'verkehrte' Achsen

Hallo und erstmal ein „Frohes neues Jahr“,

vor ein paar Tagen habe ich mit einem VWL-Erstsemester einige mathematische Fragen durchgesprochen. Was ich nicht verstanden habe ist, dass bei VWL-Aufgaben, z.B. Anzahl der Produktionseinheiten vs. Gewinn, die Achsen „falsch“ belegt werden, soll heißen, die unabhängige Variabel wird als y-Achse (senkrecht) und die abhängige Variable als x-Achse (waagerecht) gewählt.

Bei rein mathematischen Aufgaben war wieder alles „richtig“.

Dieses Hin- und Her konnte mir nicht erklärt werden.

Eine Vermutung von mir ist, dass man es vllt. in der VWL häufiger mit Situationen zu tun hat, die bei mathematischer Darstellung nicht zu Funktionen führen, da mehrfache y-Werte für einen x-Wert auftauchen, dieses Problem aber durch Achsentausch gelöst werden kann und so die Eindeutigkeit garantiert ist.

Gibt es einen anderen Grund?

Gruß Volker

Ein „Frohes neues Jahr“ zurück,

richtig, falsch?!?
Es ist doch nur eine Konvention, dass bei Funktionen die Variable auf der X-Achse und der Funktionswert auf der Y-Achse angetragen wird. Das macht die Darstellung weder richtiger noch die andersartige Darstellung falscher:wink:

Um einen Graphen zu zeichnen, brauchst Du doch sowieso nicht die Darstellung y=f(x):wink:

Und wie Du schon anmerkst, bei allgemeinen Relationen kann es sowieso keine Regel geben, da ein X-Wert mehrere Y-Werte und ein Y-Wert mehrere X-Werte haben kann.

In der VWL wird zudem rel. häufig von einer Darstellung zur nächsten gesprungen, um Wirkzusammenhänge aufzuzeigen. So mag die eine Funktionsformel z.B. den Gewinn auf der X-Achse erwarten lassen, die zweite auf der Y-Achse. Um aber den Zusammenhang beider Funktionen graphisch erkennbar zu machen, wird dann eben die zweite Darstellung untypisch aufgebaut. Da Wirtschaftler chronisch faul sind, wird die zweite Formel dafür sicher nicht mathematisch umgeformt:wink:

Grüße
Jürgen

Hallo Jürgen,

vielen Dank für Deine schnelle Antwort.

Ich habe bewußt mit Anführungszeichen geschrieben, da es keine richtige oder falsche Darstellung gibt, man muss halt die Achsen bezeichnen, damit man weiss was wo ist.

Aber in der Mathematik, Physik usw. ist die Darstellung mit der unabhängigen Variablen als horizontale Achse eben üblich und m. M. nach auch „natürlicher“.

Das Springen von einer Darstellung zur anderen führt doch nur zur Verwirrung, deshalb meine Frage weshalb das so gemacht wird.

Ach ja, es fiel in der Vorlesung die Bemerkung „Das irritiert die Mathematiker immer“ (sinngemäß). Hm, aber eine Begründung wurde nicht geliefert. Es macht einfach den Umgang mit mathematischen Büchern unnötig schwierig.

Gruß Volker

Servus,

im nächsten oder ein paar Semester später wird das einleuchten, wenn Systeme mit vier Achsen aufgebaut werden, in denen „alles von allem“ abhängt (>> Hickssches Diagramm). Wenn man da gewöhnt ist, alles auf einer fixen Abszisse aufzubauen, kriegt man das nicht gut verstanden.

Schöne Grüße

MM

Hallo,
(>> Hickssches Diagramm). Leider habe ich unter diesem Stichwort nichts gefunden, es sagt mir garnichts.

Vllt. hab ich einen Tipfehler gemacht, ich werde noch mal schauen.

Vielen Dank für Deinen Hinweis, es gibt halt immer Probleme wenn verschiedene Fakultäten aufeinander treffen.

Gruß Volker

Servus Volker,

hier ist eine gute Darstellung:

http://www.ivwl.uni-kassel.de/senger/vwl2/pdf/Vwl2-V…

  • dabei erinnere ich mich vage an eine graphische Darstellung zur Einführung, in der die hier beschriebene i = f(Y) - mit „richtigen“ Koordinaten - bereits eine Ableitung aus einem mehrdimensionalen System war. Aber das ist lange her, und richtig daheim war ich in der Analysis nie, drum ist ja auch nix aus mir geworden.

Nungut, vielleicht kannst Du mit den verlinkten algebraischen Formulierungen was anfangen.

Schöne Grüße

MM

Hallo Martin,

der Link ist, soweit ich das beurteilen kann, hilfreich.

Allerdings wollte nicht ich VWL studieren, sondern mein Sohn, und ich habe da doch mit den Fachtermini Probleme. Nur kann ich jetzt noch nicht auf die Schnelle erkennen, weshalb das Vertauschen der Achsen einen Vorteil bringt.

Vielleicht kann ich mich da mal durchwühlen, aber im Moment habe ich keine Zeit, ich muss mich wirklich in die „Denke“ der VWLer eindenken und werde da vermtl. scheitern, da ich viele Argumente nicht verinnerlichen kann.

BTW. Ähnlich geht´s mir mit den BWLern, die zwar Kosten im Betrieb sparen, aber durch Entlassung wichtiger Wissensträger (naja, ich wohl sagen Know-How-Trägern) Betriebe in den Bankrott treiben.

Gruß Volker

Die globale VWL

Hallo,

Nur kann ich jetzt noch nicht auf die Schnelle erkennen, weshalb das
Vertauschen der Achsen einen Vorteil bringt.

Vorteile bringt es auch nicht notwendig. Allerdings muss man etwas noch beachten, was bisher noch nicht erwähnt wurde:

An der Materie „Volkswirtschaftslehre“ wird auf der ganzen Welt geschraubt. Dabei muss man sehen, dass der „Forschungsgleichschritt“ dabei wesentlich stärker ausgeprägt ist, als dies etwa auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre der Fall ist.
Daraus folgt unmittelbar, dass die Forschungsergebnisse global „verwertet“ werden. Da die Forschung auf dem Gebiet der VWL in den USA einen sehr hohen Stellenwert einnimmt, werden demnach auch sehr viele US-amerikanische Forschungsergebnisse „exportiert“. In den USA ist es aber nunmnal so, dass sich die Forschenden dazu entschlossen haben, den mathematischen Konventionen nicht immer im allerletzter Form zu folgen. Hiervon zeugen auch die mathematischen Beweise in den bedeutenden Fachaufsätzen der entsprechend bekannten Journals. Sehr deutlich wird dies aber auch in dem bekannten Lehrwerk „Advanced Macroeconomics“ von David Romer.

Zwei Punkte möchte ich letztlich noch hervorheben:

  1. Der Aussage von Martin, wonach es sowieso besser wäre, sich nicht allzu sehr an einer Darstellung aufzuhängen, sondern eher die „Funktionsweise“ verstehen zu wollen und zu können, kann ich mich nur anschließen. Sicherlich bedarf es hier einer gewissen Übung. Gleichwohl sollte der Lernerfolg nicht von der Nutzbarkeit allgemeingültig gehaltener Mathematikbücher abhängen.

  2. In Anlehnung an den letzten Gedanken ist sodann noch folgendes wichtig: Letztlich sollte man als Student, so schlimm es auch klingen mag, stets das in den Klausuren widergeben, was der Klausurensteller hören bzw. sehen will. Für falsche bzw. „nicht vorlesungskonforme“ Achsenbezeichnungen wurde an meiner Uni gerne mal ein Punkt abgezogen.

In diesem Sinne, weiterhin viel Spass mit der VWL. Je nach späterer Spezialisierung würde ich das Wort Spass dann jedoch in Anführungszeichen setzen wollen :wink:

VG
Sebastian

Hallo Sebastian,

vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Da sind einige neue Aspekte hinzugekommen.

Viele Grüße aus Kiel

Volker