Hallo Klaus,
obwohl Anjas Erläuterung eigentlich nichts hinzuzufügen ist, trotzdem noch ein paar Krümelchen:
Aus der Zeit, als die frz. Revolution die Errungenschaft der unverletzlichen Wohnung gebracht hatte, unterscheiden unsre Nachbarn bis heute noch ziemlich subtil eine ganze Latte von Einladungsritualen:
Einladung zum Essen hat klassischerweise etwas mit dem heimischen Herd zu tun, ist also unter Anbetracht der selbst durch die Herren des Morgengrauens von 18 - 6 Uhr unverletzlichen Wohnung bereits etwas sehr Intimes (neinnein, die Gattin des Einladenden ist dennoch nicht inbegriffen!).
Die einfachste und am wenigsten intime Einladung ist der Apéro. Der findet in dem Land, welches wegen mangelhafter Organisation lange arbeitet und spät isst, quasi öffentlich unter Kollegen, Kumpels, Habitués statt. Ein Deutscher, der bei einer Einladung zum Apéritif dann auch gleich zum Essen bleibt, wird am Tisch zwar geduldet, aber man rechnet ob diesen indiskreten Vorstosses damit, dass er demnächst per StuKa oder Panzerspähwagen wiederkommt.
Wenn man zwischen diesen beiden Extremen jemandem mehr als die nicht sehr ausgeprägte Ehre des Apéro und weniger als die schon intime Annäherung des gemeinsamen Essens (vgl. Asterix, „Die Trabantenstadt“) antun will, kommt dabei der Vin d’Honneur heraus.
Also eine schon weit gehende Respektsbezeugung, die aber nicht in Mauschelei unter Kumpels hinausläuft. Fühle Dich geehrt durch den Sachverhalt, dass der Vin d’Honneur die einzige gesellschaftlich anerkannte Chance ist, an der Öffentlichkeit Wein zu trinken, ohne dabei zu essen. Auf die die romanisch/katholischen Spiegeltrinker alle scharf sind, aber sie dürfen halt nicht.
Die widersprüchliche Situation dürfte Dir aus dem Rheinischen Katholizismus bekannt sein: Also - Contenance bewahren, keine Intimitäten, aber im übrigen herzliche Freundschaft zeigen.
Wat eene Driss…!
Mach et jood
MM