Hallo Jürgen,
ich denke, viele Menschen haben viele Gründe, jemanden zu
wählen. Ich halte aber die letzte Wahl weder für desaströs
noch für dumm, da ein Sieg der heutigen Opposition damals mit
Sicherheit zu früh für die Jungs und Mädels von schwarz-gelb
gekommen wäre. Denn sortiert und reformiert waren sie damals
nach der lähmenden Ära Kohl sicher noch nicht. Ob er jetzt zum
richtigen Zeitpunkt kommt, werden wir sehen:wink:
kein Widerspruch von mir. Dennoch halte ich die Gründe für den Stimmungsumschwung im Sommer/Herbst 2002 für falsch, denn er beruhte nicht auf grundsätzlichen politischen Erwägungen oder einer neuen politischen Ausrichtung der Regierungsparteien, sondern schlichtweg auf einer kurzfristigen Stimmung.
Nur: Objektiv betrachtet bleibt rel. wenig für eine rationale
Entscheidung übrig. Die Vorschläge aller Parteien sind fern
jeden visionären Wurfes und doktern weiter in rel.
Beliebigkeit an den Problemen herum. Es gibt keine klare
Richtungsentscheidung (mit Ausnahme der Richtungen, die
sowieso keine Alternative darstellen, da herzlich naiv oder
gestrig), ansonsten ist es auch für mich eine Geschmacksfrage.
Das sehe ich ein bißchen anders (Überraschung!). Es gibt durchaus grundsätzliche Unterschiede zwischen den beiden Lagern. Den entscheidenden Unterschied sehe ich in dem Grad der Professionalität. Man kann über den Kohlkönig sagen, was man will, aber ständige Stimmungsschwankungen und Politik nach des Volkes Maule (will sagen: Vorschläge werden in den Raum gestellt und dann die Entwicklung der allgemeinen Diskussion abgewartet, um danach zu entscheiden) gab es bei ihm nicht. Das ist für der entscheidende Grund, warum sich unser Mittelstand in einer Art Panikstarre befindet und die Wirtschaft nicht ans Laufen kommen will.
Ich habe mit den Entscheidungsträgern ständig zu tun und seit ca. 2000 höre ich ständig das gleiche: Egal, was sie entscheiden, sie sollen es endlich tun. Man braucht eine klare Linie der Politik und - wie gesagt, man kann von ihm halten, was man will - die gab es unter Kohl nun einmal. Ob das unter Merkel genauso wird, weiß ich nicht, aber so wie jetzt geht es nicht.
Und Du glaubst, daß Du ein repräsentatives Mitglied dieser
Gesellschaft bist? Bei allem Respekt für gesunden Optimismus:
Das kann doch wohl nicht Dein Ernst sein.
Ja, durchaus, denn alles andere wäre ein seltsames
Menschenbild in einer Demokratie, oder?
Ich halte die Demokratie der deutschen Ausprägung für falsch. Und was die Menschen angeht nur ein Beispiel: Meine Großmutter, durchaus nicht dumm, war jahrzehntelang CDU-Wählerin. Seit 1983 wählt sie konsequent die SPD, weil die CDU nach ihrer Wahl im gleichen Jahr die Renten gekürzt hat und das bei einer Rente von damals rd. 3.500 Mark. Aus ähnlich irrationalen Gründen wählen m.E. 50% der Bevölkerung „ihre“ Partei.
Gruß,
Christian