Wahl des Pflegeheims

Hallo erfahrene Semester,

was würdet ihr empfehlen?

Eine sehr alte Dame - schwerhörig - fast blind - gehbehindert - etwas dement, aber noch an allem interessiert - muß ins Pflegeheim. Zu Auswahl stehen die Heime „Daheim“ oder „Auswärts“.

„Daheim“ liegt im gleichen Wohnort der Seniorin, aber in einem anderen Stadtteil, hier hat sie die Möglichkeit mit Leuten des vergleichbaren Umfelds und des gleichen Dialekts in Kontakt zu kommen. Besuche von Freunden erhält sie kaum und sicher mit abnehmender Tendenz; der vertraute Hausarzt kommt aber regelmäßig und bei Bedarf, Familienangehörige wohnen jedoch 130 km entfernt und besuchen die Dame vielleicht 1 x pro Woche oder Monat für wenige Stunden.

„Auswärts“ liegt 130 km entfernt bei den Familienangehörigen, Freunde aus dem ehemaligen Wohnort kommen sicher nicht mehr und auch auf den gewohnten Hausarzt muß sie verzichten; ob die Seniorin mit den neuen Landsleuten (anderer Dialekt, andere Lebensgewohnheiten) zurecht kommt ist die Frage - aber die Familie würde regelmäßig und wöchentlich häufiger zu einem Besuch kommen.

Was meint ihr: in welchem Heim dürfte sich die alte Dame wohler fühlen?

Wolfgang D.

Hallo Wolfgang,

Hallo erfahrene Semester,

darf auch ein relativ junges, dafür aber in der Geriatrie arbeitendes Semester ran? :wink:

Was meint ihr: in welchem Heim dürfte sich die alte Dame
wohler fühlen?

Der Spruch ‚einen alten Baum verpflanzt man nicht‘ kommt nicht von ungefähr. Für die Dame (gehe ich recht in der Annahme, daß Du mit ‚sehr alt‘ eine über 90jährige Lady meinst?) ist schon der Umzug in einen anderen Stadtteil eine riesige Umstellung, weil sie aus ihrem gewohnten ‚Kiez‘ (nicht ganz unwichtig bei Demenz-Kranken) herausgerissen wird. Müßte sie in einen anderen ‚Kulturkreis‘ (anderer Dialekt und Schwerhörigkeit vertragen sich nicht so gut) ziehen, wäre es für sie wie der Umzug auf einem anderen Planeten. Bei den meisten Menschen ist es nicht einmal so sehr reale Kilometerzahl - es ist in den meisten Fällen das Wissen darum, daß sie nicht zu Hause sind. Auch der Aspekt ‚mein Doktor‘ ist nicht zu unterschätzen; es gibt Patienten bzw. Heimbewohner, denen kannst Du nicht einmal ein blödes Aspirin aufschwatzen, bevor es ‚ihr Doktor‘ abgesegnet hat. Und alte Menschen fassen nun einmal schwer Vertrauen zu einem neuen Doc.

Ich tendiere deshalb zu ‚Daheim‘, zumal ich nicht glaube, daß sich die Besuchsgewohnheiten der Familie ändern würden, auch wenn die Dame in einem Pflegeheim vor Ort lebt.

Was sagt überhaupt die Dame selbst dazu? Was ist ihr wichtig(er)? Die Nähe zur Familie oder das lieb gewonnene und vertraute Umfeld?

Grüße
Renee

Hallo!
Als Nichtexperte würde ich sagen daheim!
Denn wenn die 130 km eine Rolle spielen, dann bekommt sie ja zur Zeit auch kaum Besuch von ihren Kindern!
Und der vertraute Dialekt und der vertraute Hausarzt sind wahrscheinlich wichtiger!

mfg Nemo.

Mal abgesehen davon, dass ich die Damen fragen würde wo sie hin will, würde ich mir ganz genau die Heime ansehen. Haben beide Heime das gleiche Pflegekonzept und Leitbild (lasst Euch diese Dokumente geben, die sind öffentlich und müssen von jedem Heim und Pflegedienst vorgehalten werden)? Sind das religiös geprägte Heime, wie sieht der Speiseplan aus? Was für Leute leben in dem Haus? Sind das kranke Menschen oder nur alte Menschen? Je nach Ausrichtung sieht dann auch das Tageskonzept, die Ernährung, die Betreuung anders aus. Bei fitten aber alten Leuten werden in der Regel mehr Altenpfleger angestellt, die in ihrer Ausbildung quasi die Beschäftigung und den Umgang mit alten Leuten lernen, während bei nur kranken Bewohnern überwiegend Krankenpfleger angestellt sein sollten, da der Schwerpunkt des Heimes mehr auf der Betreuung der Krankheit liegt.

Gibt es spezielle Kräfte, welche eine Demenzausbildung haben? Der Umgang mit dementen Patienten und Bewohnern ist sehr anstrengend und nur Leute mit einer entsprechenden Ausbildung und Heime, die das Thema ernst nehmen und dem gewachsen sind, können die Bewohner auch ordentlich beschäftigen, ohne die selbigen unter Droge zu setzen oder anderweitig in ihren Freiheiten einzuschränken. Ob die ältere Damen bei fortschreitender Demenz in Heim a oder b untergebracht ist, ist egal. Selbst wenn sie in ihren vertrauten Wänden zu Hause bliebe, würde sie nach Hause wollen, oder aus dem Urlaub zurück wollen oder… da sind Demente sehr kreativ ;o) Wichtig ist hier, dass das Betreuungspersonal ädäquat auf die Ängste und Gefühlsschwankungen der Bewohner eingeht und „mitgeht“.

Welches Heim unternimmt mehr in der Freizeit? Wer geht mit den Bewohnern in die Stadt? Wenn die alte Dame noch mobil und fit ist, kann ein alleiniger Heimaufenthalt schnell zur Langeweile führen, da sie ja die Welt auch nur über die verbliebenen Sinne wahr nimmt, sind hier insbesondere Anreize von draußen wichtig. Kann man Zusatzangebote hinzubuchen wie z.B. dass einmal im Monat ein Betreuer mit der Dame zum Tanztee geht oder ähnliches? Manche Heime bieten keine Extras an.

Welches Heim richt besser, ist freundlicher gestaltet, günstiger für blinde Personen geschnitten (damit sie sich auch alleine zurecht findet) - wo würdet ihr Euch wohl fühlen?

Habt Ihr als Alternative eine Tagespflege in Betracht gezogen? Es gibt Tagespflegen, welche die Besucher morgens abholen, ein tolles Programm bieten und abends die Besucher wieder nach Hause bringen. Wäre das eine Lösung zwischen Heim und zu Hause?

Guten Morgen

meine Frau ist Pflegedienstleiterin in einem Altenheim, auch aus dieser Perspektive kenne ich die Situation, allerdings in der Schweiz.

Bei uns ist es so, dass in vielen Heimen so viel fremdsprachiges Pflegepersonal arbeitet, dass sich die Bewohner wahrscheinlich immer wie im Urlaub vorkommen: Niemand spricht ihre Sprache.

Aber im ernst: Bei uns ist diese Umstellung grösser als 130 km.

In der selben Stadt aber einem anderen Quartier dürfte nicht so viel „Heimat“ sein - andere Menschen, andere Umgebung. Wenn noch das Augenlicht nachlässt, ist es schwierig, in einem fremden Quartier zurechtzufinden. Zusammen mit der Demenz dürfte der zukünftige Lebensraum das Heim selbst und nicht dessen Umgebung zu sein. Von da her ist der Vorteil „in angestammter Stadt“ eher klein, und er wird mit zunehmender Demenz und abnehmender Sehrkraft noch kleiner.

Hingegen wird die Betreuungsbedürftigkeit grösser.

Sofern die Dame einigermassen damit umgehen kann, denke ich, dass „auswärts“ mit zunehmendem Alter die zunehend bessere Lösung ist.

Wie in einem anderen Posting erwähnt: Nicht der Ort, das Heim selbst ist wichtig:

Mit besten Grüssen

Urs Peter

Hallo Wolfgang,

was sagt denn die alte Dame? Wurde sie gefragt?
Bei einem älteren Ehepaar, das ich kenne wollte die Frau in ihrem Wohnort bleiben , da dort alle Bekannten und Freunde sind.Der Mann hingegen würde lieber ein paar hundert Kilometer entfernt in der Nähe seines Sohnes und dessen Familie sein.
Ich finde man sollte die Betroffenen erstmal selber fragen.

Gruß,
Claudia

Hallo Wolfgang,

ich würde es davon abhängig machen, wo das für die alte Dame beste Betreuungskonzept vorzufinden ist.
Zur berücksichtigen ist ferner, dass mit zunehmender Demenz der Ort, an dem der Kranke jeden Tag ist und das sich Wohlfühlen an diesem Ort immer wichtiger wird und die Personen von früher immer unwichtiger werden, weil sie nicht mehr erkannt werden.

Außerdem haben sich in den letzten Jahren an vielen Orten Wohngemeinschaften für Demenzkranke entwickelt. Für einen sehbehinderten Menschen finde ich das auch deshalb erwägenswert, weil der sich wahrscheinlich in einer „kleinräumigeren“ Umgebung besser einlebt.

Hier sind Kriterien für ein gutes Heim für Demenzkranke:
http://myblog.de/alzheimer/art/1855826

Qualitätssicherung und Qualitätskriterien bei Demenz-WGs
http://www.swa-berlin.de

Viele Grüße

Iris

Link berichtigt MOD

Danke für Eure Meinungen
Das Problem der alten Dame war, dass sie überraschend und unvorbereitet in ein Heim musste, das gerade einen freien Platz hatte. Wo sie schließlich verbleiben sollte, war ihr egal - sie wollte eh’ bloß sterben. Bei der Suche nach einem Dauerpflegeplatz im Wohnort der Dame respektive in der Nähe meines Wohnorts stellte sich heraus, dass ihr „vorläufiger“ Heimplatz eigentlich ein Glücksfall war, hinsichtlich der Qualität des Heims. Langsam schien sich die Dame daran zu gewöhnen und so überraschte sie mich mit der Mitteilung, nicht mehr woanders hin gehen zu wollen; eine nochmalige Verpflanzung würde sie nicht überstehen. Wenn sie nun auch weit weg von uns wohnt, so nehmen wir halt die Fahrten auf uns…

Wolfgang D.