Violinkonzert-Frage

Guten Tag!
Folgendes trug sich diese Woche zu: ein Kollege schenkte mir das Violinkonzert in e-moll von Mendelssohn-Barholdy auf Schallplatte, welches mir gut gefiel.

Nun war es so, daß ich mir bei „komplizierteren“ Werken wie Symphonien, Klavier, Violin und sonstigen Konzerten gerne informiere darüber, wie der Ablauf des Stückes ist. Das habe ich dann auch gemacht, nämlich auf Wikipedia diese Beschreibung gefunden:

http://de.wikipedia.org/wiki/Violinkonzert_e-Moll_(M…

Sie gefällt mir sehr gut! Es wird der Ablauf beschrieben, was in welchem Satz vorkommt, es wird erläutert, wie es anfängt, wann ein neues Thema kommt, wann es verarbeitet wird, und auch andere wichtige Sachen. Speziell beim Mithören hat es mir Spaß gemacht, diese Beschreibung zu lesen während man das Stück verfolgt, und es ein bißchen besser zu begreifen, um das mal so zu sagen.
Das gleiche wollte ich auch mit einem Flötenkonzert von Mozart machen, das ich auf Platte habe, und habe wieder auf Wikipedia gesucht – leider war dort nur das in C-Dur vertreten, das, das ich habe, wurde nicht beschrieben.

Es gibt zwar noch die Seite www.allmusic.com, auf der es auch schöne Erklärungen gibt, allerdings sind die auf Englisch, und da verbringe ich meistens mehr Zeit damit, einzelne Wörter, Fachbegriffe zu übersetzen, was das Mitlesen beim Hören doch sehr beeinträchtigt.
Nun meine Frage: gibt es vielleicht andere Seiten, außer Wikipedia, in der Werke, und zwar nicht nur die bekanntesten, sondern auch kleinere, beschrieben werden in der Art wie in meinem Beispiel auf Wikipedia?

Und noch eine kleine Nebenfrage: zeugt es von „Dummheit“ oder wenig musikalischem Verständnis, wenn man beim ersten, oder zweiten Mal hören einer Symphonie oder eines Konzertes das Haupt- und das Seitenthema beispielsweise nicht sofort als solche erkennt? Oder „muß“ man das sofort erkennen und genau wie in der Beschreibung sagen können „Aha, das ist jetzt das Hauptthema, jetzt wird es variiert, jetzt spielen es nur die Streicher, jetzt nur die Bläser, und jetzt kommt das Seitenthema, und jetzt wird gleichzeitig das Seitenthema kontrapunktisch verarbeitet“ etc.?

LG, Stefan

Nun meine Frage: gibt es vielleicht andere Seiten, außer
Wikipedia, in der Werke, und zwar nicht nur die bekanntesten,
sondern auch kleinere, beschrieben werden in der Art wie in
meinem Beispiel auf Wikipedia?

weiß ich nicht, glaube ich fast nicht. es ist ja arbeit, solche beschreibungen zu erstellen, und wer soll die finanzieren? auch ein traditioneller konzertführer aus papier und druckerschwärze enthält nicht jedes unbedeutende werk (wobei natürlich die bedeutung oft sehr subjektiv ist). es gibt hin und wieder großprojekte, wie zb. dieses jahr zum haydn-gedenkjahr, die beschäftigen sich aber dann immer nur mit einem komponisten.

in der englischen wikipedia stehen jedenfalls deutlich mehr werke beschrieben, aber da hast du dann vermutlich wieder das problem mit der sprache. abhilfe könnte allerdings schaffen, wenn du die englischen beschreibungen schon im vorfeld durchliest, die vokabeln raussuchst und dann erst das werk hörst…

Und noch eine kleine Nebenfrage: zeugt es von „Dummheit“ oder
wenig musikalischem Verständnis, wenn man beim ersten, oder
zweiten Mal hören einer Symphonie oder eines Konzertes das
Haupt- und das Seitenthema beispielsweise nicht sofort als
solche erkennt?

nein. auch das muß man lernen, und es ist nicht immer ganz eindeutig, worauf man dabei hören muß. haupt- und seitenthema bestehen ja nicht selten aus mehreren unterschiedlichen motiven, und wo genau die grenze ist, erkennt man oft erst nach ein paarmal hören. allerdings geht es beim formenhören weniger darum, daß man genau die grenzen zwischen haupt- und seitenthema erkennt, sondern daß man die beiden auch in der durchführung und in der reprise wiedererkennt und dadurch eine orientierung hat, wo man sich im satz befindet.

jetzt wird es variiert, jetzt spielen es nur die
Streicher, jetzt nur die Bläser, und jetzt kommt das
Seitenthema, und jetzt wird gleichzeitig das Seitenthema
kontrapunktisch verarbeitet“ etc.?

das sind dinge, die insgesamt helfen, sich im großen ganzen wiederzufinden. ob gerade die streicher oder die bläser spielen, ist wohl relativ einfach zu erkennen, und wenn man die begriffe variation und kontrapunkt kennt und verstanden hat, kann man auch solche dinge relativ einfach wiedererkennen. natürlich ist es nicht schlimm, wenn man es nicht tut, aber wenn man es schon seit jahren versucht, hat man vielleicht den anspruch und ärgert sich. in diesem fall fehlt es vielleicht am genauen verständnis der begrifflichkeit.

was sicherlich interessant sein könnte, wäre das mitlesen der noten. das erfordert natürlich, daß man zugriff auf das notenmaterial hat, was trotz internet leider nicht immer ganz einfach ist. ich empfehle diesbezüglich http://www.haydn107.com, da sind alle haydn-symphonien mit noten, beschreibung und drei verschiedenen aufnahmen drauf.

Hallo Stefan,
welches Flötenkonzert von Mozart suchst du denn? Es gibt in der Tat im Internet eine ganze Reihe von Möglichkeiten, Noten (Klavierauszüge, Partituren, Einzelstimmen usw.) downzuloaden. Viele dieser Downloads, v.a. wenn es sich um Komponisten handelt, die mehr als 70 Jahre tot sind, sind kostenlos. Man muss nur wissen, wie man das googelt.
Beispielsweise habe ich auf Anhieb folgedes Flötenkonzert gefunden:
http://imslp.info/files/imglnks/usimg/9/9c/IMSLP1659…
Vielleicht ist es ja das, was du suchst.
Gib mal bei Googla ein: „partituren download“. Gleich der erste Link ist z.B. ein guter Startpunkt. Auch hilft „scores download“. Oder du schaust in die Linksammlung einer Komponistenseite bei Wikipedia. Dort sind oft Hinweise auf Noten-Downloads.
Im übrigen würde ich dir empfehlen, eine naheliegende Stadtbibliothek aufzusuchen. Wir hier in Lübeck sind da beispielsweise bestens sortiert, und ich kann zwischen Partitur und Klavierauszug wählen. Und hab obendrein noch Bücher über das Werk.
Zum Problem der Formerkennung: Natürlich wird es ein Laie in der Regel schwer haben, beispielsweise bei einer Sonatenhauptsatzform das 2. Thema zu erkennen oder die Reprise zu orten. Dazu gehört nicht nur Übung („das kann man lernen…“), sondern auch ein Schuss sensibles Hören. Vieles erschließt sich, wenn man einen Sinfoniesatz ganz intensiv hört, mehrmals hört. Das Mitlesen der Noten lenkt, wenn man Laie ist, nur ab. Wenn schon, dann erst beim 5. Hören und dann möglichst erst mit einem Klavierauszug, nicht gleich die Partitur.
Und schließlich gibt es eine Reihe von kompositorischen Merkmalen, die Formeinschnitte erkennen lassen (z.B. längeres Beharren auf dominantischen Klängen, Generalpausen, plötzlicher Klangfarbenwechsel, Lautstärkewechsel usw.; im Notenbild kommen dann noch weitere Parameter hinzu).
Natürlich bringt es ganz viel, wenn man in der Lage ist, eine Partitur zur Musik zu verfolgen. Aber auch das muss „klein“ angefangen werden. Nimm beispielsweise erst einmal die „Kleine Nachtmusik“. Das lässt sich für den Anfang leichter lesen als eine Bruckner-Sinfonie. Oder bleibe erst bei Klaviersonaten.
Zur Analyse und Interpretation von Musikwerken: Wie gesagt wäre eine Bücherei der erste (und oft auch beste) Anlaufpunkt. Ansonsten gibt es auch hier ein paar Möglichkeiten, per googlen etwas brauchbares zu finden. Gib beispielsweise den Werktitel + Komponistennamen ein, und dann fügst du Begriffe hinzu wie: „Analyse“, „Interpretation“, „Musikunterricht“. Damit kommt man schon recht weit.
Und wenn du gezielt eine Analyse suchst, frage doch hier im Brett nach. Hier gibt es offenbar immer den einen oder anderen Musiklehrer, der dir ein paar Fragen gezielt beantworten könnte.
Vor allem: Viel Spaß weiterhin an der „klassischen“ Musik,
lynndinn

Auf keinen Fall!
Guten Tag, Stefan!

zeugt es von „Dummheit“ oder
wenig musikalischem Verständnis, wenn man beim ersten, oder
zweiten Mal hören einer Symphonie oder eines Konzertes das
Haupt- und das Seitenthema beispielsweise nicht sofort als
solche erkennt?

Also wie schnell man diese Strukturen erkennt hängt natürlich neben musikalischer Begabung sehr von der Erfahrung ab (auch das kann man trainieren), aber auch vom Stück. Es gibt Werke, in denen die Sonatenhauptsatzform sehr leicht herauszuhören ist und andere, in denen es schwieriger ist.

Z.B. hat Brahms gerne den Beginn eines neuen Teils etwas „verschleiert“ (es wäre ihm sonst wohl zu primitiv gewesen).

Dann ist ganz wichtig sich klar zu machen, dass (geniale) Komponisten diese Form nicht stur „angewendet“ haben, sondern mit ihr gearbeitet und sie bewusst verändert und so etwas Neues gestaltet haben. So kann sich der erfahrende Hörer schon bei Beethoven „wundern“, wenn z.B. nach der Reprise plötzlich wieder ein durchführungsartiger Teil kommt, der da eignetlich „nicht hingehört“.

Ich glaube aber, dass gute Musik geradezu dazu da ist, ganz oft gehört zu werden. Und erst nach und nach erschließen sich dann Strukturen. Das Werk „verändert“ sich dann scheinbar bei jedem Höreindruck.

Musik ist für mich kein mathematisches Rätsel, das so schnell wie möglich gelöst werden muss. Aber das darf natürlich jeder für sich selbst entscheiden.

Gruß!
Karl

Oder „muß“ man das sofort erkennen und genau

wie in der Beschreibung sagen können „Aha, das ist jetzt das
Hauptthema, jetzt wird es variiert, jetzt spielen es nur die
Streicher, jetzt nur die Bläser, und jetzt kommt das
Seitenthema, und jetzt wird gleichzeitig das Seitenthema
kontrapunktisch verarbeitet“ etc.?

LG, Stefan