Verstehe ich das richtig?

Hallo,
gestern ist mir was aufgefallen und ich bin mir nicht so sicher, ob ich es richtig verstehe, ich habe nämlich den ganzen Tag nur mit einem halben Ohr Radio gehört.

Irgendjemand in Berlin (Bundesregierung?) hat mal wieder vorgeschlagen, dass die MwSt auf ein europäisches Mittellevel angehoben werden soll - so um fünf Prozentpunkte (höhöhö). So weit so schlecht. Mit den Mehreinnahmen sollen dann die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Anschließen ließ man verlauten, dass die Schwarzarbeit verstärkt bekämpft werden soll. Auch klar, guter Ansatz.

Was ich nicht verstehe:
Otto Normalbürger kann sich durch die hohen Stundenlöhe, die durch die hohen Lohnnebenkosten mitverursacht werden, keinen offizellen Handwerker leisten. Muss so sein, sonst würde die Schattenwirtschaft nicht so boomen. Wenn dann durch die höhere MwSt die Lohnnebenkosten gesenkt werden, kommt es doch auch zu keinem anderen Ergebnis, oder?? Die MwSt (Vorsteuer und Umsatzsteuer) ist für jedes Unternehmen ein durchlaufender Posten, der Endverbraucher bleibt jedoch darauf sitzen.
Das heisst doch im Umkehrschluss, dass der Endverbraucher auch nicht mehr Geld hat. OK, die Handwerker werden günstiger, aber alles andere durch die 21% MwSt teuerer.

Hofft man, dass wir diesen Trick nicht durchschauen oder bin ich heute etwas blond??

Grübelnd,
Julia

Mwst! Schrecklich.
Hallo Julia,

meine persönliche Meinung ist sowieso, dass die MwSt. abgeschafft werden sollte.
Denn betrachten wir mal unser Gesellschaftssystem und die Rolle von Handel und Steuern darin:
Unser Wirtschaftssystem ist eine soziale Marktwirtschaft. Eine Marktwirtschaft basiert auf dem Prinzip des freien Handlels.

Steuern sind eine ungebundene Abgabe mit, ja, „steuerndem“ Charakter. Man will also mit der Besteuerung von Gütern und Vorgängs diese unattraktiver machen.

Nehmen wir nun diese beiden Aussagen zusammen und wenden diese auf die MwSt. an: Die MwSt., die ja jeglichen „Handel“ besteuert, macht also direkt die Grundlage unserer Wirtschaft unattraktiver! Das ist doch verrückt! Und warum das ganze: Nun gant eifach, „Handel“, als Kern unseres Witschaftsystems, hat eine nahezu vollkommen unelastische Nachfrage. D.h. die Bürger können nicht auf andere Arten des Austausches ausweichen, somit ist die MwSt. eine der sichersten Steuern überhaupt (nur eine „Luftsteuer“ oder eine „Erdabnutzungssteuer“ wären noch sicherer, da diese (mittelfristig) eine vollkommen unelastische Nachfrage hätten) .

Grüße,

Anwar

Hallo,

Otto Normalbürger kann sich durch die hohen Stundenlöhe, die
durch die hohen Lohnnebenkosten mitverursacht werden, keinen
offizellen Handwerker leisten. Muss so sein, sonst würde die
Schattenwirtschaft nicht so boomen.

andere Sichtweise: Als VW die 4 Tage-Woche einführte, brach in und um Wolfsburg kurz danach Panik unter den Handwerkern aus. Grund war ein massiver Auftragseinbruch. Da wir davon ausgehen können, daß sich die Bausubstanz in Niedersachsen nicht schlagartig verbessert hat und die Menschen Feuchtgebiete im Wohnzimmer und kaputte Scheiben nicht als neues Lebensgefühl entdeckt haben, bleibt die Schlußfolgerung, daß sich da ein paar tausend handwerklich begabte VW-Mitarbeiter an ihrem zusätzlichen freien Tag einen lukrativen - weil unversteuerten und nicht durch Sozialabgaben belasteten - Zeitvertreib gesucht haben.

Der entscheidende Faktor bei der Schwarzarbeit ist m.E., daß der Unterschied zwischen schwarz und legal inzwischen so groß geworden ist, daß immer mehr Menschen dazu bereit sind, ernsthafte Strafen in Kauf zu nehmen.

Gruß,
Christian

Mwst! Schrecklich.
Hi Anwar,
Hmm, deine Idee hat mich noch nachdenklicher gemacht. Machen wir uns mal nichts vor, so häufig, wie das Thema MwSt-Erhöhung in der letzten Zeit aufgekommen und dementiert worden ist, passiert da demnächst was.
Eine Erhöhung um 5 Prozentpunkte wäre natürlich extrem, tatsächlich läge die Erhöhung um die 31%!! Was passiert dann?? Der Endverbraucher der momentan eh nichts kauft, was nicht unbedingt benötigt wird, kauft noch weniger. Ein Horror-Szenario das jedem Einzelhändler das Essen im Hals stecken lässt. Folge ist, dass noch mehr Einzelhändler insolvent werden und die Arbeitslosenzahlen steigen, sofern man nicht wieder eine neue Statistik erfindet. Steigen die Arbeitslosenzahlen, steigt auch der Beitrag zu den Sozialversicherungen, die ja auf Solidarität gegeüber anderen ausgelegt sind. Selbst wenn das alles ausbleibt (Wunder soll es ja immer mal wieder geben), durch die extreme Konsumverweigerung würde mE die Schattenwirtschaft noch mehr boomen. Auch wenn jetzt viele der Zöllner in die Kontrolle der Schwarzarbeit gehen, es kann gar nicht reichen.
Fazit: So schön das alles für sich auf dem Papier ausschaut, ich glaube nicht, dass man hiermit die Wirtschaft ankurbeln kann.
Ich habe irgendwann im VWL-Unterricht in der Berufsschule (oder war es die Höhere Handelsschule?) gelernt, dass die Wirtschaftspolitik antizyklisch sein soll. Wo ist der Aufschwung, der mit Steuererhöhungen gebremst werden soll?? Viele Politiker sehen ihn, aber ich weiß nicht wo er herkommen soll? Aus der Flasche wie ein guter Geist? Auch wenn man für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1% prognostiziert, wie verträgt sich das mit den horrenden Steuerausfällen? Im Grunde läuft alles auf die eine Frage hinaus: Ist nicht jetzt der richtige Zeitpunkt, um mit Steuervergünstigungen die Wirtschaft und den Konsum zu fördern?

Es tauchen immer mehr Fragen auf…
Julia

PS: Warum traut sich kein Politiker, mal das Wort Steuersenkung in den Mund zu nehmen??

Nur mal zur Info
Praktisch alle „pseudosozialistischen Länder“ des Nordens haben deutlich höhere Wehrmachstssteuersätze.

http://edv.kla5.de/vat_table.htm

Gruß

Stefan

Hallo Julia,

nur mal so in den Raum geworfen. Vor langer Zeit hab ich mal den Begriff Elastizität gehört: Soweit ich mich erinnere, und da darf man mich gern korrigieren, geht es darum, dass, wenn man einen Preis erhöht, die Nachfrage sinkt. Sinkt die Nachfrage nur wenig, verdient man in der Summe mehr, sinkt die Nachfrage sehr stark, verdient man in der Summe weniger.

Ich vermute jetzt mal wild in den Raum. Natürlich würde die Nachfrage sinken und netto weniger gekauft werden. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass der Grundbedarf der Menschen so hoch ist, dass sie immerhin noch soviel kaufen, dass die Mehreinnahmen der Umsatzsteuer alee negativen Einflüsse aufwiegen.

Ob diese es wirklich tun, weiss ich nicht, aber das ist eine Argumentation, wie sie von den Verfechtern der Erhöhung der Umsatzsteuer kommt.

Und noch eine Frage in den Raum: Mein alter Dozent sprach immer davon, dass es gar keine Mehrwertsteuer mehr gibt, sondern nur noch eine Umsatzsteuer? Ich weiss, ich bin jetzt Haarspalter, aber gibt es den Namen Mwst wirklich nicht mehr, obwohl er alle Nase lang benutzt wird?

Gruß

ALex

Hallo,

Irgendjemand in Berlin (Bundesregierung?) hat mal wieder
vorgeschlagen, dass die MwSt auf ein europäisches Mittellevel
angehoben werden soll - so um fünf Prozentpunkte (höhöhö). So
weit so schlecht. Mit den Mehreinnahmen sollen dann die
Lohnnebenkosten gesenkt werden. Anschließen ließ man
verlauten, dass die Schwarzarbeit verstärkt bekämpft werden
soll. Auch klar, guter Ansatz.

da mußt Du Dich verhört haben: die Erhöhung der USt dient nicht der Bekämpfung der Schwarz arbeit sondern der Bekämpfung der Arbeit allgemein; denn wird die Ust um 5% erhöht, dann gibt es nur 2 Möglichkeiten mit dem selben Resultat:

1.) Die Händler reichen die 5% an die Verbraucher weiter. Damit steigen die Preise um 5% ohne, daß mehr Geld im Umlauf wäre, womit auch 5% weniger gekauft wird, somit 5% weniger nachgefragt wird, damit also auch 5% weniger produziert werden muß, was dann dazu führt, daß 5% weniger Arbeiter gebraucht werden.

2.) Die Preise bleiben gleich und der Einzelhandel trägt die Erhöhung selber. Das würde dann dazu führen, daß die Hälfte der kleinen Läden sofort Konkurs anmelden kann, der Rest etwas später.

Von mir aus kann man die USt ersatzlos streichen. Innerhalb der Wirtschaft wird der entsprechende Betrag ohnehin vom einen zum anderen weitergereicht und vom Finanzamt zurückgeholt und am Ende bleibt es am Verbraucher kleben. Bis es dann soweit ist, hat der Betrag aber bereits ein Vielfaches seines Wertes an Verwaltungsaufwand vernichtet.

viele Grüße,

Ralf

Servus Julia,

Wieso sollte ich die Leistung eines Handwerkers (die eh zu teuer sind) auch noch mit 5% Mehrkosten bezahlen, wenn ich mir einen „guten Bekannten“ gerade noch so leisten kann, der keine Mwst, verlangt?

moritzbock

OK, die Handwerker werden günstiger,

???

aber alles andere durch die 21% MwSt teuerer.

Hofft man, dass wir diesen Trick nicht durchschauen oder bin
ich heute etwas blond??

Grübelnd,
Julia

Aufklärung
Hall Alex,

ich bin mal so frei und antworte, auch wenn ich nicht julia bin. :smile:

nur mal so in den Raum geworfen. Vor langer Zeit hab ich mal
den Begriff Elastizität gehört: Soweit ich mich erinnere, und
da darf man mich gern korrigieren, geht es darum, dass, wenn
man einen Preis erhöht, die Nachfrage sinkt. Sinkt die
Nachfrage nur wenig, verdient man in der Summe mehr, sinkt die
Nachfrage sehr stark, verdient man in der Summe weniger.

Korrekt. Z.B.: Du verkaufst zehn Einheiten zum Preis von 1 Euro je Stück. Dein Umsatz beträgt (logisch) 10 Euro. Wenn Du nun den Preis erhöhst, sagen wir auf 1,5 Euro, wird die Nachfrage zurückgehen. Bei einem starken Nachfragerückgang, sagen wir auf 5 Einheiten, würdest Du nun weniger Umsatz haben (4*1,5= 6 10).
Die angenommenen Elastizitäten in den Beispielen sind -1,2 (erstes Beispiel, elasitische Nachfrage) und -0,4 (zweites Beispiel, unelstische Nachfrage). Grundnahrungsmittel und Grundversorgung (Wasser, Öl, Elektrizität) haben ein sehr geringe Elastizität, da man nur schwer auf diese Produkte verzichten kann (deshalb sind Steuern auf Benzin und Suchtstoffe (Alkohol, Tabak) so beliebt, die geringe Elastizität verspricht hohe Steuereinnahmen).

Ich vermute jetzt mal wild in den Raum. Natürlich würde die
Nachfrage sinken und netto weniger gekauft werden. Allerdings
kann ich mir vorstellen, dass der Grundbedarf der Menschen so
hoch ist, dass sie immerhin noch soviel kaufen, dass die
Mehreinnahmen der Umsatzsteuer alee negativen Einflüsse
aufwiegen.

Das ist jetzt etwas komplizierter, aber ich will mal versuchen es zu verdeutlichen: Zunächst einmal muss man zwischen den Einnahmen der Händler und den Einnahmen des Staates unterscheiden.
Die Einnahmen der Händler gehen bei einer Mehrwertsteuererhöhung immer zurück, da alles, was sie an zusätzlichen Einnahmen pro Stück haben, ja an das Finanzamt geht, die verkaufte Stückzahl aber zurückgeht. Analog zum Beispiel oben, wäre das so, als ob man das Produkt zwar 50 Cent teurer macht, aber die zusätzlichen Einnahmen nicht behalten dürfte.
Dann gibt es die Einnahmen des Finanzamts. im ungüstigen Fall, der relativ unwahrscheinlich ist, soviel sei gesagt, geht durch die zusätzliche Besteuerung der Konsum soweit zurück, dass die Mehrwertsteuereinnahmen trotz Erhöhung geringer werden. Im günstigeren Fall steigen die Einnahmen des Finanzamtes, jedoch immer um weniger Prozent, als die Steuererhöhung.
Was jedoch, angesichts unserer lahmenden Wirtschaft und der sinkenden/stagnierenden Realeinkommen relevant ist: Der Wirtschaft und den Haushalten wird Geld entzogen, das dem Staat zugeführt wird.

Und noch eine Frage in den Raum: Mein alter Dozent sprach
immer davon, dass es gar keine Mehrwertsteuer mehr gibt,
sondern nur noch eine Umsatzsteuer? Ich weiss, ich bin jetzt
Haarspalter, aber gibt es den Namen Mwst wirklich nicht mehr,
obwohl er alle Nase lang benutzt wird?

Hier bringst Du ein wenig was durcheinander. Eine Mehrwertsteuer besteuert nur den Mehrwert, den Du erhälst, während eine Umsatzsteuer Deinen kompletten Umsatz besteuert.
Hierzu ein Beispiel (einfach drüberweglesen, wenn Dir das klar ist): Du kaufst Waren zum Bruttopreis (also ohne Steuer) von 116 Euro. Davon sind (im moment noch) 16 Euro Steuer. Du verkaufst diese Waren zum Preis von 232 Euro, davon sind 32 Euro Steuer. Bei einer Umsatzsteuer müsstest Du nun die vollen 32 Euro an den Staat abführen, bei einer Mehrwertsteuer kannst Du die bereits beim Einkauf geleisteten 16 Euro abziehen (Vorsteuer) und musst nur 16 Euro an das Finanzamt bezahlen.
In Deutschland wird eine Mehrwertsteuer erhoben, dass zugehörige Gesetz heißt jedoch Umsatzsteuergesetz. Paradox, aber so ist es.

Grüße,

Anwar

Umsatz- vs. Mehrwertsteuer
Moin,

In Deutschland wird eine Mehrwertsteuer erhoben, dass
zugehörige Gesetz heißt jedoch Umsatzsteuergesetz. Paradox,
aber so ist es.

das liegt daran, daß wir eine Umsatzbesteuerung inkl. Absetzbarkeit gezahlter Umsatzsteuer haben. Also faktisch eine Mehrwertsteuer, technisch gesehen eine Umsatzsteuer.

M.W. funktioniert das aber überall so, aber das muß nicht stimmen.

Gruß,
Christian

Moin Christian,

das liegt daran, daß wir eine Umsatzbesteuerung inkl.
Absetzbarkeit gezahlter Umsatzsteuer haben. Also faktisch eine
Mehrwertsteuer, technisch gesehen eine Umsatzsteuer.

M.W. funktioniert das aber überall so, aber das muß nicht
stimmen.

Es ist ja auch technisch das einfachste Modell, es so zu realisieren (mir fällt jedenfalls jetzt kein einfacheres ein), außerdem hat es den Vorteil (für den Staat), dass ein Großteil der Vorsteuer beim Finanzamt zwischengelagert wird.
Eine „wirkliche“ Umsatzsteuer wäre wohl der Tod für viele finanzintensive Geschäftsbereiche. Ich wollte aber schon immer mal Durchrechnen, wo der Umsatzsteuersatz liegen müsste, wenn dies die einzige Steuer (also auch als Ersatz für Lohnsteuer etc.) wäre.

Grüße,

Anwar

hi,

die ust muss aufkommensneutral geaendert werden. man kann wohl leicht ausrechnen, wieviel USt insgesamt in den laden kommt.

m.E. müssen existenzielle güter/leistungen für den bürger auch für die umsatzsteuer befreit werden. also nicht nur die wohnung und der arzt, sondern vorrangig auch lebensmittel, trinkwasser, medikamente, ÖPNV, strom, gas fürs eigenheim. einen mittelsatz wie jetzt die 7% kann man für strukturschwache sortimente beibehalten (als subvention, aber auf zeit). der normale ust-satz wird dann auf das niveau angehoben, dass die nullsetzung von oben ausgeglichen wird.

effekt: es kommt mal zu einem wirklichen umbau für die unterschicht, denn es ist wohl leicht verständlich, dass ein arbeitsloser, rentner oder kinderreicher familienvater in % viel mehr geld vom einkommen für diese waren/leistungen ausgibt als für waren die dann meinet wegen 20% ust kosten.

im übrigen hat die tante simonis aus SH ein solches konzept m.E. in den bundesrat gebracht… mal sehen was wird.

mfg vom

showbee