Nein. Ein juristische Folge für Frau Wanka hatte hingegen die Einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 07. November 2015, wonach sie die Pressemitteilung, um die es hier geht, aus dem Internetauftritt ihres Bundesministeriums zu entfernen hatte, was sie dann auch getan hat. Die Anordnung galt zwar nur einen Monat, die Pressemitteilung wurde danach aber auch nicht wieder eingestellt. Warum auch, die Demonstration unter dem Motto "Rote Karte für Merkel! - Asyl braucht Grenzen!“ auf deren Aufruf Frau Wanka auf der Homepage ihres Ministeriums mit folgender Pressemitteilung geantwortet hatte
Rote Karte für die AfD:
Johanna Wanka zur geplanten Demonstration der AfD in Berlin am 07.11.2015
‚Die Rote Karte sollte der AfD und nicht der Bundeskanzlerin gezeigt werden. Björn Höcke und andere Sprecher der Partei leisten der Radikalisierung in der Gesellschaft Vorschub.
Rechtsextreme, die offen Volksverhetzung betreiben wie der Pegida-Chef Bachmann, erhalten damit unerträgliche Unterstützung.
Sowas soll vorkommen. Dass mit dieser Pressemitteilung die Bundesministerin das für Exekutivorgane geltende Gebot staatlicher Neutralität verletzt hat und damit in das Recht der AfD auf Chancengleichheit gem. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG eingegriffen wurde, wurde nun heute auf Antrag der AfD festgestellt. Für mich (und nicht nur für mich) nicht sonderlich überraschend - warum, dazu gleich.
Zunächst - ein besonderes Schmankerl ist der dritte Leitsatz des heutigen Urteils:
Die Befugnis der Bundesregierung zur Erläuterung von ihr getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben schließt das Recht ein, sich mit darauf bezogenen kritischen Einwänden sachlich auseinanderzusetzen. Ein „Recht auf Gegenschlag“ dergestalt, dass staatliche Organe auf unsachliche oder diffamierende Angriffe in gleicher Weise reagieren dürfen, besteht nicht.
D.h. eine Partei wie die AfD darf sich unsachliche und diffamierende Angriffe leisten, staatliche Organe wie etwa ein Bundesminsisterium dürfen darauf aber nicht unsachlich und diffamierend reagieren. Das hätte Frau Wanka dafür auf ihrer privaten Homepage oder auf der der CDU tun dürfen - als Privatperson und CDU-Mitglied, nicht aber als Bundesministerin. Was sind nun also mögliche Konsequenzen aus diesem Urteil - von dem vorhersehbaren öffentlichen Geschrei um diese zum Elefanten aufgeblasene Mücke mal abgesehen? 1. kann man der Bundeskanzlerin nahelegen, diese Bundesministerin (die ohnehin nur noch geschäftsführend im Amt ist) zu entlassen und 2. wenn sie diesen Vorschlag nicht annehmen möchte, das Urteil zu Anlass eines konstruktiven Misstrauensvotums machen. Viel Spass damit. Eine andere Möglichkeit, Frau Wanka für ihren Verfassungsverstoß zu „bestrafen“, existiert nicht. Da kann man jetzt lamentieren, so jemand sei für einen Ministerposten nicht geeignet - auch dabei: viel Spass.
Wozu also überhaupt das Urteil? Zur Klarstellung der Rechtslage - die eigentlich ohnehin klar war, hatte doch das Bundesverfassungsgericht bereits im Urteil vom 16.12.2014 (NPD gegen Bundesministerin Manuela Schwesig) festgestellt:
Soweit der Inhaber eines Regierungsamtes am politischen Meinungskampf teilnimmt, muss sichergestellt sein, dass ein Rückgriff auf die mit dem Regierungsamt verbundenen Mittel und Möglichkeiten unterbleibt. Nimmt das Regierungsmitglied für sein Handeln die Autorität des Amtes oder die damit verbundenen Ressourcen in spezifischer Weise in Anspruch, ist es dem Neutralitätsgebot unterworfen.
Frau Bundesministerin Schwesig hatte die beanstandeten Äußerungen allerdings in einem Zeitungsinterview getan und deswegen sah das BVerfG keine Verletzung von Art. 21 GG und wies den Antrag der NPD ab.
Wie gesagt - die Rechtslage war (spätestens mit dem Urteil von 2014) eigentlich klar. Trotzdem meinte die AfD, trotz der erwartungsgemäß ihrem Antrag entsprechend ausgefallenen Einstweiligen Anordnung vom 07. November 2015 (immerhin drei Tage nach Antragstellung), eine weitere Grundsatzentscheidung durch eine Klage herbeiführen zu müssen. Offensichtlich aus rein propagandistischen Gründen - aber wenn man es sich leisten kann … Jedenfalls - Satz 2 des Urteils lautet:
Der Antrag der Antragstellerin auf Erstattung ihrer notwendigen Auslagen wird abgelehnt.
Die AfD bleibt also auf ihren Anwaltskosten sitzen. Gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG findet in Organstreitverfahren (und um ein solches handelt es sich hier aufgrund des Fraktionsstatus der AfD) eine Erstattung von Auslagen nur ausnahmsweise statt, wenn besondere Billigkeitsgründe dies geboten erscheinen lassen. Billigkeitsgründe liegen hier - bei der erneuten Feststellung einer ohnehin klaren Rechtslage - eindeutig nicht vor. Die Kostenentscheidung ist ein Signal des BVerfG an die AfD, dass es sich nicht von ihr als kostenloses Propagandainstrument missbrauchen lässt.
Freundliche Grüße,
Ralf