Vorgetäuschte Straftat oder nicht?

Hallo,

ich habe den Verdacht, dass eine ehemalige Freundin sich selber Drohbriefe geschrieben hat. Sie hat dies damals auch zur Anzeige bei der Polizei gebracht. Ich habe irgendwann durch Schriftenvergleich (Postkarten an mich) eine deutliche Übereinstimmung der Schriften mit den Drohbriefen raus gefunden. Ich hatte damals sogar Kontakt mit der Polizeidienststelle aufgenommen, bei der sie damals die Anzeige gestellt hat. Sie hat irgendwann den Fall mit gegenüber als gelöst dargestellt, indem sie mir erzählte, dass zwei dreizehnjährige festgenommen wurden und es zu einer Gegenüberstellung kam. Ich habe danach Kontakt mit der Polizeidienststelle aufgenommen und diese schrieben mir, dass in der Zeit nichts im Zusammenhang mit den Drohbriefen bearbeitet wurde. Der Fall ist nun kann 2 Jahre her. Kann ich dies dennoch zur Anzeige wegen einer vorgetäuschten Straftat bringen?

Bist Du selbst betroffen?
Warum sprichst Du Deine „Freundin“ nicht darauf an?

So etwas klärt man im persönlichen Gespräch und nur wenn es sich tatsächlich um ein gravierendes Delikt handelt, kann man, wenn man keine andere Möglichkeit mehr sieht, etwas zur Anzeige bringen – aber nicht bei Eierdieben und/oder persönlich motivierten Verärgerungen.

Für mich persönlich sind Denunzianten, besonders bei solchen „Straftaten“, so ziemlich das Widerlichste, was ich mir vorstellen kann.
Mein Rat ist: Lass das!

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Deshalb ist sie ja eine ehemalige Freundin. Ich habe ihr meinen Verdacht geschildert und seitdem keinen Kontakt mehr. Zu meinem Verdacht hat sie sich nie geäußert. Sie hat damals mehrere Briefe an ihr Auto und in den Briefkasten ihrer Arbeitsstelle bekommen. Die Schilderungen rund um die Briefe wurden immer skurriler, weshalb ich irgendwann Kontakt mit der Polizei aufgenommen habe, bei der sie das damals angezeigt hat. Diese erklärten mit, dass es evtl. etwas psychisches sein könnte und dafür nicht die Polizei zuständig wäre. Aber wenn sie doch einen angeblichen Straftatbestand, den sie vortäuscht, angezeigt hat, dann ist das doch als Vortäuschung anzeigbar oder?

Was geht es dich an?
Wem schadet es?
Warum nicht ruhen lassen?
Sind noch Rechnungen offen?

Naja, sie hat mich wissentlich mit rein gerissen.

Die Frage ist, ob du deine Zeit nicht besser verbringen kannst, niemand wurde geschädigt etc. es ist sehr unwarscheinlich das es überhaupt zu einer Anklage kommen würde, da eine Nötigung durch unbekannt vortäuschen eher kein Kapitalverbrechen ist.

An deiner Stelle würde ich es auf sich beruhen lassen und meine Zeit mit sinnvolleren Dingen verbringen anstatt Anzeige zu erstatten etc…

Wo hat sie Dich wissentlich mit hinein gerissen?

Das halte ich für äußerst unwahrscheinlich. Die Polizei hätte die jedenfalls keine Auskunft erteilen dürfen.

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Ja.
Mach, was du nicht lassen kannst.

Die Polizei schreibt die Anzeige (das muss sie), der Staatsanwalt liest sie, überlegt und wird wegen der Geringfügikeit der Schuld und mangelndem öffentlichen Interesse das Verfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit einstellen.

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Diese Frage beantwortet sich fast von selbst, wenn man die Terminologie zurechtrückt und sich klarmacht, was die Wörter, die man spricht oder schreibt, bedeuten: Man erstattet Anzeige. Man kann eine Anzeige weder „bringen“ noch „stellen“. Man kann sie übrigens auch nicht „fallenlassen“. Gegenteilige Annahmen beruhen vermutlich darauf, dass

a) die Formulare bei der Polizei, auf denen „Strafanzeige“ steht, und die man unterschreiben muss, das Bild eines Antrages suggerieren,

b) die Leute von der Polizei es auch nicht besser wissen und die falschen Formulierungen darum selbst verwenden,

c) es tatsächlich auch sogenannte Strafanträge gibt, die man stellen kann, allerdings nur bei Antragsdelikten; ein Antragsdelikt ist vorliegend nicht ersichtlich.

Die Antwortet lautet daher: Ja, du kannst den Sachverhalt nach wie vor anzeigen.

Da deine Ex wohl Strafanzeige gegen unbekannt erstattet hat, dürfte eine Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung (§ 164 StGB) ausscheiden. Das Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB) käme in Betracht. Allerdings müsste der angezeigte Sachverhalt, seine Richtigkeit unterstellt, dann wirklich eine Straftat darstellen; eventuell haben wir es hier mit einer Bedrohung (§ 241 StGB) zu tun.

Für die moralische Beurteilung deines Anliegens fühle ich mich nicht zuständig.

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Der Ausdruck „etwas zur Anzeige bringen“ für „anzeigen“ ist durchaus üblich!

grafik

Das ist schon richtig, aber dabei sollte der wirklich wichtige Punkt, denn @Guybrush angebracht hat, nicht untergehen: Nämlich dass die meisten Menschen eine völlig falsche Vorstellung davoin haben, was eine Anzeige ist.

Gruß,
Max

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Absolut, dagegen habe ich auch nichts gesagt. :slight_smile:

hi,

jetz wollen wir aber auch wissen, welche Vorstellung die meisten Menschen haben.
Vorallem ich, weil mir so gar nicht einfallen mag, wie das aussehen könnte.

grüße
lipi

Die Vorstellung, die ich immer wieder zu erkennen meine, ist die, dass es sich bei einer Strafanzeige um das handelt, was in Wahrheit ein Strafantrag ist: eine förmliche Voraussetzung für die Strafverfolgung, antragsgebunden und zurücknehmbar. Da es sich aber nur um eine Sachverhaltsmitteilung handelt und man eine Mitteilung nicht zurücknehmen kann, und da folglich das Ermittlungsverfahren nicht durch eine Rücknahme der Anzeige beendet werden kann, und weil im Übrigen die Anzeige auch nur eine von mehreren Möglichkeiten ist, wie eine Ermittlungsbehörde Kenntnis von dem Sachverhalt erlangen kann, der den Anfangsverdacht einer Straftat begründet, ist dieses Verständnis falsch.

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@Guybrush hat es bereits ganz gut erklärt. Man merkt das auch bei irgendwelchen Skandalen, die durch die Presse gehen, und bei denen es dann am nächsten Tag heißt, nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe gingen 180 Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft ein - das ist natürlich witzlos, weil auch Staatsanwälte Zeitung lesen und man ihnen etwas, was sie bereits wissenm, nicht mitteilen muss.

Dass eine Anzeige „zurückgenommen“ wurde, hört man auch immer wieder in Fernsehkrimis. Oder dass der Polizist fragt „Möchten Sie Anzeige erstatten?“

Beste Grüße,
Max

Du weißt, dass ich in Rechtsdingen nicht gut bewandert, aber sehr interessiert bin, daher würde ich auch dieses mal mein Wissen erweitern.

Verstehe ich Deine Ausführungen richtig, dass es sprachlich/sachlich falsch ist, wenn ich die Polizeiwache stürme und sage: ich möchte meinen Nachbarn wegen Diebstahls anzeigen?

Müsste ich eigentlich, wenn ich den korrekten Sprachgebrauch pflegen und sachlich bleiben möchte sagen: *Ich möchte meinen Nachbarn melden. Er hat etwas gemacht, das nach meinem Empfinden ein Diebstahl ist. Folgendes ist nach meiner Beobachtung passiert: …"?

… wäre vermutlich „Mir ist etwas abhanden gekommen, aus den und den Gründen vermute ich einen Diebstahl, und aus den und den Gründen habe ich den Verdacht, dass es mein Nachbar war.“

Über die Jahre hinweg tauchte hier im Rechtsform immer wieder die Frage auf, ab man denn jemaden anzeigen könne, wenn man nur einen Verdacht und keine Beweise habe. Auch das ist ein Ergebnis der falschen Vorstellung, was eine Anzeige ist. Bei der Anzeige teilt man eindfach nur mit, was man weiß und vermutet, und solange man den Verdacht nicht wider besseren Wissens äußert, ist das auch kein Problem.

*Ich möchte meinen Nachbarn melden.

Du meldest einen Sachverhalt. „Mir ist heute nacht mein Rasenmäher abhanden gekommen. Gestern nacht habe ich eine Gestalt auf meinem Grundstück gesehen, die eine rote Baseballmütze auf dem Kopf trägt. Mein Nachbar besitzt eine derartige Baseballmütze. Beim Vorbeigehen konnte ich heute einen Blick in die Garage meines Nachbarn werfen und habe gesehen, dass dort ein Rasenmäher vom gleichen Typ wie meiner steht. Er hat auch hinten die gleiche Beule wie meiner.“

Aber, in der Praxis tut es „Ich möchte meinen Nachbarn wegen Dienstahl anzeigen“ auch." :slight_smile: Problematisch sind nur die falschen Bilder, die dadurch bei vielen Leuten im Kopf entstehen, und die dann zu „Ich möchte die Anzeige zurückziehen“ oder „Ich kann meinen Nachbar nicht anzeigen, weil ich keinen Beweis habe“ führen.

Grüße,
Max

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Nein, sprachlich falsch ist das nicht, siehe Sprachgebrauch u.a. auch in den Internerwachen
https://internetwache.polizei.nrw/
Der springende Punkt ist, dass du formal damit etwas zur Kenntnis gibst. Nach einer solchen Anzeige nimmt die Polizei das zur Kenntnis und
1 tut nix, weil sie den Sachverhalt so einordnet, dass da nichts zu ermitteln / weiter zu tun ist
-oder sie tut was. Dann hängt es davon ab, ob es um ein
2. a Antragsdelikt geht, das sich in
2.a1 relatives oder
2. a2 absolutes Antragsdelikt
Handelt oder
2. b ein Offizialdelikt.
Beim Offizialdelikt ermittelt die Polizei von selbst weiter. Beim absoluten Antragsdelikt tut sie das nur auf Antrag. Beim relativen Antragsdelikt tut sie das auch ohne Antrag dann, wenn ein besonderes Interesse festgestellt wird.

Diebstahl ist ein Offizialdelikt, das aber bei Geringwertigkeit zum relativen Antragsdelikt wird. Die Grenze der Geringwertigkeit liegt wohl so etwa bei 50€, der Rasenmäher wahrscheinlich höher, also wäre das ein Offizialdelikt. Wobei sehr wahrscheinlich die Polizei auch fragen wird, ob du Strafantrag stellen willst.

Und dann ist die Sache mit dem zurückziehen. Die Anzeige zieht man nicht zurück. Den Strafantrag müsste man zurückziehen. Letzteres würde wahrscheinlich bei relativen Antragsdelikten dazu führen, das nix passiert. Die Polizei ist überlastet und die Schwelle des öffentlichen Interesses eher höher.

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Meine Ausführungen können zu dieser Annahme verleiten. Die Formulierung „jemanden anzeigen“ halte ich aber für so legitim, wie sie ja auch gebräuchlich ist. Sie lädt zu keinen Missverständnissen über Formerfordernisse oder Fristen ein.

Ein solcher Satz ist zwar nicht falsch, aber überflüssig. Die juristische Beurteilung bekommt zumindest die Staatsanwaltschaft, die ja Herrin des Ermittlungsverfahrens ist, im Zweifel besser hin als jemand, der von Strafrecht nicht nur keine Ahnung hat, sondern auch nicht haben muss, weil entsprechende Kenntnisse ja Fachwissen sind.

Was die Fähigkeit der Polizei angeht, Sachverhalte strafrechtlich zu beurteilen, ist allerdings noch einmal ein Thema für sich. Es ist polemisch und nicht ganz ernst gemeint, aber als Referendar bei der Staatsanwaltschaft habe den Eindruck gewonnen, dass man bei der juristischen Prüfung die Strafnormen, welche die Polizei für einschlägig hält, von der Liste der in Betracht kommenden Straftatbestände direkt streichen kann.

Vielleicht steckt noch mehr dahinter. Zum Beispiel die tendenzielle Annahme, dass das Strafverfahren ein Parteienprozess ist, den man gewinnen oder verlieren kann. Polizei, Staatsanwaltschaft und Strafgericht sind aber von Amts wegen verpflichtet, die Wahrheit zu ermitteln. Ja, auch die Gerichte! Selbst die verbreitete Annahme, die Staatsanwaltschaft müsse dem Beschuldigten etwas nachweisen, ist daher falsch.

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