikanischen Zone wissen willst, dann kannst Du Dir das Taschenbuch von Juliane Wetzel und Angelika Königseder „Lebensmut im Wartesaal“ besorgen.

Viele Grüße

Iris

Hallo Iris,

danke, dass du meine Annahmen (aufgrund von Leseaktivität, die aber schon einige Jahre zurückliegt) bestätigst (auch in deinem anderen Posting).

In Berlin haben keine 5000 Juden im Versteck überlebt.

Die Zahl kam mir sehr hoch vor.

Das ist
eine Wunschvorstellung. 1400 haben im Versteck und etwa
genauso viele durch nicht-jüdische Partner überlebt. Das wird
oft - schwuppdiwupp - zusammengezählt und aufgerundet.

Es gibt einen Forschungsansatz, der meint, 5000 hätten in ganz
Deutschland überlebt. Das scheint mir insofern unrealistisch
[…] Von daher erschließt
sich mir die Zahl von 5000 auch nicht, obwohl ich die auch
schon gelesen habe.

Was du da aufzählst, klingt einleuchtend.

Wobei es wichtig ist, dass man von diesen Überlebenden weiß und erzählt, auch wenn es beschämend ist, wie wenige es waren. Schließlich strafen diese Menschen diejenigen Lügen, die behaupten, es sei unter dem Naziregime nicht möglich gewesen, Juden und anderen Verfolgten zu helfen.

Gruß
Elke

Hallo Iris,
ich bin erst 20 Jahre nach dem Krieg geboren und kenne mich in den Details bestimmt nicht so gut aus wie du, meine Erfahrungen beziehen sich hauptsächlich auf Verwandte, die im Nazi-Jargon „Halbjuden“ waren.

Normalität und Ausnahmezustand liegen meist viel enger
zusammen, als wir glauben.

Ich weiß nicht, was Du in diesem Zusammenhang genau
damit sagen willst.

Ich weiß zwar nicht, was du damit genau fragen willst, aber mein Satz formuliert ganz nüchtern wie Menschen - so schwer es auch zu ertragen ist - oft genug sind: Aus harmlosen Spießbürgern werden im Handumdrehen Mörder, aus Mördern im Handumdrehen wieder harmlose Spießbürger. Nazi-Deutschland,Stalin-Russland, Vietnam, Jugoslawien, Ruanda, usw, usw, usw…

Im Jahr 1946 lebten auf dem Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland ca 180 000 Juden.

Genau, und das ist bei ca 60 mill Einwohnern so wenig, dass es selbst für ganz verbohrte Menschen schwer ist sich einzubilden, massenhaft von Juden umzingelt zu sein, die ihnen die Arbeitsplätze und den Reichtum wegnehmen.

Von den deutschen Juden haben auch welche im Versteck oder
weil ihre nicht-jüdischen Partner, die sich dem Druck der
Nazis sich scheiden zu lassen nicht nachgaben, überlebt. Auch
wenn das vergleichsweise wenige waren, soll das nicht
vergessen oder verschwiegen werden.

Stimmt, meine Urgroßmutter hat so überlebt.

Offiziell lebten also die wenigen Juden als ganz normaler
Bevölkerungsteil in Deutschland.

Das kann man so nun wirklich nicht sagen. Das ist eher die
Sicht der nicht-jüdischen deutschen Bevölkerungsmehrheit, die

  1. die Anwesenheit von Juden tabuisierte und
  2. wenn sie denn schon in Deutschland waren, sich „ganz
    normal“ unsichtbar machen sollten, weil man nicht gern im
    Wirtschaftswunderland daran erinnert werden wollte.

Antisemitismus offen zu
zeigen traute man sich nicht.

Ach, ich könnte Dir so einige Geschichten über Antisemitismus
in der Zeit des Wirtschaftswunders erzählen.

Naja, das glaube ich sofort.

Man hatte sowieso erst einmal
ganz andere Probleme.

Was viele Durchschnittsdeutsche doch nicht davon abhielt,
Hitler gut zu finden nach dem Motto „nur das mit den Juden
hätte er bleiben lassen sollen“.

stimmt.

Ich kenne Juden, die - äußerlich - ganz „normal“ im
Nachkriegsdeutschland lebten.

Was ist für Dich „normal“ in einer solchen Situation?

Meine Urgroßmutter führte äußerlich das Leben einer bürgerlichen Frau, verheiratet mit einem Mann, der das Geld verdiente, kümmerte sich um Haushalt und Kinder. Bestimmt hatte die Nazizeit extreme psychische Spuren hinterlassen. Das bedeutet aber nicht, dass sie es - z.B. - genoss, ihren Urlaub an der Ostsee zu verbringen.

Wer weit weg im - zukünftigen -
Israel lebte, hatte dagegen vielleicht im Kopf ein Bild von
einem Deutschland voller „Monster-Menschen“.

Auch das scheint mir mehr eine Projektion aus deutscher Sicht
zu sein. Von „Monstern“ war bei den Juden, die ich außerhalb
Deutschlands zu dieser Zeit kennengelernt habe, nicht die
Rede.

Ich habe einmal einen Text von einer Jüdin gelesen, die (ich glaube) 20 Jahre nach dem Krieg nach Deutschland reiste und völlig verwirrt darüber war, dass die Deutschen ganz ähnlich wie Iraelis, Franzosen oder Engländer lebten, dass es Kaufhäuser gab, in denen Deutsche ohne jede Skrupel einkauften, dass gegessen, getrunken, gelacht wurde - und das alles nach dem Holocaust…
Viele Grüße
Karl

Hallo,

bitte: nur eine Beispiel, wo in den späten 40er Jahren
nachweislich in einem Gasthaus jüdische Deutsche jiddische
Lieder gesungen haben?

Kindergarten ist jetzt geschlossen.

Es geht nicht um political correctness, es geht darum, dass
a) jüdische Menschen nicht als solche erkannt werden

Das ist so pauschal absoluter Unsinn.
Judentum ist im allg. kein streng gehütetes Geheimnis.
Gruß Uwi

Hallo,

Genau, und das ist bei ca 60 mill Einwohnern so wenig, dass es
selbst für ganz verbohrte Menschen schwer ist sich
einzubilden, massenhaft von Juden umzingelt zu sein, die ihnen
die Arbeitsplätze und den Reichtum wegnehmen.

dass du dich da mal nicht schwer irrst. Propaganda und Vorurteile
können tatsächlich aus Mücken Elephanten machen.

Ein aktuelles Beispiel ist die Ausländerrate in Ostdeutschland und
speziell in ländlichen Gebieten z.B. Sächsischen Schweiz.
Da kommt auf 100 Einwohner kaum ein Ausländer aber die Neonazis
skandieren offen genau solche Parolen wie „Die Ausländer nehmen uns
die Arbeit weg“. Dabei geht es denen keineswegs um die Ausländer
in Berlin Kreuzberg oder Düsseldorf und Essen.
Gruß Uwi