Verlag existiert nicht mehr - Copyright?

Hallo,
angenommen, ein ausländischer Buchverlag (Türkei) existiert schon länger nicht mehr, existiert dann noch ein Copyright seiner Werke? Dürfte man aus einem seiner Bücher Passagen abschreiben, ins Web stellen, und auch Teile übersetzen? Ist das Buch dann „vogelfrei“?
Gruß, Susanne

Hallo,

Ist das Buch dann „vogelfrei“?

nein, denn das Urheberrecht bezieht sich nicht auf den Verlag, sondern auf den Autor. Erst wenn der Autor schon 70 Jahre tot ist, ist der Text „vogelfrei“, und selbst dann kann es noch Bearbeitungsrechte geben.

Es gibt allerdings durchaus Fälle, wo niemand sich mehr um die Rechte kümmert. Aber darauf verlassen würde ich mich nicht.

Gruß

Bona

Hallo Susanne,

das Urheberrecht oder Copyright hängt normalerweise nicht davon ab, ob ein Verlag existiert.
Es kommt in diesem Fall wohl darauf an, welche internationalen Abkommen bestehen.
Wie mein Vorredner schon schrieb, kann es da Ausnahmen geben. Kuba hat meines Wissens niemals Abkommen derart unterschrieben, weil sie ein gebildetes Volk wollen, aber keine Kohle für Urheberrechte haben. (Und auch nicht für Papier…)

Gruß!

Horst

Hallo Susanne!

angenommen, ein ausländischer Buchverlag (Türkei) existiert
schon länger nicht mehr, existiert dann noch ein Copyright
seiner Werke?

In der Türkei unterliegen literarische Werke ebenso wie in Deutschland bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers dem Schutz durch das Urheberrecht, siehe http://www.jurpc.de/aufsatz/20030228.htm . Urheber können nur Menschen aus Fleisch und Blut sein. Ob ein Verlag noch existiert oder nicht, ändert deshalb nichts am Urheberschutz.

Gruß
Wolfgang

Ergänzung: ein Buch ohne Autor, Volksmärchen
Hallo,
ich muss wohl eine Ergänzung angeben: Ist ein Buchtext vogelfrei, dessen 1. Auflage 1919 in Istanbul erschien und sich auf Personen bezieht, die 200 v.Chr. in Zentralasien gelebt haben, dessen Geschichten inzwischen zum Volksgut gehören, gerade verfilmt wurden? Angenommen, ein Verlag legt in den 80er Jahren den Text neu auf und veröffentlicht ihn ohne Autorenangabe? Kann man dann darüber verfügen? Mehrere Verlage bieten anscheinend diese Geschichten an, eine davon las ich gerade auf Türkisch im Web…
Gruß, Susanne

Hallo,

ich muss wohl eine Ergänzung angeben: Ist ein Buchtext
vogelfrei, dessen 1. Auflage 1919 in Istanbul erschien

Nur dieser Teil ist relevant. Wann, wie, welcher Verlag das Werk nochmal aufgelegt hat nicht. Bei 1919 ist es natürlich schwierig, der Autor könnte schon 70 Jahre tot sein oder oder (etwas wahrscheinlicher IMHO) noch nicht ganz.

Grüße,

Anwar

Hallo Anwar,

ich muss wohl eine Ergänzung angeben: Ist ein Buchtext

vogelfrei, dessen 1. Auflage 1919 in Istanbul erschien

Nur dieser Teil ist relevant. Wann, wie, welcher Verlag das
Werk nochmal aufgelegt hat nicht. Bei 1919 ist es natürlich
schwierig, der Autor könnte schon 70 Jahre tot sein oder oder
(etwas wahrscheinlicher IMHO) noch nicht ganz.

wenn man das Vorwort genauer durchliest, sind die fraglichen Geschichten wahrscheinlich Ende 14. Jh. zum ersten Mal niedergeschrieben worden, und es gibt ein Exemplar in arabischer Schrift in Dresden, eine Kopie in Berlin; das Werk erregte laut Vorwort des mir vorliegenden Büchleins im 19. Jh. zum ersten Mal Aufmerksamkeit. Der Abdruck 1919 in Istanbul war anscheinend lediglich die erste vollständige Zusammenfassung aller Geschichten - die schon existierten, bevor die Türken sich zum Islam bekannten! Die Geschichten sind also älter als Martin Luthers Übersetzung der Bibel ins Deutsche! (dessen Werk ergo auch „vogelfrei“ ist??! :wink: )
Gruß, Susanne

Hallo,
auch wenn der Inhalt der Geschichten viel älter ist: die Rechte an der Textversion hat der Autor des Textes.
Wenn also die gleiche Geschichte mit eigenen Worten erzählt wird, ist das was anderes als eine Kopie eines Textes.
Gruß
loderunner (ianal)

Urheber können nur
Menschen aus Fleisch und Blut sein. Ob ein Verlag noch
existiert oder nicht, ändert deshalb nichts am Urheberschutz.

Das ist so nicht zwingend richtig. Ich kenne das türkische Recht nicht, im angelsächsischen Recht aber z. B. sind Urheberrechte abdingbar. In diesem Fall kann der Verlag zwar nicht Urheber, durchaus aber Inhaber der Urheberrechte sein. Im Zweifel wäre also zu klären, auf welcher Rechtsnorm das türkische Urheberrecht beruht (wahrscheinlich aber, wie in D, auf der römischen).

Gruss
Schorsch

Anmerkung
Hallo,

im angelsächsischen Recht aber z. B. sind
Urheberrechte abdingbar. In diesem Fall kann der Verlag zwar
nicht Urheber, durchaus aber Inhaber der Urheberrechte sein.

Aber nicht über das Ende des Urheberschutzes hinaus, oder?
Gruß
loderunner (ianal)

Aber nicht über das Ende des Urheberschutzes hinaus, oder?

International bezieht sich die Dauer des Urheberrechts ausschliesslich auf den Tod des Autors (mind. 50 Jahre, Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights TRIPS). Da aber nationales Recht längere Fristen vorschreiben kann, stellt sich die Frage, welches nationale Recht jeweils im konkreten Fall in Anwendung käme. So ist durchaus denkbar, dass in der Türkei ein Nachdruck oder eine Übersetzung eines älteren Werkes frei wäre, während für den Vertrieb dieses Nachdrucks nach Deutschland Urheberrechte zu beachten wären.

So finden sich z. B. Werke von nach 1936, aber vor 1957 verstorbenen deutschen Autoren (Th. Mann, G. Hauptmann…) in gutenberg.org (verwaltet in Illinois), nicht aber auf den deutschen Gutenberg-Seiten.

Gruss
Schorsch