Liebes Landsend,
Du diskutierst über ganz andere Hypothesen als die von Conrad geäußerte, ferner über moralische Aspekte der Organisation von Vernichtungslagern. Die moralischen Aspekte möchte ich gerne ausklammern, da die Diskussion sonst ins Uferlose driftet.
Betreffend Vichy: Ja, ich habe vom Vel d’Hiv gelesen, und ja, ich habe von Gurs gelesen, und ja, ich habe Natzwiller-Struthof besucht. Und nein, Gurs war kein Vernichtungslager.
Was den Grad der Kollaboration durch ein formal verbündetes Marionettenregime betrifft, erinnere ich an Jasenovac, welches nicht als Vernichtungslager konzipiert war, sondern nur teilweise diese Funktion hatte. Aus der bloßen Existenz der Ustascha auf ein „kroatisches Volk“ oder gar ein „anti-orthodoxes kroatisches Volk“ zu schließen, wäre doch ein bissel weit hergeholt.
Das von Conrad benannte Motiv, große Zahl leicht mobilisierbarer HiWis im Osten - welches beiläufig keine Spur von „antisemitischen Völkern“ enthält - ist zunächst durchaus plausibel. Plausibel wegen mobilisierbaren antisemitischen Tendenzen, plausibel wegen mobilisierbaren damit vermischten antikommunistischen Tendenzen, und plausibel wegen der unter deutscher Besatzung von vornherein viel größeren alltäglichen Not als im Westen.
Ob dieses Motiv als ein maßgebliches im Zuge der Planung explizit dokumentiert ist, kann ich nicht sagen. Kennst Du Quellen, in denen belegt ist, wie und warum es zu der Einrichtung der Vernichtungslager fast ausnahmslos im Osten kam?
Schöne Grüße
MM