Verspätungszuschlag auch nachträglich rückwirkend?

Hallo!

Folgende Begebenheit:
Seit 19 Jahren gibt jemand seine Einkommensteuererklärung immer in der gleichen Art und Weise ab - immer innerhalb der Abgabefrist von 2 Jahren, immer unregelmäßig, meistens am Ende der Frist. In dieser Zeit hat sich immer mal wieder was geändert. Wohnort, Arbeitgeber, Hochzeit, Kinder, Lohsteuerklassen. Das letzte Mal vor 8 Jahren, ein Lohnsteurwechsel von 4-4 auf 3-5, mit der Geburt des Kindes. Die Frau ist seitdem zu Hause, also ohne eigenes Einkommen. Bis auf ein oder zwei Ausnahmen gab es immer Rückzahlungen und noch nie hat das FA irgendwann mal etwas angemahnt oder gesagt/geschrieben, daß irgendetwas nicht in Ordnung sei. So ist die Person nie auf die Idee gekommen, daß etwas nicht richtig ist oder anders gehandhabt werden müßte.
Nun kommt plötzlich, mit dem Bescheid für 2009, die Festsetzung eines „Verspätungszuschlags“ von 500 € (!!!) - ohne Vorankündigung, ohne Mahnung o.ä., einfach so…
Es ist wohl soweit (leider) alles rechtens, da eine Abgabefrist bis 31.5. des Folgejahres bestanden hätte; wenn auch die Festsetzung selbst und deren Höhe im Rahmen des Ermessens des Sachbearbeiters liegen, jedoch max. 10% der festgesetzten Einkommensteuer. Nicht mal zu einer vorherigen Mahnung ist das FA wohl verpflichtet. Allerdings sollte man Einspruch einlegen…

Nun die Fragen:

  • Ist da FA wirklich nicht dazu verpflichtet, irgendwann mal zu sagen, das etwas nicht in Ordnung ist?
  • Kann man sich darauf berufen, daß sich doch seit 8 Jahren noch keiner vom FA jemals beschwert hat, daß etwas nicht i.O. ist?
  • Können auch rückwirkend noch nachträglich Verspätungszuschläge erhoben werden, wenn man sich im Einspruch auf die jahrelange, unbeanstandete Abgabepraxis beruft?
  • Was ist mit der EStErklärung für 2010? Die Frist ist doch dann auch schon abgelaufen, ebenfalls aber nicht angemahnt worden. Wird dann dort automatisch auch wieder ein Verspätungszuschlag erhoben werden? Es besteht doch gar keine Möglichkeit mehr für den Antragsteller, den Termin nun (bei besserem Wissen) noch einzuhalten.

Vielen Dank schon mal im voraus für die Antworten!
Claudia

Servus,

die entscheidende Information fehlt, nämlich ob und warum für das fragliche Kalenderjahr eine Verpflichtung zur Abgabe einer ESt-Erklärung bestanden hat (Lohnsteuerklassen III/V? Lohnersatzleistungen? Andere als N-Einkünfte?).

Grundsätzlich ist die Beobachtung völlig richtig, dass viele Jahre lang bei Arbeitnehmerveranlagungen keine Verspätungszuschläge festgesetzt wurden, auch wenn es sich um Pflichtveranlagungen handelte.

Die Möglichkeit, Verspätungszuschläge bei Pflichtveranlagungen festzusetzen, wenn die Steuererklärungen nach dem 31.05. des Folgejahres eingegangen sind, wird besonders in „Nachzahlungsfällen“ in den zurückliegenden Jahren zunehmend wahrgenommen. Dass in einem Jahr oder in einer Reihe von Jahren bei sonst gleicher Situation kein Zuschlag festgesetzt worden ist, begründet keinen Vertrauensschutz und hat auch sonst keine Wirkung auf die Folgejahre.

Seit der Veranlagung für 2010 werden zumindest in einzelnen Bundesländern (NRW) alle Anträge auf Fristverlängerung für die Abgabe der ESt-Erklärungen ausnahmslos abgelehnt. Es gilt aber unverändert die verlängerte Frist 31.12.2011 für ESt-Erklärungen, die durch Steuerberater erstellt werden.

Wenn nun gezeigt werden kann, dass die in Frage stehende ESt-Erklärung der Sache nach einer durch einen StB erstellten ESt-Erklärung gleich ist - d.h. im Vergleich zu dieser keinerlei besonderen Aufwand für Prüfung und Klärung der Sachverhalte erfordert - könnte ein Einspruch gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlages eventuell Erfolg haben, wenn er in Anlehnung an Art. 3 GG begründet wird, auch wenn sich der Gleichbehandlungsgrundsatz streng genommen nur auf die Gleichbehandlung vor dem Gesetz und nicht durch die Exekutive bezieht.

Ist aber einigermaßen fummelig in der Begründung und bietet keine Garantie auf Erfolg.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hallo!
Herzlichen Dank für Ihre Antwort. Es ergeben sich leider daraus auch gleich wieder neue Fragen:

Servus,

die entscheidende Information fehlt, nämlich ob und warum für
das fragliche Kalenderjahr eine Verpflichtung zur Abgabe einer
ESt-Erklärung bestanden hat (Lohnsteuerklassen III/V?
Lohnersatzleistungen? Andere als N-Einkünfte?).

Wie ich erwähnte, besteht Steuerklasse 3/5, wobei die Ehefrau nicht arbeitet, sondern Hausfrau ist. Ansonsten gibt es keine weiteren Gründe für eine Abgabefrist. (zumindest soweit bekannt)

Die Möglichkeit, Verspätungszuschläge bei Pflichtveranlagungen
festzusetzen, wenn die Steuererklärungen nach dem 31.05. des
Folgejahres eingegangen sind, wird besonders in
„Nachzahlungsfällen“ in den zurückliegenden Jahren zunehmend
wahrgenommen.

In diesem Fall geht es aber um eine Rückzahlung von knapp 200 €, genau wie in den letzten Jahren auch. Das FA hatte also nie (bis auf ich glaube 2004 oder 2005) einen Nachteil aus der verspäteten Abgabe, sondern immer nur Vorteile!

Dass in einem Jahr oder in einer Reihe von
Jahren bei sonst gleicher Situation kein Zuschlag festgesetzt
worden ist, begründet keinen Vertrauensschutz und hat auch
sonst keine Wirkung auf die Folgejahre.

Ist das FA wirklich nicht verpflichtet, vorher mal eine Mahnung zu verschicken? Oder wenigstens mitteilen, daß man etwas falsch macht? (Bei der Regelmäßigkeit ist ja nicht davon auszugehen, daß jemand so dickfällig ist!)

Seit der Veranlagung für 2010 werden zumindest in einzelnen
Bundesländern (NRW) alle Anträge auf Fristverlängerung für die
Abgabe der ESt-Erklärungen ausnahmslos abgelehnt. Es gilt aber
unverändert die verlängerte Frist 31.12.2011 für
ESt-Erklärungen, die durch Steuerberater erstellt werden.

Wenn nun gezeigt werden kann, dass die in Frage stehende
ESt-Erklärung der Sache nach einer durch einen StB erstellten
ESt-Erklärung gleich ist - d.h. im Vergleich zu dieser
keinerlei besonderen Aufwand für Prüfung und Klärung der
Sachverhalte erfordert - könnte ein Einspruch gegen die
Festsetzung des Verspätungszuschlages eventuell Erfolg haben,
wenn er in Anlehnung an Art. 3 GG begründet wird, auch wenn
sich der Gleichbehandlungsgrundsatz streng genommen nur auf
die Gleichbehandlung vor dem Gesetz und nicht durch die
Exekutive bezieht.

Die EStErkl. wurde mit dem WISO-Steuerprogramm erstellt und enthält keine Besonderheiten, sondern es liegt alles innerhalb der Pauschbeträge. Einzig Dienstwagennutzung (1%-Regel) und frw. KV sind vielleicht „besonders“. Daher gehe ich davon aus, daß der Prüfungsaufwand eher gering ist.

Könnte denn auch rückwirkend für die letzten Jahre noch nachträglich ein Verspätungszuschlag erhoben werden?

Was wird mit 2010 werden? Wird es automatisch auch einen Zuschlag geben, oder hängt es wieder vom Sachbearbeiter ab?

Herzlichen Dank für Ihre Antwort!
Claudia

Servus,

Wie ich erwähnte, besteht Steuerklasse 3/5,

LSt-Klasse 3/5 führt schon für sich alleine zur Pflichtveranlagung. Bei 4/4 ist die Veranlagung zur ESt freiwillig, falls keine anderen Einkunftsarten außer N vorliegen.

In diesem Fall geht es aber um eine Rückzahlung von knapp 200
€, genau wie in den letzten Jahren auch.

Das schließt die Festsetzung eines Verspätungzuschlages nicht aus. Ließe allenfalls daran denken, dass ein Antrag auf Erlass des festgesetzten Zuschlages aus Billigkeit vielleicht besser funktionieren könnte als ein Einspruch. Hier ist einer der sehr seltenen Fälle, in dem ein Telefonat tatsächlich mal mehr hergibt als vernünftig dokumentierte Korrespondenz: Am Telefon kann man besser hören, wie das Wetter auf der anderen Seite ist.

Ist das FA wirklich nicht verpflichtet, vorher mal eine
Mahnung zu verschicken? Oder wenigstens mitteilen, daß man
etwas falsch macht?

Die Aufforderung zur Abgabe der ESt-Erklärungen zum 31.05. wird meines Wissens immer noch unverändert vom Fiskus veröffentlicht - ich kann mich täuschen. Wie gesagt, Vertrauensschutz entsteht dadurch nicht, dass die Verspätung in früheren Jahren nicht bloß nicht geahndet wurde, sondern sogar noch begrüßt wurde, weil man sonst auf jeden Tisch bei der Veranlagung noch ein großes Regal für die Deckel mit den ausstehenden Fällen obendrauf hätte stellen müssen.

Die EStErkl. wurde mit dem WISO-Steuerprogramm erstellt und
enthält keine Besonderheiten, sondern es liegt alles innerhalb
der Pauschbeträge. Einzig Dienstwagennutzung (1%-Regel) und
frw. KV sind vielleicht „besonders“. Daher gehe ich davon aus,
daß der Prüfungsaufwand eher gering ist.

Wenn die Elster-Datei, die WISO erzeugt, in allen Punkten so einfach zu bearbeiten ist, wie ein vom StB übermittelter Datensatz, kann man damit eventuell schon argumentieren. Fummelig ist, wenn man auf Art 3 GG abheben will, eher der Brückenschlag von dessen eigentlichem Gegenstand zur Tätigkeit der Exekutive.

Könnte denn auch rückwirkend für die letzten Jahre noch
nachträglich ein Verspätungszuschlag erhoben werden?

Nein, der Verspätungszuschlag wird entweder mit der Veranlagung festgesetzt oder gar nicht mehr.

Was wird mit 2010 werden? Wird es automatisch auch einen
Zuschlag geben, oder hängt es wieder vom Sachbearbeiter ab?

Oha, das hatte ich überlesen, dass es sich da um einen Uraltfall aus 2009 handelt. Die zitierte Sache mit der Gleichbehandlung würde nur funktionieren, wenn die Abgabe noch vor dem 31.12. des Folgejahres (= Frist für StB und WP) läge, bzw. vor dem 28./29.02. des darauf folgenden Jahres (in einzelnen Bundesländern Nachfrist für StB/WP mit vereinfachter Möglichkeit der Fristverlängerung). Das heißt, eine Chance für einen Einspruch ist für 2009 in 2011 abgegebem sicher nicht mehr, damit ist auch die Entscheidung zwischen Einspruch / Erlassantrag leicht zu treffen: Wenn etwas hilft, dann bloß Antrag auf Erlass wegen Billigkeit.

Für 2010 kann es gut sein, dass in Anlehnung an die StB-Frist 31.12. kein Verspätungszuschlag festgesetzt wird. Für künftige Jahre ist als äußerste Frist, wenn der 31.05. nicht eingehalten werden kann, der 30.09. sinnvoll - das ist der Stichtag, nach dem Erinnerungen an die Abgabe der ESt-Erklärungen versendet werden (wenn sie denn versendet werden).

Wieauchimmer: Erster Schritt im vorliegenden Fall wäre ein Anruf mit dem Tenor „War das Absicht, oder ist das halt so durch die Maschine gelaufen?“

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Hallo!

Das schließt die Festsetzung eines Verspätungzuschlages nicht
aus. Ließe allenfalls daran denken, dass ein Antrag auf Erlass
des festgesetzten Zuschlages aus Billigkeit vielleicht besser
funktionieren könnte als ein Einspruch. Hier ist einer der
sehr seltenen Fälle, in dem ein Telefonat tatsächlich mal mehr
hergibt als vernünftig dokumentierte Korrespondenz: Am Telefon
kann man besser hören, wie das Wetter auf der anderen Seite
ist.

Oha, das hatte ich überlesen, dass es sich da um einen
Uraltfall aus 2009 handelt. Die zitierte Sache mit der
Gleichbehandlung würde nur funktionieren, wenn die Abgabe noch
vor dem 31.12. des Folgejahres (= Frist für StB und WP) läge,
bzw. vor dem 28./29.02. des darauf folgenden Jahres (in
einzelnen Bundesländern Nachfrist für StB/WP mit vereinfachter
Möglichkeit der Fristverlängerung). Das heißt, eine Chance für
einen Einspruch ist für 2009 in 2011 abgegebem sicher nicht
mehr, damit ist auch die Entscheidung zwischen Einspruch /
Erlassantrag leicht zu treffen: Wenn etwas hilft, dann bloß
Antrag auf Erlass wegen Billigkeit.

Der Lohnsteuerbescheid für 2009 kam erst heute, da die Erklärung auch erst vor 2,5 Monaten abgegeben wurde!
Kann man dann keinen Einspruch mehr einlegen gegen den Bescheid? (Wurde vom FA allerdings nach Tel.anruf geraten)
Kann man jetzt nur noch einen Erlaßantrag wegen Billigkeit stellen? War das dann eine Falschaussage am Tel. vom FA?

Wieauchimmer: Erster Schritt im vorliegenden Fall wäre ein
Anruf mit dem Tenor „War das Absicht, oder ist das halt so
durch die Maschine gelaufen?“

Es wurde heute Vormittag gleich beim Finanzamt angerufen, als der Bescheid ins Haus kam. Der Sachbearbeiter, der den Bescheid erstellt hatte, war nicht persönlich da, nur eine Vertretung. Die singnalisierte aber auch ein gewisses Unverständnis und sagte, es solle Einspruch eingelegt werden. Entschieden wird dann allerdings an einer anderen Stelle im Haus.

Der Artikel bezog sich daher auf eine bestmögliche Argumentierung im Widerspruch, um nicht z.B. noch nachträgliche, rückwirkende Nachteile zu bekommen.

Gruß Claudia

Sorry, noch ein kurzer Nachtrag, habe ich vergessen.

Wie geht das ganze denn dann hiermit noch überein? 7 Jahre?
FAQ:2806

Gruß Claudia

Der Lohnsteuerbescheid für 2009 kam erst heute, da die
Erklärung auch erst vor 2,5 Monaten abgegeben wurde!
Kann man dann keinen Einspruch mehr einlegen gegen den
Bescheid? (Wurde vom FA allerdings nach Tel.anruf geraten)

Wieso denn nicht? Steht doch im Bescheid, daß man 1 Monat Zeit zum Einspruch hat.

Kann man jetzt nur noch einen Erlaßantrag wegen Billigkeit
stellen? War das dann eine Falschaussage am Tel. vom FA?

Der Artikel bezog sich daher auf eine bestmögliche
Argumentierung im Widerspruch, um nicht z.B. noch
nachträgliche, rückwirkende Nachteile zu bekommen.

Hm. Es ist unwahrscheinlich, daß ein Verspätungszuschlag auch für die bereits früher bearbeiteten Jahre festgesetzt wird. Grundsätzlich möglich wäre es allerdings.

Mit freundlichen Grüßen

Ronald

Sorry, noch ein kurzer Nachtrag, habe ich vergessen.

Wie geht das ganze denn dann hiermit noch überein? 7 Jahre?
FAQ:2806

Hallo Claudia,

wenn man nicht verpflichtet ist, eine Einkommensteuererklärung einzureichen, hat man, ohne Sanktionen wie z. B. Verspätungszuschlag zu befürchten, 4 Jahre Zeit zum Einreichen der Erklärung.

Also für 2010 wäre das dann bis zum 31.12.2014.

Mit der Lohnsteuerklassenkombination 3/5 besteht für die Einkommensteuererklärung allerdings Abgabepflicht. Dieser ist innerhalb der normalen Frist bis zum 31.05. des Folgejahres nachzukommen. Oder man läßt es durch einen Steuerberater erledigen, dann gelten längere Fristen.

Die gelesenen 7 Jahre beziehen sich darauf, wie lange überhaupt eine Änderung bzw. Festsetzung der Einkommensteuer allgemein möglich ist. Dabei wird noch nichts über Sanktionen (Verspätungszuschlag) wegen Nichteinhaltung der Frist gesagt.
Diese sogenannte Festsetzungsfrist beträgt 4 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres. Für die Einkommensteuer beginnt die Festsetzungsfrist aber erst am folgenden 01.01. nach Abgabe der Einkommensteuererklärung, spätestens 3 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres.
Richtiger wäre es also, von einer Festsetzungsfrist zwischen 5 und 7 Jahren zu reden.

Beispiele:

Erklärung für 2007 - Abgabe 2008 - Beginn Festsetzungsfrist am 01.01.2009 - Ende Festsetzungsfrist am 31.12.2012

Erklärung für 2007 - Abgabe 2011 - Beginn Festsetzungsfrist am 01.01.2011 - Ende Festsetzungsfrist am 31.12.2014

Nach Ablauf der Festsetzungsfrist kann die Steuerfestsetzung nicht mehr erfolgen bzw. nicht mehr geändert werden.

Für den Verspätungszuschlag gelten grundsätzlich die gleichen Fristen, d. h. nach Fristablauf kann er nicht mehr festgesetzt oder geändert werden.

Die Festsetzung des Verpätungszuschlags soll mit der entsprechenden Steuerfestsetzung verbunden werden. Das schließt aber nicht aus, daß er auch unabhängig davon festgesetzt werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Ronald