Wagner und Mendelssohn

Richard Wagner verwendet in seinem „Ring“ – zum ersten Mal in der „Walküre“ – das so genannte Todesklage-Motiv. Leider kann ich es hier mangels technischer Möglichkeiten nicht darstellen.

Dieses Motiv ist auf verblüffende Weise verwandt mit dem Thema des Andante con moto, das den ersten Satz von Mendelssohns „Schottischer“ Symphonie einleitet. Lediglich die Wendung in den beiden letzten Noten ist bei Mendelssohn ein wenig anders. Die Tonarten sind einander nicht ganz fremd: fis-moll bei Wagner, a-moll bei Mendelssohn. Wenn es zutrifft, dass Mendelssohn der Einfall beim Besuch der Kapelle Maria Stuarts in Schottland gekommen ist, gäbe es sogar einen inhaltlichen Bezug.
In der Literatur habe ich bisher nichts über diese Motivähnlichkeit gefunden. Weiß wer was?
goll

Hallo Goll,
interessante Beobachtung! Ist mir bisher nicht aufgefallen, obwohl ich beide Werke kenne!
Dennoch vermute ich, dass keine große inhaltliche Sache dahintersteckt. Der eine (Wagner?) hat die Tonfolge vom anderen „geklaut“, beide haben aber aus den Tönen etwas völlig verschiedenes gemacht:

Mendelssohn den Anfang einer geschlossenen Form (das Motiv wird ja durch ein weiteres Motiv zur Tonika zurückgeführt, insgesamt mit wenig Modulationen, sehr „gesanglich“, fest im tonalen System verankert, als Anfang seiner Sinfonie.

Wagner als Motiv in seinen „Musikdramen“, mit einer offenen, „unendlichen“, starkt modulierenden, die Grenzen der Tonalität berührenden Technik.

Beide sind Meister, aber ganz unterschiedlich, und die „Töne“ nur Bausteine für ihre jeweilige Musik.
Wie siehst du es?
Gruß!
Christian

Richard Wagner verwendet in seinem „Ring“ – zum ersten Mal in
der „Walküre“ – das so genannte Todesklage-Motiv. Leider kann
ich es hier mangels technischer Möglichkeiten nicht
darstellen.

Dieses Motiv ist auf verblüffende Weise verwandt mit dem Thema
des Andante con moto, das den ersten Satz von Mendelssohns
„Schottischer“ Symphonie einleitet. Lediglich die Wendung in
den beiden letzten Noten ist bei Mendelsson ein wenig anders.
Die Tonarten sind einander nicht ganz fremd: fis-moll bei
Wagner, a-moll bei Mendelssohn. Wenn es zutrifft, dass
Mendelssohn der Einfall beim Besuch der Kapelle Maria Stuarts
in Schottland gekommen ist, gäbe es sogar einen inhaltlichen
Bezug.
In der Literatur habe ich bisher nichts über diese
Motivähnlichkeit gefunden. Weiß wer was?
goll

Wagner als Motiv in seinen „Musikdramen“, mit einer offenen,
„unendlichen“, starkt modulierenden, die Grenzen der Tonalität
berührenden Technik.

Beide sind Meister, aber ganz unterschiedlich, und die „Töne“
nur Bausteine für ihre jeweilige Musik.
Wie siehst du es?
Gruß!
Christian

Hallo Christian,
vielen Dank für die Reaktion. Ich sehe das ebenso; und das Verblüffende ist ja gerade, wie ein Thema trotz fast identischer Form zweimal so total unterschiedlich klingen kann.
Was mich nicht losließ, war der Gedanke, dass da vielleicht irgendwo eine Äußerung Wagners existiert - er hat ja z. B. mit Cosima öfter mal über neu gefundene Themen gesprochen. Und Mendelssohns Musik hat er ja sehr geschätzt, wenn er sich auch über die Juden ganz unqualifiziert ausgelassen hat. Mendelssohn seinerseits hat ja berichtet, dass ihm am Grab der Maria Stuart das Thema in den Sinn gekommen sei - ist ja von der Stimmung dem Todesahnungs-Motiv auch nicht ganz fremd.

Gruß
goll

Hallo Goll!

Und Mendelssohns Musik hat er ja sehr geschätzt, wenn er sich auch
über die Juden ganz unqualifiziert ausgelassen hat.

Eine schöne Ironie der Geschichte: Ein „jüdisches“ Motiv an zentraler Stelle der Lieblingsmusik der Nationalsozialisten! Da hatte also sogar schon auf dem musikalischen Gebiet der jüdische Bolschewismus das reine Germanien 1853 unterwandert…Armer Nationalsozialismus! Deine Theorie frommt wirklich nur ganz beschränkten Geistern!

Wagners Antisemitismus und seine dazu nicht passende Wertschätzung Mendelssohn ist mir bekannt. Wagner ist sicherlich insgesamt ein sehr widersprüchlicher Mann gewesen: Als junger Mann Revolutionär, später Günstling des bayrischen Königs. Er muss ungeheuer von sich selbst überzeugt gewesen sein - sonst hätte er nie Jahrzehnte an Projekten festgehalten, für die sich zunächst kaum jemand interessierte - vielleicht wäre er mir bei einer persönlichen Bekanntschaft nicht besonders sympathisch gewesen - aber seine Musik ist in ihrer Differenzeritheit, ihrer Vielschichtigkeit, ihrer Kraft und ihrer Komplexität einfach genial!
Gruß!
Christian

Hallo Manfred, hallo Goll!

Und Mendelssohns Musik hat er ja sehr geschätzt, wenn er sich auch
über die Juden ganz unqualifiziert ausgelassen hat.

Wagners Antisemitismus und seine dazu nicht passende
Wertschätzung Mendelssohn ist mir bekannt.

Mir leider nicht. Ich bin nicht besonders vertraut mit der aktuellen Wagner-Forschung, aber im Studium habe ich gehört, dass die Ansicht, Wagner sei Antisemit gewesen, hauptsächlich auf seiner Schrift Über das Judentum in der Musik zurückgeht; diese allerdings beschäftige sich hauptsächlich mit der Musik Meyerbeers, die Wagner verachtete, was er dann (wahrscheinlich um die Verkaufszahlen zu erhöhen) in antisemitisch verallgemeinernde Betrachtungen einkleidete. Ansonsten soll er doch einige jüdische Bekanntschaften gepflegt und auch sonst nicht weiter aufgefallen sein.
Ich bin allerdings gerne bereit, mein solides Halbwissen auf diesem Gebiet zu erweitern.

Liebe Grüße,
Immo

Hallo Immo, das ist vollkommen richtig , was Du schreibst !Seine Schrift bezieht sich auf die Ablehnung Meyerbeers . Mit Antisemitismus in dem Sinne, wie wir ihn heute verstehen, kann man Wagner nicht in Verbindung bringen, das ist völlig absurd. Er hatte viele jüdische Freunde und enge Mitarbeiter,die er schätzte , zu denen Carl Tausig,Heinrich Porges,Josef Rubinstein,Angelo Neumann und vor allem Hermann Levi gehörten, dem er 1882 die musikalische Gesamtleitung der Parsifal Festspiele anvertraute.

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