Vom Euro profitiert

Ich höre/lese ständig:

„Jedes Kind weiß: Deutschland hat am Stärksten vom Euro profitiert!“

Jeder, der das in Frage stellt läuft schon fast Risiko, sich als minderbemittelt zu outen?! Ich habe aber schon den Eindruck, dass es ziemlich unkritisch nachgeplappert wird, davon wird es aber mir zumindest nicht klarer?!

Wer ist denn „Deutschland“? Nehmen wir mal mich: Ende 30, abhängig beschäftigt, ca 55tsnd p.a., kinderlos. Warum habe ich vom Euro profitiert?

Bommel

Hallo Bommel,

„Jedes Kind weiß: Deutschland hat am Stärksten vom Euro
profitiert!“

Wahrscheinlich hat man eben nur Kinder von diesem „Fakt“ ueberzeugen koennen…

Jeder, der das in Frage stellt läuft schon fast Risiko, sich
als minderbemittelt zu outen?!

Jemand hat den Neoliberalismus mal mit einer Religion verglichen: Weil die Ideologie eben keiner Gegenargumentation stand halten kann tut man eben so als ob es ein Fakt waere - und wer diesen nicht erkennt und ihn deshalb hinterfragt ist eben zu dumm oder zu blind.

Wer ist denn „Deutschland“? Nehmen wir mal mich: Ende 30,
abhängig beschäftigt, ca 55tsnd p.a., kinderlos. Warum habe
ich vom Euro profitiert?

Da ich keine zweite Realitaet gibt in welchem Europa die nationalen Waehrungen behalten hat kann man natuerlich nicht mit Sicherheit sagen dass es dann besser oder schlechter gelaufen waere. Man kann jedoch in die Statistik schauen und erkennen dass der Deutsche Export zuvor auch schon staendig am Ansteigen war (http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Auss…).

Der Exportweltmeister China schafft es auch seine Waehrung niedrig zu halten um weiterhin billig exportieren zu koennen. Das haette Deutschland auch ohne den Euro hin bekommen. Ausserdem ist es fuer Deutschlands Export gar nicht so wichtig wie fuer China eine schwache Waehrung zu haben und so billiger als die Konkurrenz exportieren zu koennen da Deutschland eben keine Massenwaren sondern eher hochwertige technologische Produkte exportiert - und niemand kauft ein chinesisches Auto (falls sich deren Qualitaet nicht erhoeht) statt einen Porsche, Audi… nur weil dieses billiger ist.

Gruss

Desperado

Vielleicht arbeitest Du ja direkt in der Exportindustrie, bzw. zumindest indirekt. Indirekt tut das ja jeder. ( Sagen zumindest die, von denen die von dir zitierte These stammt ).

Und da Exportüberschüsse die einzigste Möglichkeit sind, die Massen von Arbeitswilligen überhaupt zu beschäftigen…

Ohne Euro würden wir weniger exportieren, da hätten wir so eine Massenarbeitslosigkeit wie die Länder mit Importüberschuss, wie z.B. USA , UK einige Osteuropäer. Nur weil wir soviel exportieren, haben wir praktisch keine Arbeitslosigkeit und super Wachstum, wie Länder wie China und vor allem Japan auch.

Ironiemodus aus.

55 Stunden die Woche ? Ich hoffe, Du bekommst es auch wenigstens bezahlt oder kannst sie abbummeln bei Gelegenheit.

Grüßle

Eric

Hi Eric,

deine Argumentation ist ja quasi die „Standard-Argumentation“ allerdings bin ich mir nicht so sicher, ob die auch wirklich Stand hält.

Verkürzt sagst du: kein Euro => weniger Export => Massenarbeitslosigkeit

Nun ja, da stelle ich mir dann die Frage, wie das vor dem Euro geklappt hat, da war ja auch nicht jeder zweite arbeitslos. Export kann auch sehr gut ohne einheitliche Währung funktionieren.

Aber selbst, wenn man deine Argumentation einfach mal hinnimmt ist damit noch nicht geklärt, warum Deutschland am stärksten vom Euro profitieren soll.

Was du beschreibst, wäre ja quasi nur die „Einnahmenseite“ allerdings kostet der Euro momentan auch ne ganze Menge Geld. Wenn man ehrlich sein will, müsste man das schon irgendwie gegenrechen. Das sich die Kosten aber nur schwer bist überhaupt nicht bemessen lassen, werden die gerne ganz vergessen.

Auffällig ist auch, wer die Pro-Euro-Thesen verbreitet. Pünktlich zur Diskussion um die Griechenlandhilfen veröffentlicht die kfw-Bank (staatseigen) eine Studie, wie sehr Deutschland doch vom Euro profitiert habe. Ah ja…

powerblue

Hallo,

Jeder, der das in Frage stellt läuft schon fast Risiko, sich als minderbemittelt zu outen?!

Ne, finde ich nicht. Immerhin fragt man sich oder andere.

Ich habe aber schon den Eindruck, dass es ziemlich unkritisch nachgeplappert wird, davon wird es aber mir zumindest nicht klarer?!

Das kann in der Tat sein.

Wer ist denn „Deutschland“?

Naturgemäß alle Einwohner. Deswegen wird sich die Frage für den Einzelnen anhand solcher Angaben nicht pauschal beantworten lassen.
Ich sehe da schon 20 Millionen Rentner vor mir, die sagen: Export? Arbeitsplätze? Mir doch egal, ich bekomme Rente (und die fällt schließlich vom Himmel) und umsonst krankensversichert bin ich auch noch.
Natürlich kann man nicht alles auf den Export beschränken, da nicht alle Exporte in die Euro-Zone gehen und diese Überschüsse, die uns einen relativ höheren Wohlstand ermöglichen, irgendwie auch nicht von Dauer sein können. Aber immerhin erleichtern sie den Waren- und Leistungsausstausch und man spart sich die andauernden Entgelte fürs Umrechnen und die Absicherung gegen Währungsschwankungen. Das mag in einem Land mit wenig Außenhandel wenig sein, in Deutschland ist es wahrscheinlich mehr. Schließlich importieren wir auch fast alles, was irgendwie von uns weiterver- und -bearbeitet wieder exportiert wird.
Das Problem ist wahrscheilich gegenwärtig, dass Deutschland hier in den letzten Jahren ganz besonders von Exporten in die Eurozone profitiert hat, die jedoch nur auf Pump finanziert worden waren. Jetzt fallen wir von diesen Zusatzgewinnen wieder auf Normalniveau zurück. Auch wenn diese über dem Normalniveau aus DM-Zeiten liegen, sieht jetzt jeder nur den Rückgang.

Ansonsten ist es mit den „Vorteilen“ des € wahrscheinlich so, wie mit den Vorteilen der Rechtssicherheit, Sicherheit im Allgemeinen oder der Freiheit, die wir hier genießen. Niemand nimmt sie als solche wahr und es ist schwierig sich die Unfreiheit, Rechtsunsicherheit etc. und deren Folgen vorzustellen.

Allerdings gibt es immerhin die Möglichkeit, in die Vergangenheit zu schauen. Es gab mal Zeiten ohne Geld. Da wurde Ware gegen Ware getauscht. Das war sehr umständlich und wäre es heute erst recht. Was sollte der Zahnarzt mit 300 Zentnern Kartoffeln und 40 Schweniehälften, die ihm die Bauern aus seinem Dorf im Monat für Zahnbehandlungen bezahlen? Er müsste das erstmal lagern, wofür entsprechende Räumlichkeiten vorhanden sein müssten. Dann müsste er einen Haufen Zeit investieren, damit auf den nächsten Markt zu fahren, um das dann gegen andere Waren einzutauschen. Wenn er gerade keinen findet, der etwa gegen Kartoffel oder Schweinehälften tauschen will, fährt er damit wieder heim. Iregdnwann verdirbt der Mist. Alles Kosten, die man sich heutzutage erspart und so selbstverständlich erscheinen, dass sie eben gar nicht mehr wahrgenommen werden.
Letztlich war damals jede Ware eine eigene Währung. Mit der Einführung von Geld wurde der Warenaustausch erheblich erleichtert. Insofern ist eine Währungsunion nur eine konsequente Fortführung der Einführung von Geld, soswie ja auch früher wesentlich mehr Währungen existierten (gerade in Deutschland).
Natürlich mag es auch Nachteile und Auswüchse geben, aber wo gibt es die nicht und überwiegen sie die Vorteile?

Grüße

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,8
owT

MOD: Links in Überschriften können nicht angeklickt werden. Daher:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,8

ahhh powerblue,

Du hast mich ertappt.

Ganz am Anfang meines Beitrages hätte stehen müssen

„Ironiemodus an“ !!!

( Ironiemodus aus in der Mitte des Beitrages steht nämlich ).

Man hätte, aber sicher schwer, erkennen können, dass der erste Teil meines Beitrages, der die Theorie, Deutschland hat unendlich vom Euro profitiert quasi bestätigt, fast nur ironisch gemeint war. Sry ob der mangelnden Offensichtlichkeit …

Also hier noch mal meine „wirliche“ Meinung :

  1. Die These, dass möglichst hohe Exportüberschüsse Wohlstand oder zumindest Wachtum garantieren, wird durch Länder wie Japan, das seit Jahren kaum nennenswert aus der Rezession rauskommt widerlegt. Ebenso durch Länder wie z.B. USA, die trotz hoher Importüberschüsse sowohl Wachstum als auch Arbeitslosigkeit irgendwo im internationalen Mittelfeld halten konnten in den letzten Jahren.

  2. Jeder Exportüberschuss ( = Leistungsbilanzüberschuss ) erwzingt einen Forderungsaufbau gegenüber dem Abnehmerland. Daher entsteht und vergrößert sich beständig das Risioko aus diesen Forderungen. ( Wie von dir richtig erwähnt die aktuellen „Kosten“ der ganzen Sache ).

Man könnte also sagen, Deutschland glaubte, vom Euro zu profitieren, weil der Nutzen ( Export ) so lange vor der Rechnung ( Kreditabschreibungen ) da war.

Grüßle

Eric

Der Exportweltmeister China schafft es auch seine Waehrung
niedrig zu halten um weiterhin billig exportieren zu koennen.
Das haette Deutschland auch ohne den Euro hin bekommen.

Da bin ich aber ganz anderer Meinung, schau dir nur mal die Schweiz an! Deren Franken ist in die Höhe geschossen und kaum einer kann sich mehr erlauben, in die Schweiz zu fahren oder dort einzukaufen! Genau das Selbe wäre Deutschland passiert, vielleicht sogar noch stärker. Und darunter leidet der Export natürlich gravierend.

Da bin ich aber ganz anderer Meinung, schau dir nur mal die
Schweiz an! Deren Franken ist in die Höhe geschossen und kaum
einer kann sich mehr erlauben, in die Schweiz zu fahren oder
dort einzukaufen! Genau das Selbe wäre Deutschland passiert,
vielleicht sogar noch stärker. Und darunter leidet der Export
natürlich gravierend.

Das erinnert mich an die 80er und 90er Jahre. Alle paar Jahre drohte der Weltuntergang, weil die D-Mark zu stark war. Komischerweise ist der Weltuntergang ausgeblieben und das wird auch der Fall sein, wenn Deutschland wieder eine eigene Währung einführt. Natürlich fördert eine starke Währung nicht unmittelbar den Export aber eine starke Währung verbilligt auch Einfuhren, was den inländischen Konsum steigern könnte, der dann den schwächelnden Export ausgleicht.

Mal abgesehen davon, daß das Ausland allmählich dahinterkommt, daß die Verschuldung Deutschlands auch nicht aus der Portokasse zu bezahlen ist. Daß das die Neu-Mark sonderlich beflügeln wird, wage ich zu bezweifeln.