Wärmeproduktion durch Zellatmung

Hallo,
ich habe gelernt, dass gleichwarme Tiere ihre Körperwärme durch alle biochemischen Prozesse im Körper aufrecht erhalten, vor allem aber durch die Zellatmung. Jedoch betreiben ja auch wechselwarme Tiere Zellatmung und müssten demnach auch mindestens 60% der Energie der Zellatmung in Wärme abgeben.

Liegt der Unterschied bezüglich der Wärmeproduktion (nicht der Isolationsmechanismen oder Steuerungsmechanismen) also nur darin, dass gleichwarme Tiere die Prozentzahl der Wärmeabgabe bei der Zellatmung bei Bedarf weiter erhöhen können?

Müssten dann nicht auch wechselwarme Tiere ein „Temperaturfenster“ besitzen, in dem sie ihre Körpertemperatur konstant halten können?

Vielen Dank im voraus für die Antworten

Hallo!

Das ist durchaus richtig.

Man versucht ja auch mittlerweile die Begriffe „gleichwarm“ und „wechselwarm“ zu vermeiden, weil sie missverständlich sind.

Tiere, die ihre Körpertemperatur nicht regulieren, können eine sehr konstante Körpertemperatur haben - eben weil die Umgebungstemperatur sehr konstant ist (z. B. Tiefsee). Andererseits können angeblich „gleichwarme“ Tiere beträchtlich schwankende Körpertemperaturen haben (z. B. Winterschlaf).

Deswegen sind die besseren Begriffe endotherm und ektotherm. Endotherme Tiere können „von innen heraus“ Einfluss auf ihre Körpertemperatur nehmen (z. B. Verbrennung von Fettgewebe, Muskelzittern, Schweiß-Sektretion, …). Außerdem verfügen sie oft über Einrichtungen, die den Wärmeverlust minimieren (z. B. Fell, Federn, Blubber, …). Ektotherme Tiere können das nicht. Nichtsdestotrotz hängt ihre Körpertemperatur durchaus (auch) von ihrer körperlichen Aktivität ab.

Michael

Nachtrag
Ich habe da etwas falsch ausgedrückt:

gleichwarm/wechselwarm sind natürlich immer noch gebräuchliche Begriffe, aber haben keinen systematischen Wert.

Genauso verhält es sich mit endotherm/ektotherm.

Beide Begriffspaare sind jeweils rein physiologisch. Das alte Begriffspaar kaltblütig/warmblütig suggeriert eine systematische Bedeutung, die der Körpertemperatur nicht zukommt. Außerdem ist das entscheidende nicht der Absolutwert der Körpertemperatur, sondern ihre Regulation. Deswegen ist dieses Begriffspaar veraltet.

Ich hoffe, dass es jetzt klarer geworden ist.

Liegt der Unterschied bezüglich der Wärmeproduktion (nicht der
Isolationsmechanismen oder Steuerungsmechanismen) also nur
darin, dass gleichwarme Tiere die Prozentzahl der Wärmeabgabe
bei der Zellatmung bei Bedarf weiter erhöhen können?

Säugetiere verbrauchen einen erheblichen Teil der Nahrung ja nur zur Wärmeproduktion. Beispiel: Um 1 kg Gewichtszunahme beim Schwein zu erzielen, muss man ca. 4,5 kg Getreide füttern. Um 1 kg Gewichtszunahme beim Karpfen zu erreichen, genügen ca 1,5 kg Getreide als Futter.
Deine Wortwahl „Prozentzahl der Wärmeabgabe“ suggeriert mir, dass Du der Meinung bist, die Zelle könnte den Wärmeanteil bei einer biochemischen Reaktion steuern. Das ist aber nicht der Fall, da jede chemische Reaktion mit einer definierten unveränderbaren Wärmemenge abläuft.
Udo Becker

Das Ganze ist mehr eine Frage der Überlebensstrategie denn der Chemie.

Säugetiere und Vögel „verschwenden“ Unmengen Energie, nur um stets ihre Temperatur zu halten, zur Not durch Zittern, Zähneklappern etc.

Der Erfolg in der Evolution gibt ihnen Recht, dass dies EINE erfolgreiche Strategie ist. Zur Not mal ein paar Monate nichts zu essen und Kälte Kälte sein lassen, ist eine andere, siehe Krokodile und Schlangen, z.B. Wobei die auch nicht völlig blöd sind, und sich mal gern in die Sonne legen, s. Temperaturfenster.

Die Frage nach dem Stoffwechsel geht also in die falsche Richtung, wobei betont sein mag, es gibt keine dummen Fragen, sondern nur Leute, die zu dumm zum Fragen sind.

Alles in allem geht die Evolution auch recht undogmatisch mit dem Problem um, Winterschlaf, Temperaturspanne bei Kamelen u.v.a. Zoelomat

Hallo Udo,

Deine Wortwahl „Prozentzahl der Wärmeabgabe“ suggeriert mir, dass Du
der Meinung bist, die Zelle könnte den Wärmeanteil bei einer
biochemischen Reaktion steuern. Das ist aber nicht der Fall,

doch. :wink:

da jede chemische Reaktion mit einer definierten unveränderbaren
Wärmemenge abläuft.

Die Energiebilanz bei einer chemischen Reaktion ist zwar konstant (das hast du sicher damit gemeint), nicht jedoch die freigesetzte Wärme. Das ist ja nur eine von mehreren möglichen Energieformen. Ein variabler Teil der freiwerdenden Energie wird in vielen Organismen zur oxidativen Phosphorylierung verwendet (bleibt also im Endeffekt „chemisch“), der ebenso variable Rest wird tatsächlich als Wärme frei. Warum variabel?

Es sind sowohl bei Tieren als auch Pflanzen Proteine bekannt, sog. UCP (uncoupling proteins) bzw. Thermogenine, die einen Kurzschluss des Protonengradienten an der Atmungskette bewirken und somit den Anteil der freigesetzten thermischen Energie beachtlich steigern und im Gegenzug den Anteil der ATP-Produktion entsprechend drosseln können. Die Wärmeproduktion unterliegt also oft durchaus einer Regulation. Viele Organismen können quasi in einem gewissen Rahmen entscheiden, in welche Form die freiwerdende Energie der energieleifernden Reaktion tendenziell vermehrt umgewandelt werden soll.

Das ist beispielsweise bei Winterschläfern so, wo von ATP-Produktion auf Wärmeproduktion umgeschaltet wird. Das ist freilich kein ON/OFF-Prozess, sondern wird fein reguliert. So etwas gibt es aber auch beim Menschen, wo bei Säuglingen durch die UCP im braunen Fettgewebe die zitterfreie Wärmeproduktion reguliert wird. Ich will auch die thermogenen Pflanzen nicht vergessen, welche die Temperatur einzelner Pflanzenorgane ganz gezielt hochregulieren können, wie beispielsweise einige Aronstab-Arten. Auch hier spielen neben alternativen Oxidasen UCP eine Rolle.

Die gemeinhin zum besseren Verständnis der Abläufe in den Schulen gelehrte Annahme, dass eine biochemische Reaktion wie beispielsweise die vollständige Glucoseoxidation am Ende ganz statisch immer soundsoviel Reduktionsäquivalente und soundsoviel ATP (und soundsoviel Wärme) bringt, stimmt also nicht ohne Weiteres. Das fällt selbst an vielen Universitäten leider irgendwie gerne mal unter den Tisch, trägt aber auch nicht wirklich zum Verständnis der zu vermittelnden Grundlagen bei.

LG
Huttatta