Von Ewigkeit zu Ewigkeit

Guten Tag,

ich frage mich, was in der christlichen Liturgie die Formulierung „…und von Ewigkeit zu Ewigkeit“ bedeutet. Gibt es etwa mehrere Ewigkeiten? Falls ja, wie muss man sich deren zeitliche Abfolge vorstellen?

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Servus,

wenn man sich den Zeitpunkt heute auf einem Zeitstrahl vorstellt, gibt es eine in die Vergangenheit gerichtete und eine in die Zukunft gerichtete Ewigkeit.

Selbstverständlich wirst Du jetzt sagen, das sei ja ein und dieselbe. Das hat damit zu tun, dass man beim „ite, missa est“ keine Quittung über 1,97 € ausgedruckt kriegt.

Schöne Grüße

MM

Servus, von welcher Konfession ist denn diese Idee?

Servus,

die Formel „von Ewigkeit zu Ewigkeit“ kommt nur in der evangelischen Version des „Gloria Patri“ vor. Die rk und die ökumenische Version begnügen sich mit „in Ewigkeit“. Woher genau die evangelische Formulierung kommt, kann ich nicht sagen (ich schätze, es geht um eine Art Nachbau des lateinischen „per saecula saeculorum“) aber ich meine, dass sie gar keiner weiteren Deutung oder Interpretation bedarf, sondern im beschriebenen Sinn selbsterklärend ist, zumal in den hebräischen und griechischen Texten, die der deutschen „Ewigkeit“ zugrunde liegen, „ewig“ etwas konkreter als im Deutschen eben einen unbestimmten oder unbestimmbaren Zeitraum bezeichnet, der gar nicht unbedingt unendlich sein muss - und den gibt es von heute aus gesehen eben in zwei Richtungen.

Schöne Grüße

MM

Hallo,

das ist in der Bibel eine liturgische Formel, v.a. in den Psalmen und im NT in einigen Briefen und besonders in der Offenbarung.

Ausführliches hier zu verschiedenen hebräischen Begrifflichkeiten und Vorstellungen von „Ewigkeit“: http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/ewigkeit-at/ch/14dd07efc37634d868c89c09e1da6a39/

Hebräisch עוֹלָם (‘ôlām) heißt nicht „Zeitlosigkeit“, das wäre für althebräisches Denken viel zu abstrakt. Es ist die fernste Zeit (sowas wie die „graue Vorzeit“) sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft oder auch eine lange Zeitdauer. Manche übersetzen es auch mit „Weltzeit“.

Recht deutlich wird das in Ps 90,2 „Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurden, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ -> Es gibt Gott schon vor der Schöpfung und bis in die allerfernste Zukunft, d.h. er ist verlässlich und hat Bestand.

Viele Grüße,

Jule

Servus, das war mir schon klar – stünde auch bei wikipedia

… aber welche der evangelischen Glaubensgemeinschaften (ausgenommen natürlich die Antitrinitarier sofern man diese dazurechnen wollte) vertritt diese Ansicht von der in einer Richtung „ewigen“ Vergangenheit und der in einer Richtung „ewigen“ Zukunft?

aion, olam und „Ewigkeit“

Hallo,

zu dem neutestamentlichen Begriff aion, bzw adjektivisch aionios, ist in diesem Brett schon viel diskutiert worden. Auch du selbst hattest ja mal eine Frage zu dem griech. Ausdruck zoe aionios gestellt, der im Deutschen fast immer mit „ewiges Leben“ wiedergegeben wird (und als solcher auch in den deutschsprachigen christlichen Dogmatiken präsent ist).

Zu dem Ausdruck aion und aionios und seinen höchst vielfältigen und verwickelten Bedeutungsvarianten (und damit verbundenen Übersetzungsproblemen) gibt es
hier
einen umfangreichen Artikel (mit anschließender Diskussion) aus diesem Brett (das ja früher einmal „Religionswissenschaft“ hieß und einen ganz anderen Selbstanspruch hatte als jetzt).

Aber zunächst einmal zu deinem Zitat „von Ewigkeit zu Ewigkeit“: Der griech. Ausdruck
ἀπὸ τοῦ αἰῶνος ἕως τοῦ αἰῶνος = „von (dem) Aion bis zu (dem) Aion“
kommt in dieser Form im Neuen Testament nicht vor. Dagegen aber in außerchristlicher Literatur, z.B. Marc Aurel „εζ αἰῶνος ἕις αἰῶνα“ und in den Oracula Sibyllina. Aber in der sehr prägnanten Form
πρὸ παντὸς τοῦ αἰῶνος καὶ νῦν καὶ εἰς πάντας τοὺς αἰῶνας = „vor dem/diesem ganzen Aion und jetzt und bis in alle Aionen“
findet er sich am Ende des Judas-Briefes Jud. 25.

Dagegen ist der Ausdruck
εις (τους) αιωνας των αιωνων = „(bis) in (die) Aionen der Aionen“ sehr häufig im NT anzutreffen. In der paulinischen Literatur, im Hebräer-Brief und vor allem in der Apokalypse. Ich habe in den Zitaten hier absichtlich immer αιων mit „Aion“ wiedergegeben, statt mit dem fast immer dafür verwendeten deutschen Wort „Ewigkeit“, um das Übersetzungsproblm erstmal draußen vor zu lassen.

In den meisten Fällen werden aber alle diese oben erwähnten Stellen im NT statt der korrekten Übersetzung mit „vpn Ewigkeit zu Ewigkeit“ wiedergegeben. Dagegen haben die frühen lateinischen Übersetzungen des NT jeweils „per saecula saeculorum“, was zumindest grammatisch ein wenig korrekter ist.

Der oben schon genannte griechische Ausdruck
ἀπὸ τοῦ αἰῶνος ἕως τοῦ αἰῶνος („von Aion bis zu den Aionen“ oder „bis in die Aionen“)
findet sich dagegen recht häufig in der LXX (Septuaginta, die erste griechische Übersetzung des AT im 2. Jhdt v. Chr.). Er gibt grammatisch korrekt das hebräische Original wieder. Z.B. in Psalm 90.2:
hebr:
ומעולם עד־עולם אתה אל
griech:
ἀπὸ τοῦ αἰῶνος ἕως τοῦ αἰῶνος σὺ εἶ
„von Aion zu Aion bist du, Gott.“

Die Frage bleibt aber nun, was mit Aion in dem zeitgenössischen Griechisch (die Koine) nun gemeint war. In den meisten wissenschaftlichen Abhandlungen über diese Frage (nicht nur die zahllosen Geschreibsel im Internet, Wikipedia incl.), was im Tanach mit „olam“, in der Septuaginta mit aion, im NT mit dem - vorzüglich in der johanneischen Literatur zu findenden - Ausdruck „zoe aionios“ („aionisches Leben“) und zoe eis ton aiona (Leben in das Aion (hienein)* gemeint ist, und ob und wann und in welchem Sinne das jeweils mit „Ewigkeit“, „ewig“ wiedergegeben werden kann, wird übersehen, daß auch das deutsche „ewig“ verschiedene Konnotationen hat. Nämlich:

Die Bedeutung „anfanglose Zeit“, „endelose Zeit“ taucht für das hebräische „olam“ erst in der apokalyptischen jüdischen Literatur (z.B. im äthiopischen Henoch, äth. Hen.) der zwei Jhdte v. Chr. auf. Und zwar geht dies auf den Einfluß der früheren persischen (achämenidischen) bzw. zeitgenössischen parthischen (arsakidischen) Literatur des sog. „Zervanismus“ zurück (einem Nebenzweig des Zarathustrismus). Dort ist unter anderen Ausdrücken die „akeren zruuan“ = „unenstandene/ungeschaffene Zeit“ ein zentraler Begriff, dem dort bereits auch die Bedeutung „aus der Zeit herausgenommen“, „zeitlos“ zukommt. In keiner anderen Philosophie/Kultur/Religion dieser Zeit findet sich das so.

Die Bedeutung „endlos ausgedehnte Zeit“ ist aus der griechischen Klassik bzw frühen Hellenismus herübergekommen, vornehmlich aus Platons „Tímaios“, und zwar in Anlehnung an das griech. „aídios“, dem meist eine Synonymität mit „unsterblich“ (ambrotos) zukommt, wenn dort von den Göttern die Rede ist.

Die Bedeutung „zeitlos/überzeitlich“, wie gesagt zuerst bereits im parthischen Zervanismus konsolidiert, wird in der christlichen Philosophie der Spätantike erst mit Augustinus, Boethius und Basilius, und später im Frühmittelalter bei Eriugena ausgebildet. Bei Meister Eckhart hat diese Begrifflichkeit mit seinem „ewic nu“ einen begriffshistorischen Höhepunkt (Z.B. „Gott schafft die Welt in einem ewigen Jetzt“). Auf ihn geht, wie viele andere Übertragungen griechischer und lateinischer Begriffe ins Deutsche, auch die Wortbildung „ewicheit“ zurück. mit eben dieser Bedeutung von „Zeitlosigkeit“.

Das hebräische „olam“ hatte dagegen ursprünglich (d.h. in den älteren Schriften des Tanach) mit Zeitbegriffen gar nichts zu tun. Und das griechische Aion war in den meisten Mythologien und philosophischen Kontexten das „Zeitalter“ (dem lateinischen „saeculum“ entsprechend), oder die „Lebenszeit“, eine Kultur-Epoche.

In der Zeit des NT kursierten aber zahlreiche Mythologien bzgl. „aion“, unter anderem auch solche, die eine Vielzahl von Aionen (im Sinne von aufeinanderfolgenden „Welten“, „Weltaltern“) annnahmen. Und dies spiegelt sich in manchen entsprechenden Wortgebräuchen auch des NT wieder: Das jetztige, hiesige Weltalter wird mit der Wiederkunft Christi (die im 1. Jhdt von vielen noch während der Lebenszeit der Zeitgenossen vermutet wurde) in ein neues Aion übergehen. Bei den Synoptikern (im Ggs. zum Joh.-Ev.) ist Aion fast immer in diesem Sinne gebraucht. Es gibt das „jetztige“ und das „kommende“ Aion. Dabei wird statt griech. „aion“ meist das griech. „kosmos“ verwendet. Und „kosmos“, also die physische und soziale Lebenswelt, ist oft auch die Bedeutung des hebräischen „olam“ im AT.

Soweit mal fürs Erste ein Überblick über die Begriffsprobleme in dem besagten Zusammenhang.

Gruß
Metapher

Hallo Metapher,

die große Frage wäre, ob die Damen und Herren der betroffenen Geistlichkeiten dies alles wissen – ggf. hatten sie auch etwas ganz anderes gelernt (oder sich ausgedacht) – und ob sie diese ihre Kenntnisse, welche auch immer, auf das alte Gedicht „Gloria Patri“ der weströmischen Kirche anwendeten … ungeachtet der Urheber- bzw. Interpretationsrechte.

Gruß
radscha



Lateinisch

"Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto,
sicut erat in principio et nunc et semper et in saecula saeculorum, amen."

Deutsch

Katholische Fassung:
"Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste.
Wie es war im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen."

Evangelische Fassung:
"Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,
wie es war im Anfang, jetzt und immerdar, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen."

Ökumenische Fassung:
"Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,
wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen."

Quelle: Wikipedia

Dieses ist keine besondere Ansicht - sowohl der Anfang als auch das Ende liegen in unbestimmter Entfernung, somit in Zeitmaßen ewig entfernt: Anfang - jetzt - immerdar.

Herzlichen Dank für die umfangreiche Erläuterung. Jetzt weiß ich wenigstens, was diejenigen, welche die Formulierung „v.E.z.E.“ prägten, ,sich dabei vorgestellt haben.

Ein theologisches Problem bleibt natürlich immer, ob man an -gar wörtlich übersetzten- Vorstellungen der vorchristlichen Zeit und des frühen Christentums heute noch festhalten sollte, wenn erkennbar ist, dass solche Formulierungen aus heutiger Sicht logische Widersprüche enthalten (wie z. B. die von dir erwähnte Vorstellung einer Abfolge von Ewigkeiten) oder die Begriffsarmut unserer Sprache solche Widersprüche erst schafft.

Hallo,

ich stelle mir vor, als wenn wir heute sagen würden:

Unbeschades allem anderen, das (möglich) sein kann oder nicht.

Gruß mki

„Ewigkeiten“ sind Zeiträume, die wir uns nicht vorstellen können (Ps.89,2).

Aber „keine Angst“, wenn du von „Abba“ auserwählt wirst (Röm.8,30), darfst du auch in „alle Ewgkeit“ leben (Offb.22,5).

Für „heute“ sollten die Jahre vor uns „genug“ sein…

Wichtig wäre, „dabei“ zu sein (1.Tim.6,12).

Ja, eine „Ewigkeit“ kann eine Zeitrechnung sein (Dan.7,18; Amos 1,11; Philem.1,15).