Von rekursiver Folge zu einer explizierten Formel

Hallo Allerseits,

zur Zeit bereitet mir ein kleines Matheproblem einige Kopfschmerzen.
Folgende simple Aufgabe sei gestellt:
„Der Rehbestand eines kleinen Waldes umfasst 200 Stück und wächst jährlich um 10% an. Jedoch werden jedes Jahr 12 Rehe vom Jäger abgeschossen. Wie sieht der Rehbestand in den nächsten 10 Jahren aus?“

Die rekursive Formel ist: B(n+1) = (B(n) * 1.1) - 15 wobei B(0) = 200 ist.
Soweit alles kein Problem. Nun interessiert mich aber, wie man aus der Formel eine explizite Formel bekommen kann.

Wenn der jährliche Abschuss der Rehe nicht vorhanden wäre, so hätten wir einfach ein exponetielles Wachstum: B(n) = 200 * 1.1^n

Sprechen wir bei der Aufgabe noch von einem Wachstum oder einer Folge?
Ist es möglich eine explizite Formel zu berechnen und wenn ja dann wie?

Für jede Hilfe oder jeden Ansatz wäre ich sehr dankbar…

Gruß
straight

Jedoch werden jedes Jahr 12 Rehe

vom Jäger abgeschossen.

Also wieviele Rehe werden in 2 Jahren abgeschossen? In 3?
In n?

Jedoch werden jedes Jahr 12 Rehe

vom Jäger abgeschossen.

Also wieviele Rehe werden in 2 Jahren abgeschossen? In 3?
In n?

Hallo Nate,

es werden jedes Jahr konstant 12 Rehe abgeschossen.
Also bei n-Jahren 12*n Rehe.

Die rekursive Formel ist: B(n+1) = (B(n) * 1.1) - 15 wobei

Schreibfehler: B(n+1) = (B(n) * 1.1) - 12

wie man
aus der Formel eine explizite Formel bekommen kann.

Der Ansatz ist alles ineinander einzusetzen und die Formel für die geometrische Reihe

1+q+q^2+…+q^n = (1-q^(n+1))/(1-q)

verwenden zum vereinfachen.

Mach das mal für die ersten paar Schritte und dann siehst Du vermutlich die Formel.

Hallo,

„Der Rehbestand eines kleinen Waldes umfasst 200 Stück und
wächst jährlich um 10% an. Jedoch werden jedes Jahr 12 Rehe
vom Jäger abgeschossen. Wie sieht der Rehbestand in den
nächsten 10 Jahren aus?“

Die rekursive Formel ist: B(n+1) = (B(n) * 1.1) - 15 wobei
B(0) = 200 ist.
Soweit alles kein Problem. Nun interessiert mich aber, wie man
aus der Formel eine explizite Formel bekommen kann.

die bekommst Du, indem Du die zugehörige Differentialgleichung (DG) löst, was hier in beiden Fällen leicht mittels Integration durch Separation der Variablen möglich ist.

Ohne Jäger ändert sich B innerhalb eines Jahres (Δn = 1) um ΔB = 0.1 B; das bedeutet

dB/dn = 0.1 B

oder allgemeiner mit c als Wachstumsstärke-Parameter (hier c = 10% = 0.1)

dB/dn = c B

und das ist sie auch schon, die DG dieses Wachstumsvorgangs.

Das kannst Du umformen zu 1/(c B) dB = dn, womit die Variablen getrennt und beide Seiten integrationsfertig sind. Die richtigen Integrationsgrenzen auf der linken Seite sind B0 und B, auf der rechten Seite 0 und n:

B0…B 1/(c B’) dB’ = ∫0…n dn’

Ergebnis:

B(n) = B0 (1 + c)n

Das ist die explizite Version von B(n+1) = (1 + c) B(n).

Mit Jäger ändert sich B innerhalb eines Jahres um c B – 12, also ist

dB/dn = c B – 12

Nach variablenseparationsgerechter Umformung: 1/(c B – 12) dB = dn.

B0…B 1/(c B’ - 12) dB’ = ∫0…n dn’

Ergebnis:

B(n) = (B0 – 12/c) (1 + c)n + 12/c

Das ist die explizite Version von B(n+1) = (1 + c) B(n) – 12.

Gruß
Martin

Hallo,

Ergebnis:

B(n) = (B0 – 12/c) (1 +
c)n + 12/c

Das ist die explizite Version von B(n+1) = (1 + c) B(n) – 12.

Gruß
Martin

Hallo Martin,

danke für die ausführliche Erklärung. Von alleine wäre ich da wohl nicht dahinter gekommen, da mir das entspr. mathematische Wissen fehlt (Prinzip der DG mit Seperation der Variablen).
Jedoch konnte ich es sehr schön nachvollziehen. Werde es mir merken! :smile:

Dank dir nochmal vielmals.

Viele Grüße

Guten Tag,

Deine Lösung ist zweifelsohne richtig (*); sie stimmt mit den Daten des diskreten Modells genau überein. Leider kann ich sie noch nicht ganz nachvollziehen.

dB/dn = c B – 12

Nach variablenseparationsgerechter Umformung: 1/(c B – 12) dB
= dn.

Bis zu dem bin ich auch gekommen.

Ich hatte gerechnet:

Integrieren:
1/c ln(cB - 12) = n + k1

ln(cB - 12) = cn + k2 … (k2 = ck1)

cB - 12 = e^(cn + k2) = k3 . e^(cn) … (k3 = e^k2)

cB = k3 . e^(cn) + 12

B = k4 . e^(cn) + 12/c … (k4 = k3/c)

also konkret:
B = k . e^(n/10) + 120, was bei B(0) = 200 ein k = 80 liefert und insgesamt also:
B = 80 . e^(n/10) + 120 =
= 80 . (e^(1/10))^n + 120

B0…B 1/(c B’

    1. dB’ = ∫0…n dn’

Diese Schreibweise mit gestrichenen (abgeleiteten?) Variablen ist mir neu.

Ergebnis:

B(n) = (B0 – 12/c) (1 +
c)n + 12/c

Wie kommst Du zu diesem Ergebnis? Das Integral von 1/(cB - 12) dB ist doch 1/c . ln(cB - 12) ?

???

Insgesamt bekommst Du als Basis der Potenz 1,1; ich e^(0,1) = 1,10517…, also etwas zu viel. Wo ist mein Fehler?

Ludwig

Hallo,

Deine Lösung ist zweifelsohne richtig (*); sie stimmt mit den
Daten des diskreten Modells genau überein. Leider kann ich sie
noch nicht ganz nachvollziehen.

Insgesamt bekommst Du als Basis der Potenz 1,1; ich e^(0,1) =
1,10517…, also etwas zu viel. Wo ist mein Fehler?

wenn man es „wasserdicht“ macht (schmunzel… ja, darin verbirgt sich das Zugeständnis der Existenz nicht ganz wasserdichter Stellen im vorangegangenen Posting), läuft die Rechnung folgendermaßen.

Gegeben ist die rekursiv definierte Folge

Bn+1 = c Bn – d    [:diamonds:]

Hier ist c = 1.1, d = 12 und B0 = 200, aber da diese Zahlenwerte eigentlich uninteressant sind, rechne ich ganz allgemein mit c und d.

Ansatz: dB/dn = K B – D    [:diamonds::diamonds:]

Einverstanden? Man darf hier nicht den Fehler machen, dB/dn = (c – 1) B – d anzusetzen! Das wäre „ein kleines bisschen“ falsch. Wie man sich zwar leicht überlegen kann, muss K ungefähr den Wert c – 1 haben (in dem Beispiel hier also 0.1) und D ungefähr den Wert d (hier 12), aber wir können nicht sicher sein, dass K genau mit c – 1 übereinstimmt, und D genau mit d!

Der Grund ist, dass [:diamonds:] eine „diskrete“ Verzinsung am Jahresende (und zwar mit dem Zinssatz c – 1) zuzüglich einer Abhebung des Betrags d an jedem Jahresende beschreibt, wohingegen die glatte Kurve, die wir als Lösung der DG [:diamonds::diamonds:] erhalten werden, einer kontinuierlichen Verzinsung entspricht. Eine kontinuierliche Verzinsung von 10 % ist für den Kontoinhaber aber besser als eine jahresendemäßige: Bei ersterer hätte er am 31. 12. nur genau 1.1 mal soviel Geld auf dem Konto wie am 01. 01.; bei letzterer dagegen e1.1 – 1 ≈ 1.10517… mal so viel. (Je größer der Zins ist, desto größer ist der Unterschied. Bei einem fiktiven Zins von 100% stände einer Verdoppelung eine Ver-e-fachung gegenüber.)

Die korrekten Werte für K und D müssen deshalb „knallhart“ ausgerechnet werden. (Vorgriff: K = ln© = 0.09531…; D = d ln©/(c – 1) = 11.43722…)

Die Lösung von [:diamonds::diamonds:] ist kein Problem:

dB/dn = K B – D
  ⇔ 1/(K B – D) dB = dn
  ⇔ ∫B0…B 1/(K B’ – D) dB’ = ∫0…n dn’

(Die ’ sollen nur die Integrationsvariablen kennzeichnen. Hier wird nichts abgeleitet!)

⇔ [1/K ln(K B’ – D)]B0…B = [n’]0…n
  ⇔ 1/K ln(K B – D) – 1/K ln(K B0 – D) = n
  ⇔ …
  ⇔ B(n) = (B0 – D/K) eK n + D/K

Das ist die Lösung der DG [:diamonds::diamonds:].

Jetzt die Berechnung der noch unbekannten Werte von K und D. Einerseits ist B1 gemäß [:diamonds:]

B1 = c B0 – d

andererseits ist es nach der obigen Lösung

B1 = (B0 – D/K) eK + D/K = B0 eK – (eK – 1) D/K

Jetzt können wir c und d identifizieren; die rechten Seiten werden identisch wenn

c = eK und d = (eK – 1) D/K

ist, das heißt wenn

K = ln© und D/K = d/(eK – 1) = d/(c – 1)

gilt. Damit können wir die Lösung schlussendlich mit c und d formulieren:

––––––––––––––––––––––––––––––––
  B(n) = (B0 – d/(c – 1)) cn + d/(c – 1)
  ––––––––––––––––––––––––––––––––

In dem Beispiel hier ist also B(n) = (B0 – 12/0.1) 1.1n + 12/0.1) das explizite Äquivalent zu Bn+1 = 1.1 Bn – 12.

Alles klar? :smile:

Gruß
Martin

2 „Gefällt mir“

Guten Abend,

wenn man es „wasserdicht“ macht
(schmunzel… ja, darin verbirgt sich das
Zugeständnis der Existenz nicht ganz wasserdichter Stellen im
vorangegangenen Posting), läuft die Rechnung folgendermaßen.

Na, da hat sich meine Nachfrage ja rentiert :wink:

Gegeben ist die rekursiv definierte Folge

Bn+1 = c
Bn
d    [:diamonds:]

Hier ist c = 1.1, d = 12 und B0 = 200,
aber da diese Zahlenwerte eigentlich uninteressant sind,
rechne ich ganz allgemein mit c und d.

Ansatz: dB/dn = K B – D    [:diamonds::diamonds:]

Einverstanden? Man darf hier nicht den Fehler machen, dB/dn =
(c – 1) B – d anzusetzen! Das wäre „ein kleines bisschen“
falsch.

Naja: und genau den Fehler hab ich gemacht und drum komm ich nicht hin.

Danke!

Wie man sich zwar leicht überlegen kann, muss K

ungefähr den Wert c – 1 haben (in dem
Beispiel hier also 0.1) und D ungefähr den
Wert d (hier 12), aber wir können nicht sicher sein, dass K
genau mit c – 1 übereinstimmt, und D
genau mit d!

[…]

Alles klar? :smile:

Ja. Fein.
Ludwig