Verspätete Abgabe Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

Hallo liebe Gemeinde,

folgender fiktiver Fall:
Ein Arbeitnehmer erhält die Diagnose maligner Tumor und somit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zur Bewältigung der darauf folgenden Therapien.

Er zeigte bei seinem Arbeitgeber an, dass er schwer erkrankt wäre und reichte seine Bescheinigungen rechtzeitig ein. Ursprünglich hätte er für die beiden Woche nach dem Ende der letzten Bescheinigung genehmigten Urlaub geplant.

Nun erfordere es der weitere Behandlungsverlauf, weiterhin per AU-Bescheinigung fern zu bleiben. (weitere Termine, sehr rascher Beginn der Chemotherapie).

Der Urlaubsbeginn fiele auf den ersten Montag nach der Chemotherapie. Der AN wäre noch sehr geschwächt und hat auch keine Möglichkeiten, die Bescheinigung zur Post zu bringen. Freitags könnte er erstmals wieder aus dem Haus und ginge unverzüglich in den Betrieb, um die Krankmeldung persönlich bei einem Kollegen vorbei zu bringen.

Montags erhielte er eine Abmahnung, in der ihm der Verstoß gegen die arbeitsrechtlichen vertraglichen Bedingungen vorgeworfen würde. Zudem monierte der Arbeitgeber, nichts vom gesundheitlichen Zustand seines Mitarbeiters erfahren zu haben. Man hätte ihm jedoch bereits im Vorfeld die positive Diagnose und den voraussichtlichen Behandlungsverlauf mitgeteilt und aufgrund der taktlosen Reaktion beschlossen, die Bescheinigungen über den Kollegen auszuhändigen.

Man gehe weiter davon aus, der Arbeitnehmer wäre zuvor immer zuverlässig gewesen, hätte sich nichts zu Schulden kommen lassen und vermutete nun, dass der AG über diesen Weg eine Kündigung einleite.

Folgende Fragen:
Wäre die Abmahnung rechtens?
Wie könnte eine korrekte Gegendarstellung lauten?
Wie sähe der Kündigungsschutz generell aus bei einem Mitarbeiter, der voraussichtlich für circa 10 Monate ausfällt. Der Betrieb hätte acht Mitarbeiter plus Geschäftsführer. Wirtschaftlich unterläge der Betrieb nur den üblichen Fluktuationen, keine Engpässe.

Alles rein fiktiv selbstverständlich. Vielen Dank für eure Ideen.

Hallo liebe Gemeinde,

Hallo,

Folgende Fragen:
Wäre die Abmahnung rechtens?

Grundsätzlich ja. Der AN wußte von dem Chemo-Termin schon vorher und hätte sich rechtzeitig um jemanden kümmern können, der ggfs. die AU-Bescheinigung übermittelt.

Wie könnte eine korrekte Gegendarstellung lauten?

In diesem Fall mE sinnlos, da der Sachverhalt klar ist. Eine evtl. beabsichtigte krankheitsbedingte Kündigung hat inhaltlich nichts mit einer Abmahnung wegen Verstoßes gegen Anzeige- und Meldepflichten aus dem EFZG zu tun.
Im Übrigen ist es idR sowieso taktisch unklug, ohne konkreten weiteren Anlass eine „Gegendarstellung“ zu einer Abmahnung dem AG zukommen zu lassen. Damit weist man den AG höchstens auf Schwächen der Abmahnung hin und gibt ihm ggfs. Möglichkeit zur „Nachbesserung“ und/oder Beweissicherung.

Wie sähe der Kündigungsschutz generell aus bei einem
Mitarbeiter, der voraussichtlich für circa 10 Monate ausfällt.
Der Betrieb hätte acht Mitarbeiter plus Geschäftsführer.
Wirtschaftlich unterläge der Betrieb nur den üblichen
Fluktuationen, keine Engpässe.

Bei weniger als 10 AN gilt das KSchG gem. § 23 Abs. 1 Satz 3
http://www.gesetze-im-internet.de/kschg/__23.html
grundsätzlich nicht.

Im Übrigen hat der AG über die Angaben auf der AUB hinaus keinerlei Anspruch auf weitergehende Details, insbesondere nicht auf Diagnosen.

Alles rein fiktiv selbstverständlich. Vielen Dank für eure
Ideen.

Dem AN wären noch zwei Dinge anzuempfehlen.

  1. Der behandelnde Arzt kann auch unter diesen bestimmten Umständen eine AUB „bis auf Weiteres“ oder aber mindestens bis zum Abschluß der Chemotherapie ausstellen, um dem AN das Theater mit dem Nachweis zu ersparen.
  2. Der erkrankte AN sollte sofort mit einem schriftlichen Nachweis der Diagnose eines malignen Tumors einen Antrag auf Schwerbehinderung stellen, da allein die Diagnose bereits befristet (mit „Heilungsbewährung“ je nach Tumor 3-5 Jahre)mindestens einen GdB von 50 bedingt, ab dem der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen beginnt, der auch in Kleinbetrieben gilt.

Hallo,

Im Übrigen ist es idR sowieso taktisch unklug, ohne konkreten
weiteren Anlass eine „Gegendarstellung“ zu einer Abmahnung dem
AG zukommen zu lassen. Damit weist man den AG höchstens auf
Schwächen der Abmahnung hin und gibt ihm ggfs. Möglichkeit zur
„Nachbesserung“ und/oder Beweissicherung.

Wäre es nicht im Hinblick auf eine sukzessive eingeleitete Kündigung klug, anzumerken, dass das Arbeitsverhältnis bisher auf Vertrauen statt Kontrolle basiert hat und man selbst überrascht wäre, da es bis dato nie ein Fehlverhalten und in der Summe drei AUB in acht Jahren gab.

Dem AN wären noch zwei Dinge anzuempfehlen.

  1. Der behandelnde Arzt kann auch unter diesen bestimmten
    Umständen eine AUB „bis auf Weiteres“ oder aber mindestens bis
    zum Abschluß der Chemotherapie ausstellen, um dem AN das
    Theater mit dem Nachweis zu ersparen.
  1. Der erkrankte AN sollte sofort mit einem schriftlichen
    Nachweis der Diagnose eines malignen Tumors einen Antrag auf
    Schwerbehinderung stellen, da allein die Diagnose bereits
    befristet (mit „Heilungsbewährung“ je nach Tumor 3-5
    Jahre)mindestens einen GdB von 50 bedingt, ab dem der
    besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen
    beginnt, der auch in Kleinbetrieben gilt.

Beides hätte er bereits in die Wege geleitet. Der Antrag wäre in der Aussicht auf eventuelle Querelen mit dem Arbeitgeber sogar rückwirkend auf den Tag der Diagnose gestellt worden.

Wolfgang, vielen Dank für deine ausführlichen Schilderungen

Viele Grüße
Sandra

Hallo,

Hallo,

Wäre es nicht im Hinblick auf eine sukzessive eingeleitete
Kündigung klug, anzumerken, dass das Arbeitsverhältnis bisher
auf Vertrauen statt Kontrolle basiert hat und man selbst
überrascht wäre, da es bis dato nie ein Fehlverhalten und in
der Summe drei AUB in acht Jahren gab.

Da wir wohl über ein Kleinunternehmen reden, das nicht unter das KSchG fällt, spielen derartige Überlegungen bei einem Verfahren eine geringe bis gar keine Rolle, da ja gerade § 1 KSchG, in dem diese sozialen Erwägungen normiert sind, eben auch nicht gilt.

Viel wichtiger sind Vorschriften, die auch für Kleinunternehmen gelten wie zB Schwerbehindertenrecht (s.u.) oder aber - solange keine Anerkennung als Schwerbehinderter vorliegt - die Einhaltung der Pflichten des AG aus § 84 Abs. 2 SGB IX
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9/__84.html
Da aber ja noch keine Kündigung ausgesprochen wurde, sollte der AN stillhalten, weiterhin seine AU nachweisen und sich ansonsten erst mal auf seine Therapie konzentrieren.

  1. Der erkrankte AN sollte sofort mit einem schriftlichen
    Nachweis der Diagnose eines malignen Tumors einen Antrag auf
    Schwerbehinderung stellen, da allein die Diagnose bereits
    befristet (mit „Heilungsbewährung“ je nach Tumor 3-5
    Jahre)mindestens einen GdB von 50 bedingt, ab dem der
    besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen
    beginnt, der auch in Kleinbetrieben gilt.

Der Antrag wäre
in der Aussicht auf eventuelle Querelen mit dem Arbeitgeber
sogar rückwirkend auf den Tag der Diagnose gestellt worden.

Die rückwirkende Antragstellung hat in der Praxis kaum arbeitsrechtliche Auswirkungen (Hauptausnahme: Berechnung des Sonderurlaubs im Jahr der Anerkennung), sondern eher steuerliche Relevanz.

Viel wichtiger für den AN, wenn er den Antrag bereits gestellt hat, ist die 3-Wochen-Frist des § 90 Abs. 2a SGB IX (der etwas verschwurbelt formuliert ist), die ab Zugang der Antragstellung beim Versorgungsamt gilt. Sofern der AN keinen Zugangsnachweis hat (zB durch Empfangsbestätigung, Rückschein) sollte er sich schleunigst das Zugangsdatum vom VA bestätigen lassen. Nach Ablauf von 3 Wochen nach dem Zugangsdatum hat der AN dann den vollen Rechtsschutz als schwerbehinderter Mensch bei einer Kündigung gem. § 85 ff SGB IX.
http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9/__85.html

Wolfgang, vielen Dank für deine ausführlichen Schilderungen

Scho`recht

Viele Grüße

&Tschüß

Sandra

Wolfgang