Von der Obzönität der Frage

Hi Leute,

‚Die Erkenntnis beginnt nicht mit Wahrnehmungen oder Beobachtungen oder der Sammlung von Daten oder von Tatsachen, sondern sie beginnt mit Problemen. Keine Wissen ohne Probleme - aber auch kein Problem ohne Wissen.‘ Karl Popper, Auf der Suche nach einer besseren Welt, S. 80

Bis jetzt bin ich davon ausgegangen, das die Frage, das WissenWollen die Voraussetzung für Erkenntnis ist. Die Frage die Idee des zu bildenden Begriffes unterstützt. Nun habe ich das Buch „Warum? - Von der Obzönität der Frage“ von A. R. Bodenheimer angefangen. Er ist Psychotherapeut und schließt unter anderen:

‚Das Fragen kommt […] nicht vom WissenWollen, sondern aus dem Wissen des Nichtwissenkönnens. Und dorthin führt es am Ende auch wieder zurück. Es kann weder zufriedenstellen noch befriedigt werden. Wissen, so meine ich, kommt nicht aus dem Fragen‘. S. 182

Er sagt: ‚Fragen hebt das Selbstbewusstsein auf‘, S.35 Das Bewusst-Sein wird in Frage gestellt und ist sich seiner Meinung nach nicht sicher. Durch die Frage wird kein sich-selbst Bewusst-Sein bereitstellt, welches zum Wissen führen kann.

Ich lese zum Spaß philosophische Literatur und geniesse das Denken wie das Essen von Kartoffelchips oder einen guten Wein - Ich bin kein Profi.

Gerne wüsste ich ob ihr das Buch kennt bzw. was ihr zu diesen Statements sagt. Mich verwirren sie extrem. Den wenn das Fragen „Obzön“ ist, wie kommt der Mensch dann zur Erkenntnis?

Ehh, sorry für die Fragen! Aber anders kann ich es nicht formulieren. Seiner Meinung nach (S. 17) dürfte ich keine Fragen hier stellen, den in einem System der Fragen kann die Frage nicht erörtert werden.

Danke fürs zuhören,
Matthias

Hallo Matthias

Keine Wissen ohne Probleme

  • aber auch kein Problem ohne Wissen.’ Karl Popper, Auf der
    Suche nach einer besseren Welt, S. 80

Zunächst einmal muss ich als landbekannter Popper-Gegner *g* natürlich sagen, dass mir Poppers Ansatz wieder mal viel zu einseitig ist. Viele Dinge werden SPIELERISCH erfunden (wahrscheinlich sogar das Rad, mutmaße ich mal frech) und Wissen entsteht nicht nur durch Probleme, die gelöst werden müssen. Das mag vielleicht in Poppers Leben so gewesen sein *g*, aber es gibt gebügend andere Beispiele, siehe oben.
Der therapeutische Kollege scheint allerdings ebenfalls einen recht einseitigen Ansatz zu verfolgen. *g* Ich würde mal beide Autoren als Ausnahmefälle behandeln und mich nicht zu sehr nach ihnen richten.
Gruß,
Branden

Hi Branden,

erst mal danke für die Antwort.
Hmmm, ich beziehe mich nicht nur auf Popper. H.J. Störig sagt in seiner "Kleinen Weltgeschichte der Wissenschaft „… die Fragwürdigkeit … ist ins Bewusstsein erhoben, indem die Einsicht in die Fraglichkeit und Fragwürdigkeit das Denken und Erkennen ständig begleitet“ S.30.
Um es mit eigenen Worten zu sagen:
„Die Frage ist die abstrakte Form eines Denkbehälters, die es ermöglicht aus dem Seienden den Begriff zu schöpfen.“; „Die Frage ist das Wasserglas, der gebildete Begriff das Wasser im Glas.“ Auch ich stelle die Hypothese auf, dass Begriffe ohne implizite oder explizite Frage wertlos, fraglos, ja nutzlos (kontextlos) sind.

Spielen ist super, vor allem als Naturwissenschaftler. Ich behaupte immer, das Chemie der Lego-Baukasten für Große ist, d.h. einfach teurer *g*. Doch auch spielen regt das denken an. Es mag vieleicht weniger zielgerichtet, d.h. problemorientiert sein, aber wird durch das kreative Spielen und assoziative Denken etwas „erfunden“, so ist dies nutzlos, wenn es nicht in einen Fragenkontext eigebettet wird. Kann ja sein, dass das Rad durch *ugah, ugah* erfunden wurde und dann zufällig den Berg runter rollte. Doch wie wurde der Urmensch auf den Nutzen damit gebracht? War es ein reines Geschenk vom Seienden oder evtl. doch irgendwo implizit die Frage: „*uhg* Irgenwie gut, nützlich. Wie brauchen *ugh*?“

Ich würde mal beide Autoren als Ausnahmefälle behandeln und mich nicht zu
sehr nach ihnen richten.

Ok, wonach dann? Würdest Du sagen, das die Erkenntnistheorie bzw. -kritik unwesentlich für das Subjekt ist und jeder da seinen Weg finden muß? D.h. also Entscheidungen vor evtl. Prüfung durch XY zu treffen, damit man ein bewusstes Sein hat?

Ich fände es schön wenn Du hier auch noch Kritik anbringen könntest, ansonsten danke. Ich grübel mal weiter *amKopfkratz* *ugh* *ahiahiah*
Mattthias

Hallo,

Gerne wüsste ich ob ihr das Buch kennt bzw. was ihr zu diesen
Statements sagt. Mich verwirren sie extrem. Den wenn das
Fragen „Obzön“ ist, wie kommt der Mensch dann zur Erkenntnis?

Also:

'Das Fragen kommt […] nicht vom WissenWollen, sondern aus
dem Wissen des Nichtwissenkönnens.

Warum, frage ich, fragen wir dann?! Das ist doch Quatsch, denke ich!

Und dorthin führt es am
Ende auch wieder zurück.

Wenn man das „auch“ streicht, hat er aus Erkenntnistheoretischer Sicht Recht. Aber der Weg ist ja das Ziel… :wink:

Es kann weder zufriedenstellen noch
befriedigt werden.

Das ist Ansichtssache. Es kommt darauf an, welche Ansprüche man an die Antworten stellt.

Wissen, so meine ich, kommt nicht aus dem
Fragen’. S. 182

Richtig. Wissen kommt, wenn überhaupt, aus den Antworten.

Er sagt: ‚Fragen hebt das Selbstbewusstsein auf‘, S.35 Das
Bewusst-Sein wird in Frage gestellt und ist sich seiner
Meinung nach nicht sicher. Durch die Frage wird kein
sich-selbst Bewusst-Sein bereitstellt, welches zum Wissen
führen kann.

Hä? Ich bin der festen Überzeugung, daß man das viiiel einfacher Ausdrücken kann - was auch immer er meint… ich verstehe das nicht. Dafür kann es 2 Gründe geben: Entweder der Mensch kann schlecht erklären oder er will nicht, das andere seine Gedanke als „banal“ erkennen.

Ich lese zum Spaß philosophische Literatur und geniesse das
Denken wie das Essen von Kartoffelchips oder einen guten Wein

  • Ich bin kein Profi.

Dito.

LG
Jochen

Hi Matthias

Auch ich stelle die Hypothese auf, dass Begriffe ohne
implizite oder explizite Frage wertlos, fraglos, ja nutzlos
(kontextlos) sind.

Adorno kritisierte das begriffliche Denken, weil es meist ein identifizierendes Denken ist, ein Denken, welches die nterschiede zwischen Begriff und Gegenstand negiert. Was z.B. Hegel Wahrheit nennt, fürt nach Adorno zur Verdinglichung des Denkens, da der einzelne, besondere Gegenstand nie völlig identisch mit dem Begriff von ihm sein kann. Beim identifizierenden Denken bleibt ein Rest, das Begriffslose, etwas, das nicht mit der Sprache ausgedrückt weden kann.
Das gilt schon für die Bezeichnung der einfachsten Gegenstände (Tisch,Tasse etc.) und wird zunehmend problematischer, je mehr mit den Begriffen etwas über die Beziehung von Individuum und Gesellschaft ausgesagt werden soll.

aber wird durch das kreative Spielen und assoziative
Denken etwas „erfunden“, so ist dies nutzlos, wenn es nicht in
einen Fragenkontext eigebettet wird.

Da bin ich mir nicht so sicher. :wink:

Würdest Du sagen, das die Erkenntnistheorie
bzw. -kritik unwesentlich für das Subjekt ist und jeder da
seinen Weg finden muß? D.h. also Entscheidungen vor evtl.
Prüfung durch XY zu treffen, damit man ein bewusstes Sein hat?

Ist mir, offen gestanden, etwas zu abstrakt.
Daher kann ich schwer was zu dem letzten Absatz sagen.
Gruß,
Branden

Hi!

Gestern bin ich über ein Zitat von Isaac Asimov gestolpert *ups*: „If knowledge can create problems, it is not through ignorance that we can solve them.”

So scheint es wohl auch mit der Frage zu sein. Offene Fragen sind in uns Subjekten existent, kein denkender Mensch kann das leugnen. Es ist entscheidend welche persönlichen Antworten wir darauf finden und wie wir uns für diese entscheiden, den wenn wir uns für alle Fragen nicht entscheiden, dann laufen wir im Kreis der unendlichen Kritik, die zu nichts führt.

Insofern lege ich jetzt die Frage über die Frage für mich erst mal ad acta, da es für mich keinen anderen logischen Schluß gibt. Auch habe ich gestern noch etwas nettes über die Begriffsbildung von Hegel gelesen, das ich erst einmal in meinem Begriffskontext „einbauen/verstehen“ muß.

Gruß,
Matthias

PS: Geniess den Wein *g*

Hi Branden!

Vielen Dank für den Tip mit Hegel. Hat mir geholfen etws von ihm zulesen und seine „Begriffsbildung“ kennenzulernen.

Würdest Du sagen, das die Erkenntnistheorie
bzw. -kritik unwesentlich für das Subjekt ist und jeder da
seinen Weg finden muß? D.h. also Entscheidungen vor evtl.
Prüfung durch XY zu treffen, damit man ein bewusstes Sein hat?

Ist mir, offen gestanden, etwas zu abstrakt.
Daher kann ich schwer was zu dem letzten Absatz sagen.

Sorry! Wollte eigentlich klärend sein, nicht abstrakt.
HYPOTHESE: Das Selbst-Bewusst-Sein würde nicht stabilisiert werden durch ein Nicht-Fragen. Nur Antworten können das Selbstbewusste Sein stärken (im Sinne der Obzönen Frage). Fragen lässt sich nicht vermeiden! So wie Isaac Asimov („If knowledge can create problems, it is not through ignorance that we can solve them.”) das Wissen in Schutz nimmt, nehme ich die Frage in Schutz. Sie kann nichts für ihre Existenz. Der Mensch muß seine Verantwortung wahr-nehmen und sich für Vertrauen entscheiden. Er muß manchen Antworten „vertrauen“, obwohl diese „nur“ gewiss sind und nicht beweisbar. Tut er dies nicht, so bleibt er in der unendlichen Spirale der Kritik gefangen, die zu gar nix führt. Insofern ist für mich der Gegenpol zur Frage nicht die Nicht-Frage, sondern eine Entscheidung für eine Antwort.

Soweit mal meine Überlegungen…

Gruß,
Matthias

Hi Matthias
Der Mensch muß seine Verantwortung wahr-nehmen und

sich für Vertrauen entscheiden. Er muß manchen Antworten
„vertrauen“, obwohl diese „nur“ gewiss sind und nicht
beweisbar.

Das gefällt mir. In gewisser Weise ein Votum für die Hermeneutik! Da bin ich dabei! :wink:

Tut er dies nicht, so bleibt er in der unendlichen
Spirale der Kritik gefangen, die zu gar nix führt. Insofern
ist für mich der Gegenpol zur Frage nicht die Nicht-Frage,
sondern eine Entscheidung für eine Antwort.

Ja, ich bin im großen und ganzen ganz damit einverstanden.
Gruß,
Branden