Volksvertreter. Volksvertreter?

Hi.

Nicht dass ich die Demokratie in Frage stelle, aber…
Zurzeit stehen überall diese ätzenden Wahlplakate mit den Visagen der Politiker, die den Wahlkreis gewinnen wollen (via Erststimme).

Da hab ich mich gefragt, ob die wirklich (m)einen Wahlkreis vertreten.
Mal ehrlich: Habt ihr das Gefühl, dass euer Vetreter im Bundestag für euren Wahlkreis seine Stimme erhebt?
Die sind doch sowieso so gut wie nie zu sehen bzw. zu hören (im Bundestag und im TV).
Hat jemand schonmal seinen Volksvertreter im Bundestag reden sehen (mal abgesehen von prominenten Köpfen wie Gysi, Westerwelle, Merkel & Co.)???
Und wenn es zu wichtigen Abstimmungen im Bundestag kommt, herrscht ‚Fraktionszwang‘. Letzteres halte ich im Übrigen für eine Bevormundung des Abgeordnete, da er eigentlich ins Parlament gewählt wurde, um seine Meinung zu vertreten (oder eben die seines Wahlkreises), nicht aber in erster Linie die seiner Partei.

Was meint ihr?

☼ Markuss ☼

Zurzeit stehen überall diese ätzenden Wahlplakate mit den
Visagen der Politiker, die den Wahlkreis gewinnen wollen (via
Erststimme).

In der Tat. Und in diesem Wahlkampf haben die Parteien sogar fast vollständig davon abgesehen, den Wähler auf ihren Plakaten mit sachlichen Inhalten irgendwelcher Art zu belästigen. Offenbar haben die Parteien aus den Ergebnissen der Pisa-Studie zumindest insoweit ihre Schlussfolgerungen gezogen, als sie annehmen, der Wähler könne komplexere Informationen als ein zweitklassiges Fotos des örtlichen Hinterbänklers ohnehin nicht verarbeiten.

Schon aus diesem Grunde sollte man eigentlich niemanden wählen, der nur dadurch Position bezieht, dass er dem Wähler sein Paßbild unter die Nase hält. Da das aber bedauerlicherweise (fast) alle so machen, dürfte dieser Weg nicht gangbar sein …

Da hab ich mich gefragt, ob die wirklich (m)einen Wahlkreis
vertreten.
Mal ehrlich: Habt ihr das Gefühl, dass euer Vetreter im
Bundestag für euren Wahlkreis seine Stimme erhebt?

Dass das nicht so ist, liegt zum einen daran, dass die „Volksvertreter“ keine Vertreter im bürgerlich-rechtlichen Sinne sind, die einen Auftraggeber hätten, der ihnen einen genau definierten Auftrag erteilt, den sie in den Grenzen und nach Maßgabe von dessen Anweisungen auszuführen hätten. Ist er einmal gewählt, ist der Abgeordnete (eigentlich) in seinen Entscheidungen völlig frei und nur noch seinem Gewissen verpflichtet (sog. freies Mandat). Die dem Grunde nach vernünftige Idee dahinter ist die, dass aus Praktikabilitätsgründen an die Stelle der Willensbildung des Gesamtvolkes zu jeder Sachfrage die freie Willensbildung eines überschaubaren Gremiums dazu bestellter Repräsentanten (sozusagen eines verkleinerten Abbildes des Gesamtvolkes) tritt. Insofern ist die „Volksvertretung“ von der Idee her keine Stellvertretung im engen Sinne, sondern eher eine symbolische Repräsentation.

Der andere Grund ist, dass diejenigen Interessen, die als Interessen gerade eines bestimmten Wahlkreises zu erkennen sind, meist lokaler Natur sind (Erhaltung des Stadttheaters, Bau einer Ortsumgehung, usw.). Und die werden nicht auf Bundesebene verhandelt. Die Dinge dagegen, die auf Bundesebene diskutiert werden (Arbeitsmarktpolitik, Steuerrecht, usw.), betreffen mehr oder weniger alle Wahlkreise gleichermaßen. Nimmt der Abgeordnete also beispielsweise an einer Debatte über Arbeitsmarktpolitik teil, so mag sich zwar sein Heimatwahlkreis darin nicht persönlich angesprochen fühlen; dennoch nimmt der Abgeordnete dadurch letztlich auch dessen Interessen wahr, da Arbeitsmarktpolitik alle gleichermaßen betrifft.

Die sind doch sowieso so gut wie nie zu sehen bzw. zu hören
(im Bundestag und im TV).

Es genügt im Prinzip, wenn er im jeweils richtigen Moment sich im Stillen eine Überzeugung gebildet hat und die Hand hebt (oder eben nicht hebt).

Und wenn es zu wichtigen Abstimmungen im Bundestag kommt,
herrscht ‚Fraktionszwang‘. Letzteres halte ich im Übrigen für
eine Bevormundung des Abgeordnete, da er eigentlich ins
Parlament gewählt wurde, um seine Meinung zu vertreten (oder
eben die seines Wahlkreises), nicht aber in erster Linie die
seiner Partei.

Echter Fraktionszwang, der rechtliche Sanktionen vorsieht, falls der Abgeordnete nicht im Sinne der Partei abstimmt, ist nicht nur eine Bevormundung, sondern in der Regel auch verfassungswidrig, da mit dem freien Mandat unvereinbar. Der Abgeordnete könnte sich dagegen erfolgreich wehren. Aber auch ohne rechtlichen Zwang haben die Parteien „Incentives“ etabliert, die dafür sorgen, dass „ihre“ Abgeordneten „auf Linie“ bleiben. Bis zu einem gewissen Grad ist das auch durchaus sinnvoll. Denn die Parteien könnten ihre Funktion, die Meinungen und Positionen der gesellschaftlichen Interessengruppen aufzunehmen und ins Parlament zu transportieren und dort geltend zu machen, nicht mehr erfüllen, wenn nicht eine gewisse Einheitlichkeit in ihrem Stimmverhalten gewährleistet ist.

Dennoch würde ich mir wünschen, dass der ein oder andere Abgeordnete seinen Kadavergehorsam und seine Angst um sein Pöstken als Schatzmeister der Ortsgruppe Unterstraubing, um seine Position 134 auf der Landesliste oder um seine Abgeordnetenbezüge zugunsten einer etwas autonomeren Meinungsbildung nach hinten stellen könnte. Aber die meisten Menschen sind dazu wohl leider nicht gebaut …

Volksvertreter!

Hi.

Da hab ich mich gefragt, ob die wirklich (m)einen Wahlkreis
vertreten.
Mal ehrlich: Habt ihr das Gefühl, dass euer Vetreter im
Bundestag für euren Wahlkreis seine Stimme erhebt?
Die sind doch sowieso so gut wie nie zu sehen bzw. zu hören
(im Bundestag und im TV).

Hi,
ich sehe das anders. Gerade in kleineren Städten/Gemeinden wird sehr wohl darauf geachtet, was der Kandidat in der Legislaturperiode für die Heimat getan hat. Da mag er sich bundespolitisch oder gar außenpolitisch noch so profiliert haben: wenn die Umgehungsstraße nicht gebaut, das neue Unternehmen nicht angesiedelt oder der Autobahnanschluss nicht realisiert werden, nützt ihm das alles nichts. Ähnlich äußerte sich übrigens vor kurzem eine Jungpolitikerin in der „Zeit“, die jetzt eine dreiviertel Periode im BT sitzt und ganz stolz darauf war, an einem Familiengesetz maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Dann merkte sie plötzlich, dass dieses Engagement zu Hause gar nicht wahrgenommen wurde, sondern nur ihr Einsatz für die heimatlichen Probleme.
Immerhin haben die Vertreter ja regelmäßige Bürgersprechstunden. Geh doch da mal hin und frage deinen Abgeordneten konkret, was er in der letzten Zeit für dich gemacht hat :wink:
Grüße
André

.

Hallo

wenn die Umgehungsstraße nicht gebaut, das neue

Unternehmen nicht angesiedelt oder der Autobahnanschluss nicht
realisiert werden, nützt ihm das alles nichts.

genau und so kommt der Bundesverkehrwegeplan zustande. Kam mal was im Fernsehen drüber. Da brauchte eine kleine bayrische Stadt auch noch unbedingt die 4. Umgehungstrasse (3 gibts schon) damit überhaupt kein Fremder mehr durchs Städle muss. :wink:
Fazit des Berichts: mindestens 20% des Planes sind selbst in den Behördenetagen des Bundes als blanker Schmarrn eingeordnet und werden hoffentlich nie Realität!!!

LG
Mikesch

Hi.

Moin moin

Nicht dass ich die Demokratie in Frage stelle,
aber…

Zurzeit stehen überall diese ätzenden Wahlplakate mit den
Visagen der Politiker, die den Wahlkreis gewinnen wollen (via
Erststimme).

Da hab ich mich gefragt, ob die wirklich (m)einen Wahlkreis
vertreten.
Mal ehrlich: Habt ihr das Gefühl, dass euer Vetreter im
Bundestag für euren Wahlkreis seine Stimme erhebt?
Die sind doch sowieso so gut wie nie zu sehen bzw. zu hören
(im Bundestag und im TV).

Das ist allerdings eher mein Problem, da ich wenig von der lokalen Politik mitbekomme, mich also nicht entsprechend darüber informiere.

Dagegen habe ich schon noch einen einigermaßen guten Überblick über die Arbeit der Leute aus meiner alten Heimat. Und dabei stelle ich zwei Dinge fest: Zum einen machen die einiges, zum anderen ist es aber immer von Nachteil, wenn der Mensch mit dem Direktmandat nicht zur entsprechenden Bundestagsmehrheit gehört.

Hat jemand schonmal seinen Volksvertreter im Bundestag reden
sehen (mal abgesehen von prominenten Köpfen wie Gysi,
Westerwelle, Merkel & Co.)???

Das die wahre Politik nicht im Bundestag sondern in den Ausschüssen gemacht wird, ist aber schon bei Dir angekommen. Weisst Du denn, was an den Geschehnissen des Wahlkreises, in dem Du lebst, auf deinen Volksvertreter zurück zu führen sind? Wurden in letzter Zeit neue Bundesstraßen gebaut oder saniert? Gibt es Kasernen in deiner Nähe, und existieren sie noch?

Und wenn es zu wichtigen Abstimmungen im Bundestag kommt,
herrscht ‚Fraktionszwang‘. Letzteres halte ich im Übrigen für
eine Bevormundung des Abgeordnete, da er eigentlich ins
Parlament gewählt wurde, um seine Meinung zu vertreten (oder
eben die seines Wahlkreises), nicht aber in erster Linie die
seiner Partei.

So wie der ungenannte Abgeordnete aus dem Kieler Landtag, der Frau Simonis seine Stimme verweigerte?

Gruß

ALex