Wässerchen trüben?

Hallo zusammen,
also jetzt hab ich heute mal wieder den Ausdruck „er kann kein Wässerchen trüben“ gehört, also im Sinne von „unschuldig wirken“. Woher kommt das eigentlich? Heißt es überhaupt: „Er/Sie kann kein Wässerchen trüben (aktiv)“ oder „Ihn/Sie kann kein Wässerchen trüben (passiv)“?
Ich dachte schon so in Richtung Wodka-Panscherei (Wodka heißt ja glaub ich Wässerchen), lieg ich damit falsch?

Experten der deutschen Sprache, bitte antwortet mir.

Gruß Alex

Hallo !

Kein Wässerchen trüben können: niemandem etwas zuleide tun, harmlos, ungefährlich, unschuldig sein (oft allerdings mit dem Nebensinn der eben nur scheinbaren Harmlosigkeit); obersächsisch-erzgebirgisch ‚Mancher kann kee Wässerchen trüben‘, er ist gutmütig, dumm. In der Altmark sagt man in gleichem Sinn: ‚He hat keen Minschen dat waoter gelömert‘ (zu ‚lumig‘ = trübe). Die Redensart geht offenbar auf die Äsopische Fabel vom Wolf und Lamm zurück. Ein Wolf trinkt aus einem Bach und bemerkt weiter unten an demselben Bach ein Lamm; er fährt darauflos und frißt es, weil es ihm das Wasser getrübt habe, trotz des demütigen Einwandes des Schafes, daß das ja gar nicht möglich sei, weil das Wasser nicht bergauf fließe. Auch Phaedrus berichtet um 40 n. Chr. diese Begebenheit in seinen ‚Fabulae‘ (I, l). In völliger Verkehrung der Tatsachen ruft bei ihm der Wolf dem Lamm zu: »Cur (inquit) turbulentam fecisti mihi aquam bibenti?« (= Warum machst du mir das Wasser trüb, wenn ich hier trinke?) Vergleiche Büchmann. Die Redensart kommt in übertragener Bedeutung schon bei dem Prediger Berthold von Regensburg im 13. Jahrhundert vor, dann in Sebastian Brants ‚Narrenschiff‘ und bei Luther; bei Hans Sachs in der Formulierung: »und hat kein wasser nie betrübet«. Die Form ‚kein Wässerchen betrüben‘ hält sich bis ins 18. Jahrhundert
Der Redensart liegt wohl außer der antiken Fabel auch die alte Vorstellung zugrunde, daß der klare Spiegel des Wassers sich trübe, wenn ein böser Mensch hineinschaut. Wer also nicht böse ist, trübt es nicht. Eine andere Färbung gewinnt der Ausdruck aufgrund einer Stelle des ‚Venus-Gärtleins‘, in welcher von dem Turteltäubchen, dem das Weibchen gestorben ist und das infolgedessen auf dürrem Aste sitzt, gesagt wird:

Wanns sich dann wil laben,
Thut es sich dann baden,
Und macht das Wasser trüb,
Das kompt von großer lieb.

Die Taube trübt also das Wasser, indem sie ihm gleichsam ihre eigene seelische Trübung (Betrübnis) mitteilt. Dieses Wassertrüben würde nicht eintreten, wenn sie nicht in Betrübnis und Schmerz sich befände. Verallgemeinert: Wer nicht in Kümmernis und Harm befangen, vielmehr harmlos (in altem Sinne) ist, trübt das Wasser nicht, nicht einmal ein Wässerchen. Daher die Redensart von völlig harmlosen oder, in Weiterentwicklung, von harmlos scheinenden Menschen gebraucht. In letzterer Anwendung in Hans Sachs’ ‚Heiß Eisen‘ (232): Die durchaus nicht harmlose Frau stellt sich, »sams nie kein wasser trübet het« (F. Söhns, S. 640f.).

[Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten: Wasser, S. 4 ff.Digitale Bibliothek Band 42: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten, S. 6905 (vgl. Röhrich-LdspR Bd. 5, S. 1698 ff.) © Verlag Herder]

Gruß max