Verjährungshemmung

Hi,

ich stehe aktuell bei einem zivilrechtlichen Sachverhalt hinsichtlich der Bestimmung der Verjährung etwas auf dem Schlauch und hoffe, dass mir hier der ein oder andere etwas auf die Sprünge helfen kann.

Folgender Sachverhalt:

Schuldner S hat beim Versicherungsunternehmen V am 01.01.2015 einen Versicherungsvertrag abgeschlossen. Ab dem 01.06.2015 hat S keine Versicherungsbeiträge mehr bezahlt. V hat S daraufhin am 15.06.2015, 15.07.2015 und 15.10.2015 angemahnt, worauf S aber nicht reagiert hat. V ist nicht weiter tätig geworden. S hat am 01.03.2016 den Versicherungsvertrag gekündigt und mitgeteilt, dass er sich hinsichtlich der Beitragsrückstände innerhalb von 2 Wochen wieder unaufgefordert mit V in Verbindung setzen werde. Eine weitere Rückmeldung von S blieb jedoch aus und auch V hat diesen Vorgang nicht weiter verfolgt. Am 15.01.2019 hat V den S wieder angeschrieben und zur Zahlung der Beitragsrückstände nebst Zinsen aufgefordert. S verweigert nunmehr die Rückzahlung, da er behauptet, die Forderung sei verjährt.

Meiner Ansicht nach begann die Verjährung am 31.12.2015 zu laufen und endete mit Ablauf des 31.12.2018. Zu berücksichtigen wäre aber zudem die Kündigung von S vom 01.03.2016, in der dieser eine Rückmeldung innerhalb von 2 Wochen ankündigte. Dies dürfte meines Erachtens nach als Verhandlung gelten. Da sich S aber auch nach 2 Wochen nicht meldete und V dem nicht weiter nachging, müssten die Verhandlungen eingeschlafen sind. Nach dieser Auffassung wäre die Verjährung um 2 Wochen gehemmt gewesen. Da nach Ablauf der Hemmung die Verjährungsfrist noch mehr als 3 Monate betragen hat, wird auch keine weitere Hemmung hinzugerechnet. Folglich wäre die Verjährung mit Ablauf des 14.01.2019 eingetreten und das Schreiben des V vom 15.01.2019 zu spät.

Bin ich mit meiner Denkweise richtig oder befinde ich mich irgendwo auf dem Holzweg ? Mir erscheint das ganze nämlich etwas „zu leicht“. Könnte man die Aussage des S, dass er sich hinsichtlich der Beitragsrückstände innerhalb von 2 Wochen unaufgefordert wieder melden wird, als Forderungsanerkenntnis werten und die Verjährung von neu beginnen lassen ? Ich halte das eigentlich eher für abwegig, da keinerlei näheren Angaben des S darauf hindeuten, dass er die Forderung grundsätzlich bzw. in deren Höhe anerkennt.

Wie gesagt, wäre ich über die ein oder andere Hilfe sehr dankbar :slight_smile:

Beste Grüße

Edit: Ich habe vergessen zu erwähnen, dass nur die Versicherungsbeiträge aus dem Kalenderjahr 2015 strittig sind. Die ausstehenden Versicherungsbeträge vom 01.01.2016 bis 29.02.2016 würden frühestens mit Ablauf des 31.12.2019 verjähren.

Nein, die beginnt immer erst im Folgejahr in dem die Schuld entstand, also am 1.1. 0.00h 2019.
All Deine geschilderten Vorgänge sind seit dem 31.12.2.19 um 24.00h verjährt.

Hi ramses90,

danke für deine Rückmeldung. Sorry für den Fauxpas. Die Verjährung begann erst mit Ablauf des 31.12.2015 zu laufen, somit am 01.01.2016.

Da der Sachverhalt im Verlauf des Jahrs 2019 spielt, kann ich leider nicht auf den 31.12.2019 bezugnehmen, da dieser zu dem Zeitpunkt noch „in der Zukunft liegt“.

Fraglich ist für mich vielmehr, wann die Forderungen aus 2015 verjährt sind hinsichtlich der Verjährungshemmung.

Beste Grüße

Ups, da ist der Wortlaut wichtig!
Aus §212 BGB:

Die Verjährung beginnt erneut, wenn

der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt oder (…)

Wie du schon geschrieben hattest: Wurde der Anspruch anerkannt, dann startet die Frist neu!

Hi X_Strom,

vielen Dank für deine Rückmeldung. Genau darauf zielt auch ein Teil meiner Frage ab.
Der Wortlaut ist exakt:

„Ich prüfe, in welchem Umfang ich die Beitragsrückstände bei Ihnen ausgleichen kann. Ich werde mich hierzu wieder mit Ihnen unaufgefordert innerhalb von 2 Wochen in Verbindung setzen.“

Meiner Ansicht nach reicht das für ein Schuldanerkenntnis nicht aus, da sich S hierzu nicht explizit äußert. S könnte sich hiermit auch ein Prüfungsrecht der Forderung vorbehalten haben, worauf er in einem nächsten Schreiben eingeht. Zweifelsfrei lässt sich aus dem Wortlaut nicht ableiten, dass S die Forderung hiermit anerkennen wollte. Auf die Prüfung eines möglichen Schuldanerkenntnisses möchte ich aber nicht verzichten, weshalb ich es durchaus berücksichtige.

Beste Grüße

hi,

Würde S die Schuld nicht anerkennen, müsste er sich auch nicht darum sorgen, wie und in welchem Umfang er es bezahlen kann.

Wie will man das halbwegs nachvollziehbar aufklären?

Interpretierst du ‚kann‘ als höfliche Form von ‚muss‘?

grüße
lipi

Hi littlepinguin,

danke für deine Rückmeldung. Das Problem besteht meinerseits darin, dass für ein abstraktes Schuldanerkenntnis ein Rechtsbindungswille des S vorausgesetzt wäre. Diesen Rechtsbindungswille kann ich anhand dieser Äußerung aber nicht erkennen. S könnte auch nur einen Teil der Forderung anerkennen und einen anderen Teil ablehnen - dies geht aus dem Text nicht hervor. Dann würde er sich dennoch mit einer Rückzahlung befassen, jedoch in einem anderen Umfang. Ein generelles Schuldanerkenntnis kann ich deshalb daraus nach meinem Empfinden nicht ableiten.

Für ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis müssten S zudem bei Abgabe seiner Erklärung sämtliche Umstände gekannt haben, die zum Ausschluss seiner Einwendungen führen. Dass S jedoch auf seine Einwendungen verzichten wollte, geht ebenso nicht hervor.

Man mag geneigt zu sein, anzunehmen, ein Schuldanerkenntnis liegt offensichtlich vor. Nach Auslegung tendiere ich aber eher dazu, dies abzulehnen, da der Wille des S nicht zweifelsfrei festzustellen ist.

Beste Grüße

Sprachlich hat man dadurch die Existenz der Rückstände anerkannt, alleine schon durch Benutzung des bestimmten Artikels „die“.
Ob es auch juristisch für eine solche Auslegung reicht, bezweifele ich. Das gehört aber durch einen Juristen abgeklärt.

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Ist das eine Hausarbeit?

§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt weder ein abstraktes noch ein kausales Schuldanerkenntnis voraus.

Das Anerkenntnis ist auch keine Willenserklärung, sondern eine geschäftsähnliche Handlung (BGH NJW 14, 394), und bedarf darum keines Rechtsbindungswillens.

Das ist etwas missverständlich formuliert. Die Auslegung erfolgt analog §§ 157, 133 BGB (BGH NJW 02, 2872), also vom verobjektivierten Empfängerhorizont aus.

Nein, könnte er nicht. Das gibt die abgegebene Erklärung weder vom Wortlaut noch sonstwie her. Wenn man in dieser Erklärung ein Anerkenntnis sieht, kann der Schuldner es nicht durch spätere Erklärungen mir nichts, dir nichts wieder ungültig machen.

Ein Anerkenntnis nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist jedes tatsächliche Verhalten, das unzweideutig darauf schließen lässt, dass dem Schuldner das Bestehen des Anspruchs bewusst ist, und dem Gläubiger die berechtigte Erwartung gibt, dass sich der Schuldner nicht auf Verjährung berufen wird (BGH NJW 14, 2574). Diese Voraussetzungen erfüllt die von dir zitierte Erklärung eindeutig.

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Hi Charpentier,

vielen Dank für deine Rückmeldung. In der Tat klingen die von Dir vorgetragenen stichhaltigen Argumente schlüssig.

Eines behagt mir dabei aber nicht ganz: Ist es für die Anerkennung der Schuld nicht auch erforderlich, dass der Schuldner glaubt, zur Zahlung verpflichtet zu sein ?

Mir ist bewusst, dass das, was ich jetzt schreibe, abwegig ist hinsichtlich des Sachverhalts, da dieser hierfür keinen Beleg hergibt - dennoch würde ich gerne den Gedanken kurz ansprechen und versuchen zu klären: Würde man spekulativ vom Szenario ausgehen, der Schuldner gibt an, aus moralischen Gründen seine Bereitschaft zur Zahlung erklärt zu haben („Schulden bezahlt man, weil es sich so gehört!“) und nicht, weil er der Ansicht war, hierzu verpflichtet zu sein - könnte man dann nicht auch ein Schuldanerkenntnis ablehnen ?

Ich vermute, hier steht auch der objektive Empfängerhorizont entgegen, durch dessen ein objektiver Dritter eine solche Denkweise nicht annehmen würde.

Abschließend noch ein Verweis auf meine Frage zur Verjährungshemmung: Hätte S beispielsweise in seiner Kündigung zusätzlich geschrieben:

„Ich werde prüfen, ob ich die Beitragsrückstände anerkenne und melde mich diesbzgl. innerhalb der nächsten 2 Wochen wieder unaufgefordert bei Ihnen.“

Wie hätte sich in diesem Fall die Verjährung berechnet ? Wäre in diesem Fall meine Hemmung korrekt berechnet und die Verjährung mit Ablauf des 14.01.2019 eingetreten ?

Zu deiner anderen Fragen: Nein, es handelt sich um keine Hausarbeit sondern um eine Übungsklausur, die mir etwas Kopfschmerzen bereitet…

Beste Grüße