Verlegenheitsmomente

Hallo,
Verlegenheit ist kein riesiges Gebrechen. Aber kann störend sein. Es ist für mich wie ein Rätsel, daß ich diese Verlegenheitsmomente habe,
zumal ich auch schon Ende 40 bin und nicht etwa Teenager. Das Rätsel für mich ist die Frage, warum ich es nicht geschafft habe in dieser Hinsicht zu reifen. In der Sache ein Entwicklungsrückstand !?
Ich kann diesen dramatischen Ausdruck verwenden, weil es für mich so Sonnenklar und immer im gleichen Einkaufsmarkt passiert und immer an der Kasse, wenn etwas nicht ganz glatt läuft. Wenn ich an der Kasse bin, sollte es schnell und reibungslos laufen. Wenn ich zu lange den Blicken der hinter stehenden Kunden ausgesetzt bin, was die logische Folge ist, dann wird es eng für mich. Schweißausbruch und/oder roter Kopf. Beispiel: Probleme mit zu wenig Kleingeld und dann muß die EC Karte gesucht werden. Situationen die jeder mal hat. Aber ausgerechnet ich muß verlegen werden. Also der Kunde an der Supermarktkasse ist folglich den Blicken der nachstehenden Kunden ausgesetzt. Für mein Empfinden ist das nichts anderes als vor einem Publikum auf der Bühne zu stehen. Das ginge auch hinten los . In der Gesellschaft an einem größeren Tisch ( mein Onkel sein 80ster Geburtstag ) ist ebenso problematisch. Meine gegenüber sitzende Cousine fragt mich nach meinen beruflichen Aktivitäten.Sie hatte kaum eine pässliche Antwort von mir bekommen. 3 oder 4 andere Gäste guckten mich ca. 1 Sekunde später an. Ganz normale menschliche Reaktion, aber für mich katastrophal. 2 hatten darauf hin über meine Reaktion gegrinst. Keine Einbildung! Später irgendwann stand ich mit meiner Cousine an einer Seite des Saales und ich hatte mich ihr ungeniert über berufliches, privates und aus der Kindheit geredet. Kein Problem ! 2 Leute die irgenwo in der Öffentlichkeit stehen, sind ja nicht der zentrale Punkt sämtlicher Passanten oder Gäste. Ganz gleich wo! Sämtliche Blicke auf einmal an mich zu ziehen, dann wird es eng für mich. Es ist mir ein Rätsel. Ich komme einfach nicht da hinter. Ich denke schon manchmal, daß es eine genetische Veranlagung sein könnte. Was denkst Du dazu ? Meine Frau sagt öfters, daß ich mich zu wenig kenne.
Mein Schreiben und Deine Antworten sollen A mir helfen und B Lesern helfen, die authentische Probleme zu beklagen haben. Das wünsche ich mir von diesem Schrift-Austausch. Ich hoffe ich, ich konnte das Problem ausreichend darstellen. Sonst frage mich doch bitte noch mal konkret.
Danke und schöne Grüße von Heymann !

Moin,
entwicklungsgeschichtlich kann das erklärt werden, dass wir (Menschen) abhängig von unserer Gruppe sind. Ausschluss hätte früher den Tod bedeutend. Wer sich und die eigene Meinung ‚öffentlich‘ macht setzt sich der Kritik aus. Kritik wird als ‚nicht gemocht werden‘ empfunden. ‚Nicht gemocht werden‘ kann zum Ausschluss führen. Daher Stress. Stress ist die Vorbereitung auf Flucht oder Kampf. Der Blutdruck steigt, man schwitzt…usw.

Ausserdem bist du in einer solchen Situation völlig zum ‚Objekt‘ geworden. Du machst dir nur Gedanken darüber was andere über DICH denken. Du ‚erleidest‘ die Aufmerksamkeit. Ein Objekt hat keine Einflussmöglichkeit, denn als Objekt glaubt man keinen Anteil an der Situation zu haben. Besonders Leute mit einem hohen Anspruch an sich selbst und dem Hang zum Perfektionismus fühlen sich in solchen Situationen schnell ausgeliefert.

Da solche Verhaltensweisen zum Teil Charakter sind und zum Teil schon lange eingeübt, ist es nicht einfach dagegen anzugehen.
Eine Möglichkeit ist immer wieder das ‚worst-case‘-Szenario durch zuspielen. Das muss in ruhiger Umgebung am besten schriftlich passieren. In der jeweiligen Situation kann man sich daran erinnern und so mit der Zeit auch Gefühle verändern.
Falls du zu diesem Ansatz mehr wissen willst kannst du dich bei mir melden. Wird hier zu lang
…lux

Hallo,

mir geht das ähnlich, ist mittlerweile besser geworden, da ich zwei kinder habe und dadurch oft ungewollt im fokus stand.

ich glaube das das charaktersache ist. der eine ist halt ne „rampensau“ und nichts ist ihm peinlich.
Und der andere wird schon rot wenn jemand ihn anschaut.

bei manchen ist das auch situationsabhängig. bei mir sind vorträge vor fremden /arbeitskollegen kein problem, hab auch eine zeitlang tupperpartys gegeben, das war ganz leicht. aber vor freunden was vorzutragen, ist für mich furchtbar. gruppensport -speziell dann wenn ich nicht gut bin - ist für mich mit schweißausbrüchen verbunden. diese situation ausgewählt zu werden / stehengelassen zu werden , macht mir herzrasen. laufwettbewerbe machen mir nichts, auch wenn ich als letzte ins ziel komme.

mach dir keinen kopf, jeder ist da anders.

lg

brenna

Hallo,

das Ganze könnte möglicherweise auf eine soziale Phobie hinweisen. Vielleicht googelst du mal danach, um zu sehen, ob deine Empfindungen in dieses Bild passen?

Schöne Grüße,
Jule

Hallo,

kommt mir irgendwie bekannt vor…
Hatte ich lange Zeit besonders vor meinen Kindern. Jetzt wo ich Kinder habe muss ich sagen, dass es viel besser geworden ist, aber : „Es“ ist ab und an immer noch da, schränkt mich aber nicht weiter ein, so wie es früher der Fall war.

Mir hat geholfen, dass ich mich sehr oft in diese unangenehmen Situationen begeben habe, z. B. wie du an der Kasse stehen müssen , sehr schlimm , schnell weg zu müssen aber nicht zu können etc. Inzwischen kann ich sehr gut und sehr lange :wink: an der Kasse stehen ohne nervös zu werden.

Oder ich habe eine lange Zeit Sachen gekauft nur um sie ein paar Tage später zurückzubringen und mein Geld zurückzuverlangen. Natürlich wurde es manchesmal richtig schwierig wegen der anderen die warten, oder ich versuchte nach einer Weile den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen indem ich den Kassenbon „verloren“ hatte :wink:
Ergo bring dich oft in Situationen vor denen zu Angst/Bedenken hast, es wird früher oder später diffus werden und du gehst soviel freier durch die Welt … herrlich!

Es macht mir mittlerweile auch nichts aus vor anderen Menschen zu reden oder neue Leute kennenzulernen. Im Gegenteil: Was früher so garnicht schön für mich war macht mir fast Spass :wink: aber auch das ist so weil ich es nicht vermieden habe . Zwar bin ich immer noch kein Mensch der gerne im Mittelpunkt steht, werde sogar immernoch manchmal nervös, aber es hält sich in Grenzen und das denke ich ist „normal“.

Alles Gute für dich!

Danke für Deinen ( für mich sehr fachlichen ) Text. Hat einen Stern auch von mir bekommen. Du kannst gerne noch weiter etwas dazu schreiben.
Auch die anderen 3 Texte gefielen mir.
Sicher werden auch andere Leser von Euren Berichten provitieren.
Denn auch viele andere Menschen außer ich haben ( gehe ich von aus )
diese Konplexe und wir helfen ihnen hoffentlich damit.
Ich hatte sogar schon daran gedacht, bei WDR Domian anzurufen, aber da kommt man so schwer durch.

Schöne Grüße von Heymann !