Wichtigstes Merkmal der Vorsokratiker ist, dass sie sich vom
Mythos abwendeten und von der Vernunft überprüfbare und
überprüfte Erkenntnisse suchten über das „was die Welt, im
innersten zusammenhält“.
Es ging weniger um ein „Abwenden“ vom Mythos und um das „Suchen“ nach Überprüfbarem, als vielmehr darum, den mythischen Welterklärungen, die sich von ihrer Natur her einem Beweis oder einer Überprüfung generell entziehen, ein überprüfbares und beweisbares Wissen über die Welt entgegenzustellen. Zu diesem Zweck mußten aber ersteinmal VERFAHREN des Begründens und Beweisens (das sind zugleich Verfahren auch des Widerlegens!) entwickelt werden. Auch (Schöpfungs-)Mythen versuchten zu erklären, WARUM die Welt („kosmos“) ist und WARUM sie SO ist, wie sie ist. Aber diese Erklärungen bestanden in eine Abfolge von immer wieder neuen Bildern, nicht in einer logischen und (empirisch) überprüfbaren Folgerichtigkeit.
Die in vorsokratischer Zeit versuchten BeweisVERFAHREN bestanden dann darin, ein „Prinzip“ („arche“, was zugleich auch „Anfang“ heißt) zu postulieren, das selbst einen Beweis nicht nötig hat, aus dem aber dann reproduzierbar (!) das (sinnlich wahrnehmbare) Vorhandene „abgeleitet“ werden konnte. Diese „Rückführung“ AUF einen „Grund“. und umgekehrt: die „(Wieder-)Herleitung“ AUS einem Grund kann man als die Anfänge von Be-GründungsVERFAHREN ansehen.
Dabei wollten sie ein Urprinzip, aus dem alles entstanden ist
und nach Gesetzen alles am Laufen bleibt, finden.
Diesem Prinzip gab man mehrere Namen: Wasser, Feuer, Geist,
„das Unbegrenzte“, Äther und noch einige andere.
Manche von diesen Namen klingen eher „materiell“, andere mehr
„abstrakt, ideell“. Sie sind aber stets beides.
Völlig richtig! Es waren zwr „sinnliche“ NAMEN für Prinzipien („archai“), aber es waren trotzdem Begriffe, die man später als „abstrakt“ bezeichnen würde (den Ausdruck „abstrakt“ gab es noch nicht). Ein erstes tatsächlich abstraktes Prinzip ist wohl das „apeiron“ (das Unbegrenzte) des Anaximander. Dagegen SCHIEN das Wasser des Thales oder die vier „Elemente“ („Feuer“, „Wasser“, „Luft“, „Erde“) des Empedokles noch „sinnlich“ zu sein. Die letzteren sollten durch attraktive („Liebe“) und repulsive („Haß“) Bewegungen für die reichere Struktur der sinnlichen Realität verantwortlich sein.
Bei manchen gab es sowohl pseudosinnliche als auch abstrakte Überlegungen: so Heraklit mit dem „Feuer“, der aber auch Überlegungen über den „logos“ (Vernunft) machte, sowie über das „Sein“ („Sein und Nichtsein ist dasselbe“…). Wichtig vor allem Parmenides mit seinen Ausführungen über das „Sein“ („Nichtsein“ sei ein sinnloser Begriff…) und Anaxagoras über die Vernunft („nus“).
Nicht zuletzt muß natürlich die Entwicklungsgeschichte des abstrakten Atomismus erwähnt werden (Anaxagoras, Leukipp, Demokrit)
Der Äther („aither“) spielte zunächst noch eine mythische Rolle (Hesiod), er wird erst bei Aristoteles zum philosophischen Terminus. Auch der Begriff „Geist“ („pneuma“) wird erst in der Stoa zum philosophischen Terminus.
Gruß M.G.