Verhaltensvorgaben + Weisungsbefugnis des Arbeitgebers im Strafprozess

Hallo an Alle, v.a. an die, die sich im Arbeitsrecht auskennen.
Frage für jemanden:
Fall: Strafanzeige v. Patientenangehörigen wegen eines Todesfalles.
Nun wird Jeder, der in dieser Behandlung/im Dienst war vom LKA (Landeskriminalamt) angeschrieben und zur Aussage geladen (KEIN Gerichtstermin!).
Nun ist der AGeber der Meinung, diese Personen vom Termin vorerst abzuhalten, um dem Arbeitnehmer VORHER „Verhaltensvorgaben“ vorzukauen!!

Mein gesunder Menschenverstand sagt ja, sich nicht den Mund verbieten zu lassen, sondern den Dienst aus der eigenen Schicht (wie wahrgenommen) vorzutragen, sonst macht man sich ja selbst strafbar. Das LKA konnte am Tel. auch nicht helfen, sagten nur: ich muss nix sagen, was gegen einen selbst verwendet werden könnte.

Auf der anderen Seite ist aber ein AGeber dem ANehmer weisungsbefugt.
Aber man darf sich doch nicht zur Marionette und Hampelmann machen!!!??

Habe keine §§§ dafür gefunden, wie man am besten + klügsten vorgeht.
Hat jemand Ahnung?
Danke allen, die sich hilfreich melden.

LG
Natalie

Das Weisungsrecht Deines Arbeitgebers bezieht sich nur auf Deinen Arbeitsbereich.
Was Du bei der Polizei sagst geht ihn nichts an und natürlich hat er Dich auch nicht im Vorfeld zu beeinflussen. Du könntest ihn ja mal fragen, was die Polizei oder der Staatsanwalt wohl meinen würden, wenn Du von seiner Einflussnahme bzw. dem Versuch davon berichten würdest.

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Der Arbeitgeber hält seine Angestellten von der Aussage ab? Wie denn?

Grundsätzlich könnte eine Aussagepflicht bestehen. Das setzt allerdings voraus, dass die Leute vom LKA Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind (§ 163 Abs. 3 S. 1 StPO). Ob das in deinem Bundesland und in der von dir geschilderten Situation so ist, wäre zu klären. Aber nur, wenn man deine eigentliche Frage ohne Antwort lässt, was ich natürlich nicht will:

Die Direktionsrecht genannte Weisungsbefugnis wird im Gesetz nur teilweise geregelt. Es gibt eine Vorschrift in § 106 der Gewerbeordnung (GewO), aber die GewO ist nicht auf jedes Arbeitsverhältnis anwendbar. Letztlich kommt es darauf nicht an. Das Direktionsrecht erstreckt sich nicht auf die Befugnis, das Aussageverhalten in einer polizeilichen Vernehmung zu steuern. Schon gar nicht dürfen Weisungen gegen das Gesetz verstoßen. Zwar ist es im Gegensatz zu deiner Behauptung nicht grundsätzlich strafbar, bei der Polizei falsch auszusagen; aber eine wahrheitsgetreue Aussage vor dem LKA kollidiert niemals mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Das ist nämlich darauf gerichtet, die Pflichten des Arbeitnehmers im Arbeitsverhältnis zu konkretisieren, die sich im Arbeitsvertrag ja nie für alle denkbaren und unvorstellbaren Lebenssachverhalte in allen Details regeln lassen. Auf § 612a und § 134 BGB sei verwiesen.

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Von Mund Verbieten ist ja zunächst einmal nicht die Rede. Das kann mehrere Gründe haben, man müsste erst einmal wissen, was die Motivation bzw. Ziel ist. Letztlich hängt das auch davon ab, was der Zeuge zu sagen hat.
Gegenüber der Staatsanwaltschaft ist man verpflichtet, auszusagen bzw. Dann, wenn eine Vernehmung bei der Polizei durch die Staatsanwaltschaft angeordnet wurde. Besteht die Möglichkeit, dass man in einen Interessenkonflikt kommt, weil man ggf. Belastendes auszusagen hat, würde ich überlegen, eine. anwalt des Vertrauens hinzuzuziehen.

Der ist hier zwar nicht gefragt, aber der liegt dennoch nicht falsch: as Zeuge muss man die Wahrheit sagen und das bezieht auch ein, dass man nichts weglassen oder verfremden darf. Ob Du den Termin im konkreten Fall wahrnehmen musst oder nicht, ist - wie erwähnt - noch unklar. Dass es Umstände gibt, unter denen Du nicht aussagen musst, weißt Du ja auch schon.

Kommt es jedoch zur Zeugenvernehmung, ist die Wahrheit gefragt und zwar die vollständige und ganz unabhängig davon, ob dem Arbeitgeber diese Wahrheit gefällt. Dass hier ein LKA ermittelt, lässt den Eindruck zu, dass die Sache etwas ernster ist als es bei einer reinen fahrlässigen Tötung oder unterlassenen Hilfeleistung der Fall wäre. Man könnte tatsächlich auch den Eindruck bekommen, dass der AG bzw. dessen Führungskräfte selber Gegenstand der Ermittlungen ist bzw. sind.

Der Hinweis, einen Anwalt hinzuziehen, ist sicherlich nicht falsch. Da wäre ich aber eher bei einem Fachanwalt für Strafrecht als bei einem für Arbeitsrecht.

Wenn aber jemand mit Deiner Aussage nichts zu tun hat, dann ist es der Arbeitgeber in Form einer Führungskraft o.ä. Genauer gesagt, ist die Beeinflussung eines Zeugen für sich schon wieder eine Straftat. Insofern sollte es auch im Interesse der Führungskraft (oder wer auch immer da seitens des AG Einfluss nehmen will) sein, sozusagen sauber zu bleiben. Man darf übrigens auch davon ausgehen, dass der Staatsanwalt oder später dann der Richter auch fragen wird, ob seitens des AG Einfluss auf den Zeugen genommen wurde.

Gruß
C.

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Mein Kenntnisstand ist, dass man Termine bei der Polizei nicht wahrnehmen muss. Zu einer Aussage verpflichtet ist man beim Staatsanwalt und vor Gericht.

Wurde bereits thematisiert:

So ganz generell erschließt sich mir auch nicht der Sinn, als Zeuge eine „Einladung“ der Polizei auszuschlagen und auf die Vorladung der Staatsanwaltschaft zu warten. Dadurch gewinnt man allenfalls Zeit, die man aber für nichts nutzen kann und ob die Stimmung seitens der Ermittlungsbehörden dadurch besser wird, sei dahingestellt.

Ist es wirklich so wie Du schreibst oder will der Arbeitgeber dich und die anderen Geladenen zum rechtlichen Umfeld informieren und dadurch vermeiden, dass Du und die Anderen unbedachte Äußerungen machen und sich dadurch selbst angreifbar machen ?
Da kann selbst die scheinbar harmlose Frage nach regelmäßigen Schulungen in einem Polizeiprotokoll vom gegnerischen Anwalt später zum Hauptpunkt gemacht werden.
Udo Becker

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Ganz herzlichen Dank für die Antwort C_Punkt. Da sagst Du was…stimmt, man würde ja Zeit „gewinnen“, aber wofür…man wird ja soooo verunsichert vom AG, denn eine fristlose Kündigung (nach dem Motto „grober Verstoß gg. die Klinikmaßgaben“ etc…wer weiß, was die sich noch so einfallen lassen, wenn die „Angst“ vor einer realen+relevanten Aussage haben…

Ganz lieben Dank Cook1 für die wertvollen Hinweise! Ja, glaube ja auch, dass die wollen etwas „verdecken“ möchten…und wollen mich da gleich mit reinziehen. Das verunsichert total und macht mich irgendwie handlungsunfähig!

Lieben Dank asteiner für Deinen Hinweis. Leider habe ich keine Rechtsschutz-/Berufshaftpflichtversicherung. Denke nicht, dass mir der RA der Klinik adäquat zur Seite stehen würde, zumal ich denen scheinbar „unbequem“ bin. Aber ich bleibe der Auffassung, dass in einer Klinik jeder gleich gut/schlecht behandelt werden muss, ohne dass Pat. „Bekannte“ in einer Klinik haben oder im Familienkreis jemand aus dem Gesundheitswesen kommt. Das empfindet bedauerlicherweise unsere Klinik total anders!

Huijjj,Guybrush, besten Dank für die Mühe und Erklärung. Das wird für mich schon komplex. Jedenfalls schreibt der Chef: „nehmen Sie auf keinen Fall den Termin beim LKA eigenständig wahr“. „Nehmen Sie sofort Kontakt zu der Klinik mit unserer Rechtsabteilung auf“… Das macht schon Angst und verunsichert total, denn warum sollte ich nicht einfach meine Dienstschicht so beschreiben, wie ich die umgesetzt bzw. empfunden habe. Und ab diesem Gedankenpunkt werde ich hirngesteuert, handlungsunfähig. Denke, jeder würde sich als Betroffener (in dem Fall Eltern) wünschen, dass jemand klinikseits daher kommt und mal den Dienstablauf erzählt, wie es an dem Tag für ihren verstorbenen Angehörigen war. Das ist alles so tragisch.

Resumé und Endergebnis zu meiner Frage (für die, die es interessiert, wie es weiterging):
Konzern-RA von der Klinik und Konzernklinikleitung würden sich vom Anlegen eines Maulkorbes „distanzieren“ (entgegen der Mail von der Notaufnahme-Leitung!!!) und man könne „selbstverständlich“ den Termin beim Landeskriminalamt wahrnehmen. 3h Verhör zum Tod. Warum zuvor diese Anweisung „Termin keinesfalls wahrnehmen“ kam, wurde nicht kommentiert.

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Angst, Panik und Unwissenheit sind oft die entscheidenden, ganz banalen Auslöser für solche Sprüche. Die „Notaufnahme-Leitung“ wird vermutlich kein Jurist sein, und hat da einfach vorschnell und ohne sich zuvor rechtlich beraten zu lassen, eigenmächtig gehandelt und so eine recht brisante und peinliche Situation geschaffen, die die Fachleute dann jetzt ausbügeln dürfen. Dabei ist es üblich richtig den Verursacher nicht vor der gesamten Mannschaft bloß zu stellen, sondern die Geschichte dann in kleinerem Kreis der Vorgesetzten und Fachleute aufzuarbeiten. Dabei können dann ggf. sogar durchaus auch unerfreuliche Konsequenzen gezogen werden. Aber auch die hängt man dann nicht ans schwarze Brett.

Ich finde sehr gut, wie du damit umgehst. Das ist eine schwierige und heikle Situation für alle Beteiligten. Heikel durchaus zwar mit juristischer Komponente, aber nicht nur. Die psychische Seite spielt dabei auch eine sehr große Rolle. Das gilt unabhängig davon, ob tatsächlich schuldhaftes Handeln vorlag oder nicht. Leider werden Mitarbeiter so gut wie nicht geschult. So bleiben sie für sich, für Kollegen aber vor allem auch gegenüber den Patienten alleine. Dabei kann gute Kommunikation nach solchen Ereignissen nicht nur psychische Folgeschäden vermeiden oder zumindest mindern. Häufig sehen Patienten auch nach so einer Kommunikation von juristischer Aufarbeitung ab, in die sie auch getrieben werden können, wenn bescheiden oder gar nicht kommuniziert wird.

Wenn du ein wenig Hintergrund möchtest, kann ich dir zwei Lektüren als Einstieg empfehlen.
Wenn etwas schief geht von der Schweizer Stiftung Patientensicherheit, kostenlos zum Download
https://www.plattformpatientensicherheit.at/themen-kommunizieren.php
Und zum Bestellen oder über einschlägige Bibliotheken
https://www.asanger.de/zeitschriftzppm/themenhefte/2017/heft-2-2017.php

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@asteiner: ganz lieben Dank für Deine aufbauenden Worte+die links.Werde ich sicher beherzigen.

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@Wiz: Danke für den wertvollen Beitrag.
Ja. Das ist wirklich fatal.
Ich bin ja immer ein Freund v.klaren Worten. Da würde ich mir doch wünschen, dass genau solche Mitarbeiter, denen man so etwas „auferlegt“, (wissentlich oder eben nicht) im Nachhinein an die Hand nimmt+eine klare Transparenz zeigt!
Schließlich darf ein Arbeitnehmer ja auch nicht den AG schlecht reden (=„üble Nachrede“ ). Umso mehr hätte ich wenigstens hinterher ein professionelles Vorgehen erwartet.
Es ist zum Mäusemelken+alles so falsch…Aber sicher hast Du recht mit Deiner Vermutung. Und ja, er ist nur Chef der Notaufnahme, kein Jurist…