Verteilung von Flüchtlingen

Mein Bruder wohnt mit unserer Mutter in unserem riesigen Elternhaus etwas ländlich (ich lebe mit meiner Familie in der anderen Ecke Deutschlands). Dort gibt es eine schöne große und leerstehende Einliegerwohnung.
Jetzt hat mein Bruder die Wohnung den Behörden gemeldet als Unterkunft für eine Flüchtlingsfamilie. Ergebnis: In die ganze Region werden doch 3 (drei - DREI) Flüchtlinge geschickt, obwohl das einer der Speckgürtel Deutschlands ist (um Stuttgart).

Bei uns hier kommen 2000 Flüchtlinge auf 60.000 EW!!!

Kann ich denn evtl. hier eine Familie aussuchen, die dann dort runter geschickt wird? Müsste halt passen, weil meine Mama schon recht alt ist. Die Familie müsste englisch können - idealer Weise Akademiker. Meine Ma ist zwar noch körperlich und geistig fit, aber halt nicht mehr so flexibel und legt schon Wert auf kultivierte „Gäste“ …

Hallo,

Wo genau siehst Du da den Widerspruch?

Aussuchen vielleicht, runterschicken eher nicht. Der Empfängerkreis wird dankend ablehnen, auch nur einen Flüchtling über die vorhandene Zuteilung hinaus aufzunehmen. Aber vielleicht gibt es ja bald mal eine Asylbewerber/Flüchtlingstauschzentrale, damit das für die betroffenen Bundesländer und Kommunen nicht zu zusätzlichen Bereicherungen führt.
Da das dann aber in Deutschland stattfindet, wird natürlich jede Kommune mitmischen wollen, welche abgegeben und welche dafür im Tausch aufgenommen werden sollen. Das wird sich nicht immer decken.
Oder einfach mal eine Anzeige in der lokalen Presse schalten. In einem der Speckgürtel sollte doch möglich sein auch so eine Wohnung zu vermieten. Man muss da ja nicht explizit den Wunsch äußern, eine Asylbewerberfamilie aufzunehmen. Wenn doch, dann unbedingt vorher den Versicherungsschutz überprüfen und ggf. anpassen.

Grüße

Finanziell haben sie es nicht nötig die Wohnung zu vermieten und es gibt dort auch ein Überangebot an Wohnraum. Sie würden es aus reiner Hilfsbereitschaft machen.

Hallo!

Irgendwas erscheint nicht stimmig, denn weiter unten erwähnst Du:

Speckgürtel und Überangebot an Wohnraum geht nicht zusammen. Ein Überangebot an Wohnraum lasst auf Abwanderung schließen, i. d. R. aufgrund fehlender Arbeitsplätze.

U. a. in einigen Harz-Gemeinden, in Mecklenburg-Vorpommern, in Sachsen-Anhalt und Brandenburg gibt es viel ungenutzten Wohnraum. So gab es erst Anfang des Monats einen von interessierten Juristen initiierten und gescheiterten Volksentscheid gegen die Gerichtsstrukturreform, die Schließung von Gerichtsstandorten vorsieht. Die Reform wird durchgezogen und ist nötig, weil M-V mit Ausnahme weniger Orte flächendeckend Einwohner verliert - in den letzten 10 Jahren etwa 200.000 Menschen. Mittlerweile hat das riesige Land weniger Einwohner als der Stadtstaat Hamburg und der Trend ist ungebrochen. Die Idee, den Leerstand zur Unterbringung von Flüchtlingen zu nutzen, ist nicht neu. Aber: Die Ansiedlung von Flüchtlingen in solchen Gegenden kommt der Verurteilung zu dauerhafter Arbeitslosigkeit gleich.

Eigene Beobachtung: 2002 gab es im Nachbardorf eine Bank, einen Raiffeisenmarkt, einen Lebensmittelladen, 2 Restaurants, ein Café, einen Bäcker, einen Frisör und 2 Zigarettenautomaten. 2015 gibt es noch den Raiffeisenmarkt und der hat gerade seine Öffnungszeiten auf 3 Tage pro Woche reduziert. Alles andere verschwand im Laufe weniger Jahre, sogar die Zigarettenautomaten. Der gesamte öffentliche Nachverkehr bei uns im Dorf beschränkt sich auf einen Schulbus, der außerhalb der Schulferien einmal in der Früh und einmal am Nachmittag im Dorf hält. Natürlich gibt es auch noch einige Handwerker, die Kleinstbetriebe alleine oder mit ein, zwei Angestellten betreiben sowie landwirtschaftliche Betriebe, die mit wenigen Leuten etliche Quadratkilometer bewirtschaften. Die Mähdrescher fahren GPS-gesteuert, begleitet von unbemannten Zugmaschinen mit Anhängern. Kuhställe sind rechnergesteuert, während einige Hobbylandwirte jeweils einige Tiere seltener Rassen aus Spaß an der Freud halten.

Ein paar Kilometer weiter bietet sich ein ganz anderes Bild. Keine Mähdrescher, dafür Apfelplantagen so weit das Auge reicht. Die Ernte wird von Ernteautomaten erledigt. Die Größe der Bäume, ihre Abstände und der Abstand zwischen den Reihen ist genau passend für die Erntemaschinen angelegt.

Bis zur Wende wurden in der Milchviehhaltung, für den Ackerbau und auf den Obstplantagen massenhaft Menschen beschäftigt. In jedem noch so kleinen Dorf gab es Arbeitsplätze ohne Ende. Betriebswirtschafte Kriterien nach heutigen Vorstellungen spielten keine Rolle, es gab sie gar nicht. Nachdem das ruinöse Spiel mit der politischen Wende sein Ende fand, waren die Arbeitsplätze beinahe schlagartig weg. Gewerbestrukturen aus einem selbständigen Mittelstand wurden in den Jahrzehnten zuvor gezielt kaputt gemacht. Wollten die Menschen nicht dauerhaft arbeitslos bleiben, mussten sie gen Westen ziehen. Das taten sie denn auch und die Völkerwanderung - inzwischen Millionen Menschen - hält bis heute an. Zwar siedelte sich unter Mitnahme von Subventionen der eine oder andere Massenhersteller an, aber einen Ersatz für den Generationen dauernden Aufbau eines flächendeckenden Mittelstands können die vereinzelten Ansiedlungen nicht bieten. So stehen viele der nach der Wende in Goldgräberstimmung angelegten Gewerbeparks leer. In der erwähnten Gemeinde, wo sogar die Zigarettenautomaten abgebaut wurden, ist die einst für den Gewerbepark gebaute Kläranlage stillgelegt. Die Fläche des Gewerbeparks dient heute einer Solaranlage.

All das sollte man sich vor Augen führen, sobald jemand auf die Idee kommt, leere Steinhaufen und Betonkästen im Osten (oder in anderen strukturschwachen Gebieten) für den geeigneten Ort zur Unterbringung von Flüchtlingen zu halten. Es sei denn, jemand ist scharf darauf, sich eine unbeherrschbare soziale Bombe vom Feinsten zu legen. Jeder einzelne Zuzug, mit dem nicht gleichzeitig die Schaffung dauerhafter Arbeitsplätze einher geht, verschärft das bereits bestehende Problem der Arbeitslosigkeit.

Ich schreibe so ausführlich, weil die von Dir geäußerte Idee auch zuweilen von Politikern geäußert wird. So kam Ähnliches vom Bürgermeister Goslars. In Goslar gibt es hohen Wohnungsleerstand. Kein Problem, dort Flüchtlinge unterzubringen. Aber dann hätte man lauter chancenlose Menschen in der Dauerarbeitslosigkeit und der Bürgermeister wird sich angesichts der dann auf die Kommune zukommenden Lasten herzlich bedanken. Die zusätzlichen Menschen werden den ohnehin überforderten Arbeitsmarkt der Region weiter belasten, werden das Lohnniveau und die Steuereinnahmen senken. Die Kommune muss sich um Gewerbeansiedlung kümmern (tunlichst ohne anderweitig Gewerbe abzuziehen). Parallel dazu kann/muss man sich um den Zuzug der für das Gewerbe benötigten Arbeitskräfte kümmern, soweit aus der ortsansässigen Bevölkerung mit vielen Arbeitslosen keine geeigneten Arbeitskräfte zu gewinnen sind.

Kommunen könnten günstige Flächen/Räume für Existenzgründer anbieten. Die Zuteilung könnte in Zusammenarbeit mit Handels- und Handwerkskammer sowie Banken mit entsprechender Kompetenz an bestimmte kaufmännische Mindeststandards, Qualifikationen und Geschäftsmodelle geknüpft sein. Man braucht viele wirtschaftliche Kristallisationspunkte und das eine oder andere Jahrzehnt Geduld, bis solche Bemühungen einen messbaren Erfolg bringen. Zuvor sollte man sich in Gewerbegebieten im Osten mit eigenen Augen angucken, wo etwas in geeigneten Bahnen lief und wo man Dünnbrettbohrern, Fördergeldabgreifern und Blendern aufsaß.

Manche Leute reden bei Zuwanderung von Chancen. Mag sich im Einzelfall tatsächlich positiv entwickeln. Verpflanzt man aber Menschen in Regionen ohne geeignete wirtschaftliche Infrastruktur, handelt man wie ein Gärtner, der am dauernd im Schatten liegenden Nordhang Wein gedeihen lassen will - aussichtslose Mühe.

Gruß
Wolfgang

Nicht wirklich! Dort ist es eben so, das die Leute aufs Land ziehen, weil sie dort - trotz hoher Baulandpreise - ein Häusle bauen. Wohnungen (vor allem Einliegerwohnungen wo früher die Oma gewohnt hat) gibt es genug, denn die typischen Wohnungsmieter wohnen lieber näher an den Zentren.

Hallo!

Ja, die gibt es überall. Und Kellerlöcher. Und Gartenhäuschen. Alles schwer bis gar nicht vermietbar. So wittern manche Leute Morgenluft, wollen angeblich Flüchtlingen helfen, tatsächlich aber endlich Buden loswerden, die nicht vernünftig beheizbar und nicht ausreichend von der Hauptwohnung getrennt sind. Am besten für teuer Geld von der Gemeinde bezahlt, selbstredend nur an Akademiker mit einwandfreien Deutschkenntnissen und der Bereitschaft, die Hecke zu schneiden und den Winterdienst zu übernehmen.

Derzeit werden viele Hauseigentümer durch marode Objekte schlurfen, deren Vermietung sie aufgrund unzumutbaren baulichen Zustands mit jahrzehntelangem Reparaturstau aufgaben. Vielleicht zahlt ja die Kommune die Sanierung … aber wenigstens käme man zu Bewohnern, deren hoffnungslos überzogene Miete die Gemeinde zahlt und wo niemand mit Mietminderung droht. Natürlich hat man Vermietung gar nicht nötig, man will ja nur helfen.

Das fällt in eine ähnliche Kategorie wie manche Arbeitgeber, die öffentlich kundtun, Flüchtlingen Arbeit zu geben, dabei aber verschweigen, die Situation zu nutzen, den branchenüblichen Lohn heftig zu senken.

Wenn wir nicht aufpassen, brechen für Lohndrücker, Kellerloch- und Dachkammervermieter goldene Zeiten an.

Gruß
Wolfgang

Dagegen muss ich mich - zumindest in unserem persönlichen Fall - absolut verwahren!

Das ist ein Einliegerwohnung im OG eines Einfamilienhauses, die trotz Nichtnutzung beheizt werden muss, damit das Haus nicht auskühlt! Abgesehen davon schaut sich das Ausländeramt die Wohnung an und legt dann eine Miete fest - die man auch ausschlagen kann (was in unserem Fall sogar nicht unmöglich ist, dann durch eine solche Einnahme wäre meine Mutter vermutlich steuerpflichtig und hätte dann Netto weniger als derzeit nur über die - sehr gute - Rente ohne Steuerpflicht).

Es mag solche Fälle geben, wie von dir berichtet, aber man sollte hier nicht jedem eine Abzockermentalität vorhalten.

Hallo,
tja, herzlich willkommen in einer kranken Republik!

Die Verteilung der Flüchtlinge geht nach dem sog. Königsteiner Schlüssel. Der setzt sich zusammen aus Bevölkerungsgröße und Steueraufkommen. Der eigentlich für den Länderfinanzausgleich erfundene Schlüssel wird seit mehreren Jahrzehnten für alles mögliche mißbraucht und mittlerweile nicht nur für die Flüchtlingsverteilung bis auf Kommunen „heruntergebrochen“.

Das ist eine völlig kranke Rechnerei! Du hast schon bemerkt, dass so etwas wie Größe des Landkreises hier keine Rolle spielt. Ebenso wenig spielen bereits vorhandener Migrationsanteil, Altersstruktur oder Herkunft des Steueraufkommens eine Rolle.

Die haarsträubenden Folgen dieses Schwachsinns kannst Du gerade im Ruhrgebiet formvollendet mitbekommen (bzw. wenn Du dort lebst, ausbaden…): In bevölkerungsstarke kreisfreie Städte werden Massen von Menschen hineingepfercht, während das „platte Land“ gerade mal einen Bruchteil aufnehmen muss.

Aber zu Deiner Frage: Du kannst jeden Menschen aufnehmen, der eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis hat! Es ist ein Trugschluss zu denken, dass das „von der Behörde“ geregelt wird. Die hat noch viel zu viel mit der Erstaufnahme zu tun, um sich um so „langweilige“ Dinge wie dauerhafte Unterkunft zu kümmern. In NRW gibt es jetzt schon die ersten Überlegungen, als Neubausiedlungen festgesetzte Bebaungspläne in sozialen Wohnungsbau umzuwidmen und sehr schnell mit Fördermitteln regelrechte „Ghettos“ zu bauen, weil man erkannt hat, dass der Wohnungsmarkt nicht einmal ansatzweise genügend bezahlbaren Wohnraum bietet. Die Willkommenskultur endet am Container!

Gruß vom
Schnabel