Vorwurf Überreaktion

sehr geneigte leser und leserinnen,

diese frage richtet sich an die lebenserfahrenen user, die eine feste persönlichkeit haben und an jene, die den richtigen umgang in konfliktsituationen erlernt haben.

was tun sie, wenn eine person ungerechtfertigt behauptet, sie reagieren über, obwohl dies nicht der fall ist?

ich möchte jetzt nicht ins detail gehen, es gäbe zu zahlreiche beispiele, zudem möchte ich keine diskussion erwirken oder grundsatzfragen behandeln.
fakt ist, dass mich diese behauptung jedes mal aufs neue fassungslos macht und ich nichts zu erwidern weiß.
wenn ich mich rechtfertige, wird mir ohnehin nicht zugehört, demnach finde ich nicht die richtigen worte, um einen gleichbleibend seriösen eindruck zu erwecken.

was machen sie in einer solchen situation, wenn man sich ihr nicht entziehen kann, also verbal reagieren muss?

es würde mich wirklich sehr freuen, wenn sie mir weiter helfen könnten. im vorfeld möchte ich mich schon einmal für ihre aufmerksamkeit bedanken.

hallo asking,
deine fragestellung ist zu allgemein um eine bewertung vornehmen oder einen ratschlag geben zu können.
ich gehe davon aus, dass du ein mann bist und die person, welche das behauptet eine frau (deine partnerin).
falls es erst in letzter zeit passiert, könnte ein ereignis ausserhalb eurer partnerschaft oder etwas zwischen euch unausgesprochenes ursächlich sein. von heute auf morgen passiert das nicht ohne grund…
so, mehr will ich jetzt nicht mutmaßen.
lieben gruß eberhard

es kam die frage auf, ob es um meine partnerin geht und das kann ich verneinen, es handelt sich in meinem fall nicht um meine frau, die mir derlei vorwürfe macht, sondern um überwiegend fremde personen aus dem alltäglichen leben.
das kann ein nachbar sein, ein postbote oder eine person aus einem forum, ein therapeut, ein lehrer, im grunde können sie es sich aussuchen, es ist unrelevant.

im prinzip passieren diese vorwürfe dann, wenn ich beispielsweise helfen möchte, eine andere meinung als mein gegenüber vertrete oder mich für etwas unrechtes einsetze, sei es sozial oder für die umwelt. dabei gehe ich allerdings nicht aggressiv vor, wie man jetzt vielleicht annehmen mag, ich arbeite mit argumentationen und ich glaube nicht, mit meiner ansicht unfehlbar zu sein.

wie ich in meinem vorhergegangenen beitrag schrieb, hat es wirklich keinen speziellen grund, doch kommt es so manches mal in meinem alltag vor. die situationen, wie es zu solchen auseinandersetzungen kommt, können vielfältig sein. es genügt schon, wenn ich mir zum beispiel mehr höflichkeit im umgang miteinander wünsche.

letztlich betrifft meine frage die äußerung, ich überreagiere, wenn ich meine meinung vor fremden menschen vertrete, selbst wenn ich diese anderen menschen keinesfalls aufdränge und ich deutlich betone, es handle sich um meine persönliche einschätzung.
den fokus möchte ich gerne auf den kern meiner ursprünglichen frage zurück lenken und es wäre mir ein bedürfnis, wenn man meine wahrnehmung zunächst akzeptiert und nicht als halbwahrheit ablehnt.

Lieber Frager, liebe Fragerin,
kurz zu mir: Lehrerausbilder, drauf habe ich verschiedene Beratungstechniken, Kommunikationstheorien etc., 51 Jahre alt.
Ich werde Ihnen jetzt ein paar Tipps zu geben, Ihre Frage gibt mir dazu die Erlaubnis, denn Ratschläge sind eigentlich auch Schläge.
Vorweg: bin selber immer noch, und das nach 20 Jahren Beschäftigung mit dem Thema, auf dem Weg, mache „Fehler“, reagiere auch mal über.

  1. Den Inhalt der Botschaft bestimmt der Empfänger. es kommt immer darauf an, auf welchen Ohr wir hören (google "4-Ohren-Modell). Die meisten hören auf dem „Beziehungsohr“, finde ich.
    Also: man schaue, WIE man hört.

  2. Überreaktionen zeugen meines Erachtens von großem innerem Engagement, Temperament und Sensibilität und auch von angestautem Ärger („mir wird ohnehin nicht zugehört“).
    Also: man überlege, ob man nicht ohnehin sauer auf die andere Person ist, Rechnungen offen hat etc.

  3. Die Gefühle, die hoch kommen in zB Diskussionen, haben häufig nichts mit der Gegenwart zu tun, sondern sind Gefühle aus vergangenen Erfahrungen. Ich selbst zB habe ein lebenlanges Thema mit „Respekt“, als kleinster der Familie eine „Erbschaft“ aus der Kindheit. Wenn ich nicht respektiert werde, dann kann ich schon mal innerlich kochen, aber es sind MEINE Gefühle, für die der aktuell andere nichts kann. Denn ich weiß: es gibt Zeiten MIT viel Respekt, die ich manchmal gar nicht wahrnehme.
    Also: ist es wirklich IMMER so? und: ich bin für meine Gefühle selbst verantwortlich, nicht der andere.

  4. Wenn es mal anders ist frage ich mich, wie das passieren konnte und was ich in dieser Situation, kann auch eine Ausnahme sein, anders gemacht habe.
    Also: schaue auf die Ausnahmen und frage Dich, was anders war, wie anders Du dabei warst. Das war wohl erfolgreicher.

  5. Kommunikation nach Rosenberg (google"Gewaltfreie Kommunikation") läuft so ab:
    a: sie sagen was sie sehen, ganz wertfrei („ich sehe Du machst mir Vorwürfe“ etc)
    b. Sie sagen ruhig, wie Sie sich dabei fühlen („das verletzt mich“ etc.)
    c. Sie sagen was sie wollen („ich möchte, dass man mir zuhört“) etc.
    d. Sie formulieren einen Wunsch („ich bitte Dich, mich nicht mehr in diese Ecke zu stellen, da gehöre ich nicht hin“) etc.

Die Beispiele mögen unpassend sein, es sind auch nur Beispiele. Kommunikation ist ein weites Feld und scheitert immer wieder. Ihr Wunsch, etwas zu verändern ist vielleicht der erste Schritt, aus „Spielchen“ auszusteigen. Das ist schmerzhaft, kann ganz viel ändern, dauert, schafft manchmal einen ganz neuen Blick in die Welt.
Ich hoffe ich konnte Ihnen ein wenig helfen und wünsche Ihnen für Ihren weiteren Weg viel Glück und Zufriedenheit.

mit herzlichen Grüßen

hallo asking,
ich möchte behaupten, dass es einen großen unterschied macht, ob du einer person im dialog persönlich gegenüber stehst oder du dich im forum schriftlich äußerst. eine überreaktion von dir kann ich bis jetzt nicht erkennen. du fragst nach, bleibst aber immer noch sehr allgemein. wie nimmst du dich selbst wahr? verstehst du deinen gegenüber manchmal, warum er dir eine überreaktion unterstellt? du wirst nicht immer überreagieren. leidest du evtl. unter stimmungsschwankungen? dass wir menschen mit unterschiedlicher intensität unsere meinung vertreten ist doch vollkommen normal.

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vielen dank auch für ihre antwort, martin.

wenn sie nichts einzuwenden haben, hätte ich eine frage an sie.
was kann man tun, wenn man auf der sachlichen ebene nicht weiter kommt, wenn das fragemodell nach rosenberg nicht funktioniert?
nach diesem modell handle ich, seit ich denken kann und es hat mir im alltag nichts gebracht, wenn mein gegenüber nicht nach denselben regeln handelt, die ich befolge.

das vierohrenmodell/ vier-seiten-modell ist mir in der tat ein begriff. ich muss gestehen, an dieser stelle existiert bereits ein hindernis. wenn ich mit anderen kommuniziere, funktioniere ich überwiegend auf der sachebene, dieser folgt die selbstoffenbarung. die beabsichtigte wirkung, den apell, nutze ich wirklich nur dann, wenn es unbedingt vonnöten ist und außgenommen meiner frau nimmt mich da kaum ein mensch ernst. mit grenzüberschreitungen im alltag habe ich häufig zu tun, selbst wenn ich jene grenzen deutlich definiere.
die beziehungsebene überspringe ich bei diesem modell komplett. an anderen menschen habe ich, außerhalb des nötigen informationsaustausches, kein interesse, auch kann ich deren emotionen während eines gespräches nicht deuten.

Zum zweiten punkt möchte ich erwähnen, es ist keinesfalls so, dass ich einer mir fremden person im vorfeld etwas negatives möchte. ich bin nicht sauer auf sie. weswegen auch, wenn sie mir nichts getan hat? und selbst wenn es in der vergangenheit vereinzelt vorgekommen sein sollte, dass mein gegenüber einen schlechten tag hatte und seine schlechte laune nicht verbergen konnte, so kann es bei einer nächsten begegnung durchaus anders sein. erst, wenn negative situationen sich im bezug zu dieser person häufen, dann erst gehe ich in eine vermeidende position.

mit dem dritten punkt, muss ich gestehen, kenne ich mich nicht ausreichend aus, wohl kann ich mir anhand von logik durchaus vorstellen, dass ein jeder seine gefühle aus der vergangenheit weiterhin bei sich trägt.
doch was, wenn andere menschen unangemessene emotionen gegen mich richten? ist es das ziel einer therapie oder eines coachings, dabei nichts zu empfinden, es vollkommen an sich abprallen lassen zu können?

bezüglich des vierten punktes kann ich ihnen anvertrauen, dass ich mir nach jedem gespräch, das negativ verläuft, gedanken gemacht habe, weswegen es so weit gekommen ist. oft dachte ich darüber nach, weswegen es andere male besser lief. es ist bei mir so, dass es stets dieselben situationen sind, die mich irritieren und ärgern. ich kann mich nicht erinnern, wann ich in einem ähnlichen konflikt etwas anders, besser gemacht habe. man kann streit, selbst unter größten mühen, nicht immer aus dem weg gehen, insbesondere dann nicht, wenn die aktion von jemand anderem kommt.

guten abend Eberhard.

ich muss ihnen gestehen, dass ich ihre zweite antwort tatsächlich übersehen habe. das tut mir leid.

leider ist es so, dass ich in foren ebenso anecke, wie im alltäglichem leben. ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein grundproblem in meiner art der kommunikation existiert, aber selbst ich kann nicht immerzu unangemessen agieren und reagieren. irgendetwas kann durchaus an mir sein, was die menschen, mit denen ich interagiere, nicht mögen.
vielleicht drücke ich mich unverständlich oder umständlich aus, vielleicht nicht mehr zeitgemäß oder aber ich wirke, außerhalb meiner wohnung, optisch seltsam auf andere, habe einen eigenartigen gang? tatsächlich ist es mir ein rätsel und selbst therapeuten konnten mir bisher nicht mitteilen, woran diese problematik liegen könnte. da ich unter den konfliktsituationen, in die ich gerate, sehr leide, ist es mir ein starkes bedürfnis, diese angelegnheit aufzulösen, damit ich an mir und einem veränderten umgang mit krisenmomenten arbeiten kann.

wie ich mich selbst wahrnehme, ist schon eine interessante frage. ich glaube von mir sehr höflich und freundlich zu sein, kann durch meine ehrlichkeit sehr direkt werden, ich bin nicht sehr sozial, arbeite und lebe gerne für mich, wohl bin ich aber solidarisch und naturverbunden. ich bin rational und manches mal wohl überkorrekt, halte mich penibel an vorschriften, sofern sie meiner meinung nach sinnvoll und notwendig sind und tatsächlich empfinde ich die meisten vorschriften als angemessen. ich versuche andere menschen zu verstehen, doch das gelingt mir überwiegend leider nicht. ich möchte mich emotional und intellektuell weiter entwickeln und -bilden.
mir wurde gesagt, dass ich genauso reden, wie schreiben würde.
und nein, wenn ich mein gegenüber verstehen könnte, weswegen es mir eine überreaktion vorwirft, dann wäre ich tatsächlich einen schritt weiter und könnte irgendwann vielleicht angemessen darauf reagieren oder aber eine solche situation im vorfeld vermeiden.
ich leide unter keinen stimmungsschwankungen, habe allerdings einen stark ausgeprägten gerechtigkeitssinn.

vielen dank auch für ihre antwort.

Ich denke mit der Feststellung ein anderer behaupte etwas ungerechtfertigt sollte man prinzipiell vorsichtig sein. Subjektiv betrachtet hat jeder seine Gründe, die allerdings für andere nicht unbedingt so nachvollziehbar sein müssen.
Es bleibt nur eine Lösung: Man reflektiert die Situation von beiden Seiten, betrachtet sie von einem erhöhten Standpunkt, sozusagen von außen, als fiktiver Dritter, und kommt dann zu einer Entscheidung wie stark die eigene Beteiligung und die des anderen zu sehen ist.
Vor allem sollte man die eigenen Verhaltensweisen kritisch hinterfragen wenn der Vorwurf schon des öfteren kam und dann seine Fähigkeit zur Selbstreflexion schulen.
Auch die pauschale Behauptung „wenn ich mich rechtfertige, wird mir ohnehin nicht zugehört“, deutet eher auf eine Opfermentalität hin und sollte nicht verallgemeinert werden.

schönen guten morgen asking!

du schreibst von erfahrungen mit therapeuten, die dich nicht weiter gebracht haben. aber wer sollte dir noch helfen können, außer ein guter therapeut? ich kann meine mitmenschen nicht ändern, also muss ich einen weg finden mich zu verändern. warum ich so oder anders bin hängt oft mit unverarbeiteten schlimmen erlebnissen in meiner kindheit zusammen. da kann ein guter therapeut ansetzen, wenn ich vertrauen habe und mich ihm öffnen kann.

vielen menschen hilft die religion oder meditation zur lebensbewältigung. meine erfahrung hier ist, dass mir religion weniger hilft. hier besteht eine gewisse gefahr, sich von der realen welt abzukoppeln und nur noch mit den „geschwistern“ kontakt zu haben. wer irgendwann nicht mehr glaubt fühlt sich danach erst recht als „aussenseiter“…
ansonsten kann ich nur noch raten, den dingen möglichst gelassenen zu begegnen. jedem kann ich’s nicht recht machen.
ich wünsche dir einen schönen tag!
eberhard

Lieber Asking,
ich lese ihre schnelle Antwort und freue mich über eine mE reflektierte Antwort und über echte Vorkenntnisse in Sachen Kommunikation.
Gleichzeitig stoße ich über das Medium an meine Beratungsgrenzen.
Das ist schade, ist nun aber den Grenzen geschuldet, die das Internet bietet.
Sollte Ihre Belastung allzu groß werden, ist es ja immer noch möglich, 25 oder 50 psychotherapeutische Stunden sich verschreiben zu lassen. Tiefenpsychologen mit Kassenzulassung werden gezahlt. Habe ich vor Jahren mit auch mal gegönnt.
Wünsche Ihnen viel Glück für den Weg, den Sie einschlagen,
HG Martin

Hi, da kann ich leider nichts dazu beitragen. Trotzdem herzl. Gruß. Manfred

Hallo,

es tut mir echt leid, dass ich erst jetzt antworte. Mit großer Wahrscheinlichkeit hast Du schon Antworten erhalten, so dass ich mich jetzt nicht mehr einbringe.

Ich hoffe Du hast einen Weg gefunden.

Alles Gute, Masai