"Von" mit Zahlwort - seit wann? Oder warum?

Hallo,

immer wieder höre ich in akustischen Medien Formulierungen von Zahlworten in Verbindung mit „von“. Beispiele:

Der Vorgang dauert Hunderte von Millionen Jahren."
Dutzende von Menschen haben sich versammelt.

Solche Wortverbindungen gab es in meiner Jugend, als ich aktiv Deutsch lernte, noch nicht. Da dauerten Vorgänge einfach nicht Hunderte Millionen Jahre und es trafen sich einfach nur Dutzende Menschen.

Lässt sich die (aus meiner Sicht unnütze) Verwendung der Ergänzung durch von auf eine bestimmte Zeit, Herkunft oder Region zurückführen. (So wie „Sinn machen“ oder „in 2023“ auf ungeübte Übersetzungen aus dem Englischen zurückzuführen sind.) (Oder wie „in der Arbeit“ oder „auf der Arbeit“ regional begrenzt benutzt werden.)

Vielen Dank im Voraus
Pierre

Die Behauptung ist nicht totzukriegen, aber falsch. „Sinn machen“ ist seit bald 250 Jahren im deutschen belegt. Irgendwann hat jemand gemeint, das als Hyperkorrektur für falsch zu erklären, und seitdem geistert das durch die Köpfe. Als Germanist kriege ich da mittlerweile Zustände.

https://www.sprachlog.de/2009/01/12/seit-wann-machen-wir-im-deutschen-sinn/

Ich wahrlich bin kein Freund von sinnlosen Anglizismen, aber die Art und Weise, wie manchmal eine vermeintlich englische Herkunft an den Haaren herbegezogfen wird, hat für mich schon manchmal etwas sehr bräunliches …
Zum eigentlichen Thema muss ich noch recherchieren.

Gruß,
Max

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Die (aus meiner Sicht stilistisch sinnvolle) Verwendung lässt sich beim Ngram-Viewer von Google etwa 200 Jahre zurückverfolgen.

Geschaut habe ich nach „Hunderte von“, „Tausende von“ und „Dutzende von“. Bei Hunderte und Tausende gab es mal einen Anstrieg zwischen 1820 und 1840 mit einer weiteren Spitze um 1940 herum, dann ging es wieder zurück, um ab 2000 schnell aiuf den Wert von 1940 anzusteigen.

Bei Dutzend fehlt der Anstieg zwischen 1820 und 1840 und es gibt nur eine kleine Spitze um 1940, dafür steigt es um 2000 ähnlich an.

Meiner Meinung nach klingt die Konstruktion mit „von“ etwas pathetischer, das würde die Spitze zwischen 1940 und 1945 erklären und auch die Spitze ab 2000, denn die heutigen Sprache ist sehr emotionalisiert.

Solche Wortverbindungen gab es in meiner Jugend, als ich aktiv Deutsch lernte, noch nicht.

Da Du sicher nicht älter als 75 bist, würde ich diesen Satz als wissenschaftlich klar widerlegt betrachten. :slight_smile:

Bei mir gehört es übrigens schon seit meiner Kindheit zum aktiven Sprsachgebrauch, und das war einige Jahre vor 2000 …

Grüße,
Max.

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Hallo,

dazu findet sich in meinem Duden (Zweifelsfälle der deutschen Sprache) von 1972 unter dem Stichwort „Dutzend“ folgende Erläuterung:

Bei der Bedeutung „unbestimmte Menge“ wird das Gezählte heute meist mit “von“ oder im gleichen Fall (appositionell) angeschlossen.
Der Genitiv ist dann seltener: mit Dutzenden / dutzenden (von) kleinen Fahnen / (seltener:) kleiner Fahnen..

Siehe auch
https://blog.leo.org/2017/10/24/milliarden-von-nutzern-und-millionen-von-sternen/

Gruß
Kreszenz

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Mein Geburtsdatum liegt exakt zwischen beiden Spitzen.

Vielleicht liegt es ja daran, dass es mir seit Jahren sauer aufstößt. Mit Pathos habe ich nicht viel am Hut. Ich bin eben etwas rationaler gestrickt. Darum löst diese Formulierung vielleicht auch gerade bei wissenschaftlichen Beiträgen bei mir Unbehagen aus - von denen erwarte ich saubere Informationen und keinen Pathos. Vermutlich werden diese Beiträge aber nicht nur für mich gedreht… :wink:

Hi @Pierre

Dutzende und Hunderte sind hier sog unbestimmte Zahlwörter. Wenn das Nomen, auf das es sich bezieht, ein attributives Adjektiv hat, kann es in Nominativ stehen oder im Genitiv, Und zwar im „normalen“ Genitiv oder im von-Genitiv.

Also

Dutzende neugierige Menschen
Dutzende neugieriger Menschen
Dutzende von neugierigen Menschen

Wenn das Nomen selbst ein blankes substativiertes Adjektiv ist, ist nur der Nominativ möglich oder der von-Genitiv

Dutzende Neugierige
Dutzende Neugieriger
Dutzende von Neugierigen

Gruß
Metapher

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Danke @Kreszentia und @Metapher.

Vielleicht wurde diese Formulierung auch früher schon in dem Maße benutzt wie heute, nur ich habe nach und nach so einen Tick entwickelt, sie besonders heraus zu hören.

Wo wir gerade bei Floskeln sind (ich weiche selbst vom Thema ab) bei denen ich „Knoten im Gehörgang“ bekomme: „Ich erinnere die Ereignisse vor 20 Jahren.“ An liebsten würde ich in den Fernseher springen und brüllen: „mich an, mich an! Oder wegen meiner auch Euch an! Aber nicht ohne Reflexion!!!1!!Elf“

Ist das wenigstens neu? Oder hat hat das mein Opa an der Front auch schon benutzt?

Der Vorgängerband von 1965, noch „Hauptschwiewrigkeiten“ betitelt, schreibt unter dem Stichwort „Hunderte“, die Koinstruktion ohne „von“ sei selten, im allgemeinen werde die Konstruktion mit „von“ verwendet.

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Also ein paar jahre älter als ich. :slight_smile:

Aber nicht hunderte oder tausende (warum sagt man eigentlich nicht Zehnte [von] Jahren?

Dazu in besagtem Duden von 1972:

Der Gebrauch von „erinnern“ mit dem Akkusativ (jmdn./etwas erinnern) statt „sich erinnern“ mit dem Genitiv (sich jmds./einer Sache erinnern) oder mit einem Präpositionalobjekt (sich an jmdn./an etwas erinnern) ist landschaftlich begrenzt. Es kommt vor allem in Norddeutschland vor.

Hochsprachlich also: Erinnerst du dich daran? …, aber nicht: Erinnerst du das?

Und aktuell: https://www.duden.de/sprachwissen/sprachratgeber/Die-korrekte-Verwendung-des-Verbs-erinnern-an

Gruß

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Ich habe umgekehrt nachgesehen: „Wörterbuch der Sprachschwierigkeiten“ Bibliografisches Institut Leipzig 1989. Erst gegen Ende des Artikels heißt es „Hunderte kann auch mit der Präposition von verwendet werden. Hunderte von Studenten“. Möglicherweise hängt es bei mir ja auch noch mit der Herkunft zusammen.

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Danke.

Falls Du dich von dem Band mal trennen willst … ich habe zwar Ost-Wörterbücher, aber bisher keine Ost-Grammatik oder dergleichen in meiner Sammlung.

Möglicherweise hängt es bei mir ja auch noch mit der Herkunft zusammen.

Das ist gut möglich. Sprachräume werden von politischen Grenzen nachhaltig beeinflusst, bei manchen Dialekten kann man heute noch hören, wo das Gebiet des Grafen von A geendet hat und hinter dem Schlagbaum der Graf B gehaust hat. :slight_smile:

Das Vogtländische hat sich zwischen 1945 und 1989 im thüringischen Vogtland dem Thüringischen und Sachsichen angenähert, im bayerischen Vogtland dem Fränkischen.

Verglichen mit BRD, CH und A war der ostdeutsche Sprachaum auch relativ klein und beinflusst die Gewsamtbetrachtung damit weniger.

Möglicherweise ist die Delle zwischen 1945 und 2000 auch ostbeeinflusst: Es blieb im Westen konstant und ging im Osten stark zürück, was in der Gesamtbetrachtung einen kleinen Rückgang darstellt.

Gruß,
Max

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Derzeit ist eine Trennung nicht abzusehen. Eher würde ich auf einem Trödelmarkt dazu kaufen. :wink:

Direkt nach der Wende fiel es Reisenden in beiden Richtungen auf, dass es kleine aber feine Unterschiede im Sprachgebrauch gab/gibt. So war mein Kollege der festen Überzeugung, das Wort „definitiv“ erst nach der Wende und seinem Umzug von Südbrandenburg nach Berlin gehört zu haben.

Und abgedroschen ist ja Plastik vs. Plaste.

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Oh-oh, so hat es bei mir auch angefangen. Inzwischen sind es zwischen 50 und 60 Bände und mir gehen die Regalmeter aus …

Grüße,
Max

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Sagt man doch! Nur heißt das unbestimmte Zahlwort nicht „Zehnte“ sondern „zig“. Und nicht mit Genitiv, sondern als Pronomen:

Vor zig Jahren hat man auch schon „Dutzende von Jahren“ gesagt

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Er möchte sich nicht trennen, schrieb er, aber ich hätte was für dich. :slight_smile:
https://www.zvab.com/servlet/SearchResults?kn=W�rterbuch%20der%20Sprachschwierigkeiten&sts=t&ds=20