Verständnisprobleme bei den Kirchentonleitern

Hallo zusammen!

Ich beschäftige mich gerade mit den Kirchentonleitern und versuche, das ihnen zugrundeliegende Prinzip zu verstehen.

So weit ich weiß, benutzt man die Kirchentonarten ja vor allem, um einen besonderen Klang zu erzielen.

Also angenommen der Bass spielt ein E.
Ich weiß, dass der Ton E in sieben Dur-Tonleitern enthalten ist: in C-, D-, E-, F-, G-, A- und H-Dur.
Also in allen Dur-Tonleitern, die auf Stammtönen stehen. In diesen Tonleitern liegt der Ton E auf verschiedenen Stufen. Ich habe also sieben Tonarten zur Auswahl. Zum Beispiel liegt E in D-Dur auf der zweiten Stufe (dorisch) und in C-Dur auf der dritten Stufe (phrygisch).
E-Dur wäre ionisch, F-Dur wäre lokrisch, und so weiter.

Ok, nun gibt die Band nicht bloß den geschlechtslosen Ton E vor, sondern einen e-Moll-Akkord.
An den entsprechenden Modi ändert sich nichts, bloß stehen mir in diesem Fall nicht mehr sieben Tonarten zur Auswahl, sondern nur noch drei, nämlich C-, D- und G-Dur. Alles andere klänge unharmonisch.

Wenn jetzt der Gitarrist der Band einen Riff spielt mit den Akkorden…

Cis-Moll, E-Dur, fis-Moll
Cis-Moll, H-Dur, A-Dur

…erschließe ich: Aha, der Riff verläuft in cis-Moll oder E-Dur.
E-Dur ist die vierte Stufe von H-Dur. Heißt das also, dass ich lydisch spiele, wenn ich in H-Dur dazu improvisiere?

Stimmt das alles so? Verbessert mich bitte, wenn ich mich irre.

Und noch ein paar Fragen:
Was sind denn noch diese ganzen Hypo-Kirchentonleitern?
Und wieso wird eigentlich in manchen Büchern der lokrische Modus nicht aufgezählt?

Ansonsten verstehe ich noch nicht, wie ich bestimmen kann, in welchem Modus ein Lied steht.
Zum Beispiel steht bei Wikipedia, dass >Another brick in the wall

Ich beschäftige mich gerade mit den Kirchentonleitern und
versuche, das ihnen zugrundeliegende Prinzip zu verstehen.

um mit einem mißverständnis aufzuräumen: du beschäftigst dich mit den modi, wie sie in der popmusik verwendet werden. das hat mit den kirchentonarten zwar oberflächlich gesehen etwas zu tun, aber du kannst nicht einfach alles übernehmen.

Also angenommen der Bass spielt ein E. […] und so weiter.

das stimmt alles.

Ok, nun gibt die Band nicht bloß den geschlechtslosen Ton E
vor, sondern einen e-Moll-Akkord.
An den entsprechenden Modi ändert sich nichts, bloß stehen mir
in diesem Fall nicht mehr sieben Tonarten zur Auswahl, sondern
nur noch drei, nämlich C-, D- und G-Dur. Alles andere klänge
unharmonisch.

auch richtig.

Wenn jetzt der Gitarrist der Band einen Riff spielt mit den
Akkorden…

Cis-Moll, E-Dur, fis-Moll
Cis-Moll, H-Dur, A-Dur

…erschließe ich: Aha, der Riff verläuft in cis-Moll oder
E-Dur.

auch richtig.

E-Dur ist die vierte Stufe von H-Dur. Heißt das also, dass ich
lydisch spiele, wenn ich in H-Dur dazu improvisiere?

ja, dann spielst du e-lydisch. ABER: das paßt zum von dir genannten riff nicht dazu (wegen dem a#).

du sagst selbst, daß das riff in E ist, also mußt du wohl oder übel E dazu spielen, etwas anderes wird nicht dazupassen (es sei denn, du änderst zu jedem akkord die tonleiter). um das zu erkennen brauchst du gar keine modi.

Was sind denn noch diese ganzen Hypo-Kirchentonleitern?

die sind für dich nicht relevant, es sei denn, du möchtest gregorianische choräle analysieren.

Und wieso wird eigentlich in manchen Büchern der lokrische
Modus nicht aufgezählt?

lokrisch ist ursprünglich nur eine theoretische spielerei gewesen, weil durch die verminderte quint eh niemand daran gedacht hätte, irgendwas lokrisches zu komponieren.

Ansonsten verstehe ich noch nicht, wie ich bestimmen kann, in
welchem Modus ein Lied steht.

bestimme die töne und den grundton, dann ist alles klar.

Zum Beispiel steht bei Wikipedia, dass >Another brick in
the wall

E-Dur wäre ionisch, F-Dur wäre lokrisch, und so weiter.

Hallo, Michael!
Das stimmt so nicht.
Du darfst bei den Kirchentonleitern nicht von Harmonien ausgehen. (Die hatte man zu ihrer Zeit auch gar nicht, die Musik war monodisch.)
Stell dir die C-Dur Tonleiter vor und bilde auf jedem ihrer Töne eine Tonleiter, OHNE Vorzeichen einzuführen. So erhältst du die Kirchentonarten. Sie unterscheiden sich durch die Lage der Halbtöne, so wie das ja auch auch bei Dur und Moll ist.
Natürlich kannst du dann über den Tönen der Leitern auch Akkorde und Kadenzen bilden. In Dorisch erhältst du dann z. B. bei der I_IV_V_I=Kadenz als Abfolge der Akkorde d-moll_G-Dur_a-moll_d-moll.
Gruß!
Hannes

Zum Beispiel steht bei Wikipedia, dass >Another brick in
the wall

Hm? Wo in dem Lied ist denn ein H?

in G-dur die terz?

H gehört nicht zur F-Dur-Tonleiter, also müsste einem dieser
konsonante Ton ja eigentlich auffallen!?

du meinst dissonant?

aber es gibt ja gar keine F-durtonleiter, denn das stück ist eben in d-dorisch. die töne von F-dur pentatonisch passen dazu, weil da eben kein h drin ist (C-dur pentatonisch würde auch gehen).

Hier dachte ich mir, es wäre ganz cool, ein tieferes
Verständnis zu erlangen.

ich kenne ehrlich gesagt niemanden, der sich über die modi ein tieferes verständnis zugelegt hat. meistens eher ein tiefes unverständnis. keine ahnung, wieso alle möglichen pop/rocker mit modi kommen (bei jazzern verstehe ich es noch irgendwie), aber ich habe wirklich noch nie erlebt, daß jemand dabei einen aha-effekt gehabt hätte.

Er meinte (so verstand ich es zumindest), das
Besondere an den Modi sei ja, dass man mit ihnen Sounds
erzielen kann, die abseits der allgemeinen Hörerwartung
liegen. Und das hat mich halt neugierig gemacht. ;o)

ja, das stimmt schon. allerdings kannst du den gleichen effekt erzielen, wenn du einfach überlegst, welche anderen tonleitern außer der, die du grad spielst, noch zu diesem akkord passen würden. meistens passen ja durchaus mehrere.

Hm? Wo in dem Lied ist denn ein H?

in G-dur die terz?

Ach so, stimmt.

H gehört nicht zur F-Dur-Tonleiter, also müsste einem dieser
konsonante Ton ja eigentlich auffallen!?

du meinst dissonant?

Äh, ja, natürlich dissonant.

aber es gibt ja gar keine F-durtonleiter, denn das stück ist
eben in d-dorisch. die töne von F-dur pentatonisch passen
dazu, weil da eben kein h drin ist (C-dur pentatonisch würde
auch gehen).

Ahaaaa, jetzt verstehe ich. Danke!

ich kenne ehrlich gesagt niemanden, der sich über die modi ein
tieferes verständnis zugelegt hat. meistens eher ein tiefes
unverständnis. keine ahnung, wieso alle möglichen pop/rocker
mit modi kommen (bei jazzern verstehe ich es noch irgendwie),
aber ich habe wirklich noch nie erlebt, daß jemand dabei einen
aha-effekt gehabt hätte.

Na, zumindest hatte ich eben einen Aha-Effekt dank deiner obigen Analyse. ;o)
Ich dachte erst, der Wikipedia-Autor hätte sich vertan.

Er meinte (so verstand ich es zumindest), das
Besondere an den Modi sei ja, dass man mit ihnen Sounds
erzielen kann, die abseits der allgemeinen Hörerwartung
liegen. Und das hat mich halt neugierig gemacht. ;o)

ja, das stimmt schon. allerdings kannst du den gleichen effekt
erzielen, wenn du einfach überlegst, welche anderen tonleitern
außer der, die du grad spielst, noch zu diesem akkord passen
würden. meistens passen ja durchaus mehrere.

Diesen Ratschlag werde ich in Zukunft beherzigen.

Schönen Gruß, und danke für die Hilfe!