Vor der Hinrichtung

Hallo!

Mein Thema ist genauso gruselig wie der Titel: Gibt es Erkenntnisse darüber, was in einem Delinquenten vorgeht, bevor er hingerichtet wird? Das ist ja eine ziemlich außergewöhnliche Situation. Sicherlich kommen viele Menschen mal in eine Situation, wo sie Todesangst empfinden. Habe ich auch schon erlebt. Dennoch glaube ich nicht, dass man das vergleichen kann, denn in solchen Fällen hat man immer noch eine - wenn auch noch so kleine Hoffnung, dass man weiterleben wird. Bei der Hinrichtung jedoch hat der Delinquent die absolute Gewissheit, dass er in wenigen Momenten nicht mehr am Leben sein wird. Wie geht die Psyche damit um?

In Filmen wird es meistens so dargestellt, dass die Menschen vergleichsweise gefasst auftreten (besonders beeindruckend finde ich da die Darstellung Sean Penns in „Dead Man Walking“). Auch was ich über andere historische Hinrichtungen gelesen habe (Stauffenberg, Geschwister Scholl, Höss, …) - nie ist da von Panik die Rede, dass sich jemand vor Angst in die Hosen gemacht hätte (wäre ja verständlich), oder dass jemand komplett paralysiert war. Auch habe ich nie gehört, dass sich jemand gegen seine eigene Hinrichtung gewehrt hätte. Warum eigentlich nicht? Auch bei minimalen Erfolgsaussichten hat man ja nichts zu verlieren?

Über kompetente Hinweise würde ich mich freuen. (Bitte keine Literatur-Hinweise: Ich habe keinen Zugang zu psychologischer Fachliteratur).

Gruß, Michael

Tach,

Gibt es
Erkenntnisse darüber, was in einem Delinquenten vorgeht, bevor
er hingerichtet wird?

je nuh, da wird es bei 100 Deliquenten 100 verschiedene Vorgänge geben.
Von völliger Gleichgültigkeit bis völliger Panik.

Gandalf

Hallo,

ich könnte mir das so vorstellen:

so lange noch Hoffnung z.B. auf eine Begnadigung besteht macht man die Todesängste durch, die wohl je nach Veranlagung unterschiedlichen Ausdruck finden.

Steht der Termin dann uverrückbar fest, stellen sich Ängste ein, wie schmerzhaft das sein kann. Denn daß der elektrische Stuhl und andere Verfahren schmerzlos oder rapide abläuft glaubt wohl niemand.

Hat man diese Phasen durchlaufen, ist man mit den Nerven ziemlich am Ende und es stellt sich eine schwere emotionale Erschöpfung ein, ähnlich der, die man erlebt, wenn man eine schwere Krankheit hat - da tritt ein Stadium ein, bei dem einem alles gleichgültig wird, auch ob man lebt oder stirbt, diese Apathie bei Krankheit habe ich selbst mal erlebt.

Je näher der Hinrichtungstermin rückt und jede Hoffnung erstickt ist, umso gleichgültiger wird man, man findet sich damit ab und es kehrt emotional Ruhe ein. Oder man könnte sagen, man hat gar keine Emotionen mehr übrig und tritt dann recht gelassen seinen letzten Gang an. Diese Form wird dann als Mut ausgelegt.

Glaubt man Filmen, kann aber dennoch in den letzten Sekunden eine emotionale Gegenwehr auftreten, stammeln, bitten um Gnade, Beteuerungen sich zu bessern, man wollte die Tat nicht begehen u.ä.m. Diese Form wird dann als Feigheit ausgelegt.

Das kann ich mir ebenfalls vorstellen. Die Tage davor war man emotional erschöpft, gleichgültig oder gelassen, in den letzten Sekunden wallt jedoch nochmals der Lebenswille oder Selbsterhaltungstrieb stark auf.

Ob die Bewertung Mut/Feigheit durch Außenstehende richtig ist, will ich bezweifeln. Andererseits hat der Verurteilte diese Einstellung der Gesellschaft ebenfalls verinnerlicht, sodaß er nach außen Ruhe zeigen wird, auch dann noch, wenn innerlich ein Aufruhr tobt. Die steinernen Mienen bei den wenigen verfügbaren Dokumenten, lassen vielleicht auf diese selbst auferlegte Disziplin schließen.

Vermutlich ist es für einen Menschen leichter, wenn er plötzlich von einer Kugel im Gefecht getroffen wird und binnen Sekunden stirbt, als wenn er bereits Monate oder Jahre vorher weiß, daß die Hinrichtung irgendwann ansteht. Eine lange Periode bei einer unheilbaren Krankheit, die unweigerlich mit dem Tode endet, düfte hier Parallelen bieten. Das entspricht einer Monate oder Jahre andauernden Folter.

Gruß,
p+p

Von völliger Gleichgültigkeit bis völliger Panik.

Hi,
der Räuber Kneisel soll gesagt haben …„der Tag fängt ja schon gut an…“ als man ihn morgens zum Galgen führte.

Gruß
PW

Es trifft es im Zweifel nicht ganz, hier aber ein paar mögliche Lektüren:

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,440569,…

http://executions.justsickshit.com/death-row-diaries/

Unter dem Stichwort „death row diaries“ (Tagebücher aus Todeszellen) findest du auch noch mehr über Suchmaschine.

Guten Abend!

der Räuber Kneisel soll gesagt haben …„der Tag fängt ja
schon gut an…“ als man ihn morgens zum Galgen führte.

was übrigens zweifach nicht stimmt.

Erstens soll er gesagt haben „De Woch’ fangt ja scho guad o“.
Zweitens hat er es, wenn er es gesagt hat, nicht am Tag seiner Hinrichtung gesagt, denn de Woch’ fängt bekanntlich nicht am Freitag an :wink:
Er soll es am Tag der Verurteilung (Montag) gesagt haben.

Das ‚Räuber Kneißl‘ von der Maisacher Brauerei ist übrigens das beste Dunkle überhaupt.

E.T.

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Guten Abend!

Bei der Hinrichtung jedoch hat der Delinquent die
absolute Gewissheit, dass er in wenigen Momenten nicht mehr am
Leben sein wird. Wie geht die Psyche damit um?

Da sind vielleicht Pierrepoints Memoiren eine lesenswerte Quelle:
http://www.amazon.co.uk/Executioner-Pierrepoint-Albe…

Pierrepoint hat als Henker gut 400 Menschen über den Jordan geschickt, darunter einige bekannte KZ-Aufseher(innen).

So auch Irma Grese, deren letzte Worte nur ein einziges war: Schnell!

Auch was ich über andere historische Hinrichtungen
gelesen habe (Stauffenberg, Geschwister Scholl, Höss, …) -
nie ist da von Panik die Rede, dass sich jemand vor Angst in
die Hosen gemacht hätte (wäre ja verständlich), oder dass
jemand komplett paralysiert war.

Ich denke, bei bestimmten Hinrichtungsmethoden kann man gar nicht nicht vor Angst in die Hosen machen. Bei der Garrote beispielsweise. Wenn nicht vor, so doch auf jeden Fall während der Hinrichtung.

Auch habe ich nie gehört,
dass sich jemand gegen seine eigene Hinrichtung gewehrt hätte.

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,608859,…

Bei den ganzen Massenerschiessungen und dergleichen, z.B. in China, dürfte durchaus einiger Widerstand zu finden sein.

Diese Fälle sind halt viel weniger bekannt als die sterilen US-Hinrichtungen, bei deinen die Hinzurichtenden zudem größtenteils auch gut mit Medikamenten vollgepumpt sein dürften, sprich sediert.

Warum eigentlich nicht? Auch bei minimalen Erfolgsaussichten
hat man ja nichts zu verlieren?

Doch, das hat man schon.
Man hat den SCHNELLEN Tod zu verlieren, den vergleichsweise schmerzlosen, der durch nur nur einen Ruck oder einen Schlag erfolgt.
Das zitierte Wort Greses halte ich da für recht aufschlussreich.

Einen letzten Rest an Würde hat man überdies auch zu verlieren.

E.T.

Hallo,

In Filmen wird es meistens so dargestellt, dass die Menschen
vergleichsweise gefasst auftreten

da sieht die Hinrichtungsszene aus Papillon aber ganz anders aus.

Ansonsten fällt mir dazu noch dieser alte Johnny-Cash-Song ein.

http://www.google.de/search?hl=de&q=twenty+five+minu…

MfG,

ujk

Hallo Michael,

könnte es nicht sein, dass man denen ein Beruhigungsmittel gibt?
bewusst oder untergeschoben im Essen oder wie auch immer.

so wie die kleine „Alles sch… egal Tablette“, oder Spritze, die man vor einer Operation im Krankenhaus bekommt.

Wonach man je nach Stärke auch alles ruhig mitmachen würde?

Oder tritt da auch „Die Hoffnung stirbt als letztes“ ein?

Gruß Ma-kani

Hallo Michael,

Julius Streicher hatte sich in Nürnberg am Tage seiner Hinrichtung geweigert, sich anzuziehen, da er bis zum Schluss nicht glauben wollte, dass die Amerikaner es wagen würden, einen derart hochrangigen Nazi in Unterwäsche an den Galgen zu bringen.

Als er dann trotzdem auf den Richtplatz gezerrt wurde, kreischte er bis zuletzt hysterisch fortwährend „Heil Hitler, Heil Hitler“.

So gesehen, könnte es durchaus auch eine Charakterfrage gewesen sein.

Madame Dubarry soll sich allerdings auch verzweifelt gewehrt haben, aber frag mich jetzt nicht nach seriösen Quellen.

Gruß

Annie