Wann wird aus Demokratie Totalitarismus?

Hallo,

ich hatte die folgende Frage schon während der Diskussion um die Abgabe von Fingerabdrücken bzw. Massentests gestellt, jedoch von der „Gegenseite“ keine echte Entgegnung bemerken können. Aber ich finde diese Sache wichtig, weshalb ich sie noch einmal besonders herausstellen möchte.

So wurde etwa gesagt, als Polizei müsse man nach Recht und Gesetz handeln. Aber ich will nicht nur von der Polizei allein sprechen; zum Beispiel fallen mir Gespräche in Behörden ein, in denen man mir auf eine kritische Anmerkung schlicht antwortete, man würde nur nach geltendem Recht verfahren. Auch wenn das so, stellen solche Antworten eine Art und Weise dar, nicht auf Kritik eines Bürgers reagieren zu müssen und die Verantwortung nach oben abzugeben.
   Ich frage mich, wie sehr Recht und Gesetz mit Reglementierungen und Definitionen angefüllt werden können bzw. dürfen. Wenn beispielsweise ständig schärfere Gesetze beschlossen würden, wann würde etwa ein Polizist erklären, dass er einen Befehl nicht ausführen will, weil er ihn mit seiner moralischen Grundeinstellung nicht vertreten kann? Und würde er sich überhaupt dagegenstellen, obwohl er nach wie vor das Gesetz auf seiner Seite wüsste? Im Grunde müsste man doch sagen, dass jeder staatlich Bedienstete stets nach Recht und Gesetz handelt, selbst wenn der allergrösste Blödsinn im Gesetzbuch steht; er muss sich nur innerhalb des aktuell bestehenden Rechts bewegen.

Zwei überspitze Beispiele: Nehmen wir an, man würde gesetzlich beschliessen, die Polizei dürfe jeden Autofahrer, der ungebremst über eine rote Ampel fährt, ohne Angabe von Gründen erschiessen, weil diese Person ein potentielles Sicherheitsrisiko darstellt. Ausserdem beschliesst der Bundestag mit grosser Mehrheit ein Gesetz, dass Bürgern keine Kritik mehr an Verwaltungsakten gestattet; Zuwiderhandlungen werden sofort mit einem Bussgeld von 200 Euro belegt.
   So absurd sich das auch lesen mag, doch Polizei und Behörde könnten ruhigen Gewissens danach handeln, denn Recht und Gesetz stünde ja hinter ihnen.
   Ehrlich gesagt finde ich die zwei Beispiel zwar übertrieben, aber nicht ganz absurd. Schliesslich haben wir ja schon die verdachtsunabhängige Personenkontrolle bzw. „Schleier-Fahndung“. Wenn gegen eine Person kein Verdacht besteht, welche Kriterien soll es dann dafür geben, diese zu kontrollieren: weil einer transpiriert, weil man mit der schönen Blondine ins Gespräch kommen will, weil irgendjemand lange Haare, eine Punkerfrisur oder die „falsche“ Hautfarbe hat? Wenn jemand befugt wird, eine andere Person auf blossen Augenschein hin kontrollieren zu dürfen, so hat das für mich schon überdeutlich totalitäre Ansätze in diesem Land.

Marco

Hallo!

Also erstens sollte man grundsätzlich feststellen, dass die Bindung der Vollziehung an das Gesetz unabdingbare Voraussetzung für einen demokratischen Rechtsstaat ist, denn diesen kann es nur geben, wenn die Vollziehung an das demokratisch beschlossene Gesetz gebunden ist. Das Problem liegt daher woanders, nämlich welcher Grenze unterliegt der einfache Gesetzgeber. Diese Frage ist politisch sowie rechtlich natürlich schwierig. Nach unserem Recht und Rechtsverständnis ist die Grenze für den Gesetzgeber die Verfassung. Innerhalb dieser kann der Gesetzgeber jedoch alles beschließen. Die von dir beschriebene Situation, nämlich dass einer ein Gesetz gut findet und der andere wieder schlecht ist dabei normal in einer Demokratie, die ja unterschiedliche rechtspolitische Ansichten ausdrücklich zulässt! Deine Extrembeispiele könnte der Gesetzgeber aber wohl nicht umsetzen, weil sie gegen die Verfassung verstoßen würden.

LG
Tom

Hallo, Marco,
Der Begriff „Totalitarismus“ wird in unterschiedlichen Zusammenhängen durchaus unterschiedlich gebraucht. Ich empfehle dazu http://www.glasnost.de/autoren/lozek/total.html wo das recht gut abgehandelt wird.
Aus meiner Sicht wird man einen Staat dann „totalitär“ nennen dürfen, wenn das demokratische Grundprinzip der Gewaltenteilung, der Kontrolle staatlichen Handelns durch den Bürger, nicht mehr gewährleistet ist.
Dies ist in der Bundesrepublik auch nur in Ansätzen nicht der Fall.
Was Du angesprochen hast hat also mit Totalitarismus nicht das geringste zu tun. Für den Fall, dass Exekutivorgane Deiner Meinung nach Gesetze nicht richtig angewandt haben, steht Dir als Betroffenem jederzeit der Weg über Dienstaufsichtsbeschwerde oder gar Klage offen. Dann wird die Dritte Gewalt, die Judikative über den Fall befinden und feststellen, ob durch die Exekutive Gesetze verletzt wurden, die von der ersten Gewalt der Legislative als allgemeingültig für den Staat und seine Bürger erlassen wurden.
Wenn Du mit der Ausgestaltung dieser Gesetze nicht einverstanden bist, dann steht Dir jederzeit der Weg der Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren offen. Du mußt Dich nur wählen lassen.
Da ja die Mehrheit entscheidet, wirst Du allerdings als 80 millionster Teil unseres Staatsvolkes eine erhebliche Mehrheit Gleichgesinnter hinter Dir versammeln müssen.
Grüße
Eckard.

Hallo Eckard!

Sehr gut! Keine Hinzufügungen.

Gruß
Bark

Guten Abend, Bark!

Der Unterschied liegt genau hier:
in unserer Demokratie gibt es…

  • keine Todesstrafe
  • keine politischen Gefängnisse und Gefangenen
  • keine politischen Todeslisten
  • parlamentarische Kontroll- und Untersuchungsausschüsse,

die die Regierung und die Streitkräfte kontrollieren (…)

Totalitarismus:

  • kein Wahlrecht
  • kein Demonstrationsrecht
  • kein Widerstandsrecht
  • kein Recht zur Oppositionsgründung
  • Abwehr Andersdenkender
  • politische Todeslisten
  • freie Wohnortswahl gibt es nicht oder nur mit Genehmigung

des Staates

  • der politischen Gegenstimme folgt Repression, Folter und Tod
  • das Land kann nicht verlassen werden
  • Todesstrafe

Kannst Du mir sagen, an welche Staaten Du bei dem Punkt „Totalitarismus“ sprichst, wenn Du dieses System „unserer Demokratie“ - der BRD? - entgegenstellst. Ich frage dies nur, weil beispielsweise die „Todestrafe“ auch in veremintlich demokratischen Ländern ausgeübt wird, von denen ich hoffe, sie werden z.B. keine „Todeslisten“ haben. Und bedeutet der Umkehrschluss „unserer Demokratie“ automatisch Totalitarismus bzw. ist all das, was nicht totalitär ist, demokratisch?

Das ist der Unterschied zwischen Demokratie und
Totalitarismus. Ich wurde in den letzten drei Jahren ein
einziges Mal von der Polizei kontrolliert.

Ich weiss zwar nicht, was das miteinander zu tun hat, aber ich wurde in den letzten 19 Monaten dreimal kontrolliert. Vermutlich spielst Du auf die „Schleier-Fahndung“ an, wobei ich nach wie vor nicht die Kriterien für die Überprüfung kenne.

Du hast das Recht, Dich an den Petitionsausschuß des
Deutschen Bundestages oder das Bundesverfassungsgericht
zu wenden, um Deine Bedenken überprüfen zu lassen.

Auch hier muss ich das entgegenhalten, was ich Eckard schrieb: „Eine (…) Klage wäre dann angebracht, wenn ich der Meinung wäre, man habe nicht nach geltendem Recht gehandelt. Aber darüber sprach ich ja ich in meinem Artikel nicht - zumal ich nicht ausschloss, dass nach geltendem Recht gehandelt wird -, weshalb Deine weiteren Ausführungen das Thema nicht berühren.“

Aber Demokratie in Zeiten von Terror, Drogen und Amokläufern
bezweifeln zu wollen, nur weil gefahndet und selten mal
kontrolliert werden darf, ist wohl nicht ganz sachgemäß.

Ich bezweifle die Demokratie doch gar nicht. Es wäre nur sehr schön, wenn wir sie auch tatsächlich - und nicht nur auf dem Papier - besässen. Und weshalb sind Zweifel „nicht ganz sachgemäss“?

Marco

Guten Abend, Eckard!

Vielleicht war mein ursprünglicher Text nicht genügend verständlich, weil Deine Zeilen an der Thematik vorbeizielen. Ich werde versuchen, dies in aller Kürze zuverdeutlichen. Erst einmal zur Definition:

Totalitarismus der, (…), Merkmale des totalitären Staats sind (im Gegensatz zum autoritären Staat) ein Machtzentrum sowie die ideologische Ausrichtung und politische Mobilisierung der Bevölkerung, verbunden mit pseudodemokratischen Elementen. (Quelle: Der Brockhaus in einem Band)

Möglicherweise ist der Begriff der „Pseudodemokratie“ einfacher zu akzeptieren als Totalitarismus, denn im Grunde haben wir eine Demokratie. Zwar mag die von Dir genannte „Kontrolle staatlichen Handelns durch den Bürger“ vom Prinzip her gewährleistet sein, aber sie findet nicht statt. Dass eine Kontrolle stattfinden sollte, steht ausser Frage, aber sie findet nicht statt. Wie sollte sie auch praktisch durch den Bürger aussehen?

steht Dir als Betroffenem jederzeit der Weg
über Dienstaufsichtsbeschwerde oder gar Klage offen.

Eine Dienstaufsichtsbeschwerde oder Klage wäre dann angebracht, wenn ich der Meinung wäre, man habe nicht nach geltendem Recht gehandelt. Aber darüber sprach ich ja ich in meinem Artikel nicht - zumal ich nicht ausschloss, dass nach geltendem Recht gehandelt wird -, weshalb Deine weiteren Ausführungen das Thema nicht berühren.

Marco

Hallo Tom,

auf die Verfassung möchte ich mich nicht verlassen, denn diese befindet sich in einer schlechten. Wir wissen, dass es einen gewaltigen Unterschied zwischen dem Soll- und Ist-Zustand gibt. Es geht auch nicht darum, ob jemand ein Gesetz gut oder schlecht findet, sondern dass die Umsetzung möglich wird.
   Das Grundgesetz wird geradezu als besonderes Gut betrachtet, aber es stellt kein Allheilmittel dar, das uns vor der allmählichen Beseitigung der Demokratie schützt. Man sollte es sich einmal einige Artikel anlesen, es in aller Ruhe kritisch beäugen und mit tatsächlichen Zuständen oder bisherigen Vorkommnissen vergleichen. Ich möchte hierzu einen meiner wenigen Grundsätze nennen: „Ein Mensch ist nicht das, was er sagt, sondern was er tut.“ Und ein Land ist das, was es tut, nicht was ihm die Verfassung auferlegt. So steht im Grundgesetz-Artikel 3, Männer und Frauen wären gleichberechtigt, und niemand dürfe u.a. aufgrund seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden - die Praxis sieht jedoch anders aus (s. z.B. http://www.arbeitsamt.de/hst/services/anba/jg_2000/h…). Auch begehen im Grunde Leute wie Clement, Stoiber, Fischer, Trittin und weitere Regierende tagtäglich Gesetzesbruch, weil sie Einkommen beziehen, die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft wurden. (als HTML-Text: http://216.239.37.100/search?q=cache:mlQhPKGnnFoC:ww…)
   Es wird sich immer von politischer Seite eine Erklärung dafür finden, weshalb Gesetze verändert, verschärft, erweitert werden müssen. Sie mögen augenscheinlich plausibel sein, aber es gibt keine beschränkende Grenze nach oben zwischen dem, was sein kann, und dem, was sein darf. Man kann hier sich eigentlich nur Adolf Hitler beziehen, der meines Wissens gesagt hat, man hätte die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln geschlagen. Und es sei auch daran erinnert, dass es im Grundgesetz viele Hinweise zu Gesetzen gibt, die einen Artikel näher definieren oder klären; somit muss man nicht einmal das Grundgesetz selbst ändern, sondern die „Hintertür“ benutzen.

Die DDR nannte sich demokratisch und war doch diktatorisch. Selbst ein Hitler wurde, wenn man es so sehen will, demokratisch gewählt; ihm gelang es trotzdem, eine Diktatur zu etablieren. Eine Diktatur, die nichtsdestotrotz auch über Rechte und Gesetze verfügte, und Behörden konnten sich ebenso darauf berufen, nur danach zu handeln.

Auch wenn ich ihn schon oft genannt habe, so möchte ich doch einmal mehr Noam Chomsky zitieren. In „Profit over People - Neoliberalismus und globale Weltordnung“ schrieb er unter anderem:


Wie man das Bewusstsein der Öffentlichkeit reglementiert

[…] Vor 250 Jahren hat sich David Hume in einem klassischen Essay mit diesen Fragen
auseinandergesetzt. Hume war erstaunt darüber, mit welcher Leichtigkeit sich die vielen von den wenigen regieren lassen und sich unterwerfen, indem sie ihr Schicksal in die Hände ihrer Herrscher legen, obwohl doch die Macht immer auf Seiten der Regierten liege. Würden die Beherrschten das erkennen, würden sie sich erheben und ihre Herren stürzen. Er schloss daraus, dass Regierungsherrschaft auf „Meinung“ (opinion) beruht; ein Grundsatz, der für die despotischsten und militärischsten Regierungen ebenso gelte wie für die freiesten und republikanischsten.
   Sicherlich unterschätzte Hume die Wirksamkeit brutaler Gewalt. Zutreffender dürfte sein, dass eine Regierung um so stärker auf Meinungskontrolle zur Sicherung ihrer Herrschaft bedacht sein muss, je „freier und republikanischer“ sie ist.
   Dass die Bevölkerung sich unterwerfen muss, wird nahezu unhinterfragt angenommen. In einer Demokratie haben die Regierten das Recht zuzustimmen, mehr aber auch nicht. In der Terminologie des modernen fortschrittlichen Denkens sind sie „Zuschauer“, aber - abgesehen von der gelegentlichen Möglichkeit, zwischen Repräsentanten authentischer Macht zu wählen - keine „Beteiligten“. Das gilt nur für die Politik, während die Bevölkerung im Bereich der Wirtschaft, deren gesellschaftliches Wirken weitgehend festgelegt ist, gemäss der dominierenden Demokratietheorie überhaupt nichts zu suchen hat.

Marco

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Hallo Marco,

dieser Wust von Gesetzen, Verordnungen und Urteilen macht mich auch manchmal ganz irre.

Aber ich will doch ganz stark hoffen, dass sich Staatsdiener strikt an geltendes Recht halten und nicht (!) an ihre persönliche Auffassung von Recht. Oder an Deine Auffassung davon ;o).

ich hatte die folgende Frage schon während der Diskussion um
die Abgabe von Fingerabdrücken bzw. Massentests gestellt,
jedoch von der „Gegenseite“ keine echte Entgegnung bemerken
können. Aber ich finde diese Sache wichtig, weshalb ich sie
noch einmal besonders herausstellen möchte.

So wurde etwa gesagt, als Polizei müsse man nach Recht und
Gesetz handeln. Aber ich will nicht nur von der Polizei allein
sprechen; zum Beispiel fallen mir Gespräche in Behörden ein,
in denen man mir auf eine kritische Anmerkung schlicht
antwortete, man würde nur nach geltendem Recht verfahren. Auch
wenn das so, stellen solche Antworten eine Art und Weise dar,
nicht auf Kritik eines Bürgers reagieren zu müssen und die
Verantwortung nach oben abzugeben.

Natürlich machen sich Polizisten und sonstige Beamte Gedanken über die Richtigkeit von Gesetzen. Jeder Beamte ist doch gleichzeitig ein Bürger, und hat eine Vorstellung davon, wie er leben möchte. Dass er dennoch nicht über Sinn und Unsinn eines Gesetzes mit dir diskutieren möchte, ist seine private Entscheidung. Denn rechtfertigen muß er das Gesetz nicht. Nicht mehr als du. Er hat es ja nicht erlassen.

Rechtfertigen müssen es die, die es beschlossen haben und vielleicht noch die, die nicht laut genug dagegen protestiert haben, obwohl sie es schlecht fanden.

   Ich frage mich, wie sehr Recht und Gesetz mit
Reglementierungen und Definitionen angefüllt werden können
bzw. dürfen. Wenn beispielsweise ständig schärfere Gesetze
beschlossen würden, wann würde etwa ein Polizist erklären,
dass er einen Befehl nicht ausführen will, weil er ihn mit
seiner moralischen Grundeinstellung nicht vertreten kann? Und
würde er sich überhaupt dagegenstellen, obwohl er nach wie vor
das Gesetz auf seiner Seite wüsste? Im Grunde müsste man doch
sagen, dass jeder staatlich Bedienstete stets nach Recht und
Gesetz handelt, selbst wenn der allergrösste Blödsinn im
Gesetzbuch steht; er muss sich nur innerhalb des aktuell
bestehenden
Rechts bewegen.

So eine Gesetzgebung ist eine elend schwerfällige Maschinerie. Und genau das ist ja Teil der Demokratie. Nichts geht schnell. Über alles wird endlos diskutiert. Deine eine Stimme hat natürlich (!) kaum Gewicht. Nur was viele wollen, macht Wellen in diesem Riesenteich. Das ist das Prinzip. Und nur über dieses Prinzip kannst Du Einfluß nehmen. Kannst ein Gesetz stoppen oder anregen.

Du mußt viele finden, die Deiner Meinung sind und dann müsst ihr diese Meinung öffentlich kundtun. Ob mit Partei oder ohne. Da du aber so viel Wert auf Deine persönliche Freiheit legst, wirst Du dich als Politiker sicher schwer tun. Denn von einem Politiker wollen alle immer alles wissen. Nicht nur seine Meinung.

Ausschlaggebend ist der Weg, auf dem man zu einem Gesetz kommt oder es wieder los wird. Und dieser Weg ist bei uns grundsätzlich demokratisch, nicht totalitär.

Ich denke, Demokratie ist nur etwas für erwachsene Menschen . Man muß wissen, was man will ( nicht nur, was man nicht will) . Man muß wissen, dass man etwas dafür tun muß, damit man kriegt, was man will. Und man muß akzeptieren, dass andere Leute vielleicht etwas ganz anderes wollen. Oder auf einem anderen Weg das Gleiche erreichen wollen.
Und man muß dieses endlose Diskutieren irgendwie aushalten. Und da liegt eine große Gefahr. Wenn man des Diskutierens müde ist, sagt man leicht : ach, macht doch, was ihr wollt.

Wie sähe denn Deine Lösung aus ? Wie müßte es denn sein, damit Du sagst : ja, das ist Demokratie ?

Gruß

Heike

Nabend Marco!

Kannst Du mir sagen, an welche Staaten Du bei dem Punkt
„Totalitarismus“ sprichst, wenn Du dieses System „unserer
Demokratie“ - der BRD? - entgegenstellst.

Du, das jetzt aufzuführen, würde leider etwas zu lange dauern. Die Liste würde den Rahmen sprengen. Aber es geht auch einfacher. Suche einfach mal das nächste Asylantenheim auf und frage die Insassen, woher sie kommen und weshalb sie hier sind.

Ich frage dies nur,

weil beispielsweise die „Todestrafe“ auch in veremintlich
demokratischen Ländern ausgeübt wird,

Das stimmt leider, aber in den demokratischen Staaten, in denen die Todesstrafe noch ausgeübt wird, ist diese Strafform teils von jeher schon mitgebracht, was natürlich keine Entschuldigung ist. Aber dies bedeutet auch nur, daß diese Staaten noch einen Gesetzgebungsprozeß durchlaufen müssen, den wir Deutschland schon hinter sich hat. Wenn sich die Bevölkerungen dieser Staaten gegen die Todesstrafe in einem Gesetzgebungsprozeß entscheiden, wird sie abgeschafft. Zum Beispiel gibt es in den USA erhebliche Massen an Gegenstimmen zur Todesstrafe. Aber sie machen nicht die Meinungsmehrheit aus. Das hat dann aber nichts mit Totalitarismus zutun, sondern mit einem noch fehlenden Gesetzgebungsprozeß.

Und bedeutet der
Umkehrschluss „unserer Demokratie“ automatisch Totalitarismus
bzw. ist all das, was nicht totalitär ist, demokratisch?

Der Umkehrschluss bedeutet ja, daß ich alle Hauptbestandteile der Demokratie umkehren muß. Das ist dann genau das, was man als Totalitarismus bezeichnet.

Aber Demokratie in Zeiten von Terror, Drogen und Amokläufern
bezweifeln zu wollen, nur weil gefahndet und selten mal
kontrolliert werden darf, ist wohl nicht ganz sachgemäß.

Ich bezweifle die Demokratie doch gar nicht. Es wäre nur sehr
schön, wenn wir sie auch tatsächlich - und nicht nur auf dem
Papier - besässen. Und weshalb sind Zweifel „nicht ganz
sachgemäss“?

Dann möchte ich jetzt gerne mal genau wissen, wie Du denn eine Demokratie gerne hättest? Sonst kann ich Dir nicht antworten.

Gruß
Bark

Hallo!

auf die Verfassung möchte ich mich nicht verlassen, denn diese
befindet sich in einer schlechten. Wir wissen, dass es einen
gewaltigen Unterschied zwischen dem Soll- und Ist-Zustand
gibt. Es geht auch nicht darum, ob jemand ein Gesetz gut oder
schlecht findet, sondern dass die Umsetzung möglich wird.

Also ehrlich gesagt, verstehe ich nicht, was das heißen soll.

   Das Grundgesetz wird geradezu als besonderes Gut
betrachtet, aber es stellt kein Allheilmittel dar, das uns vor
der allmählichen Beseitigung der Demokratie schützt. Man
sollte es sich einmal einige Artikel anlesen, es in aller Ruhe
kritisch beäugen und mit tatsächlichen Zuständen oder
bisherigen Vorkommnissen vergleichen. Ich möchte hierzu einen
meiner wenigen Grundsätze nennen: „Ein Mensch ist nicht das,
was er sagt, sondern was er tut.“ Und ein Land ist das, was es
tut, nicht was ihm die Verfassung auferlegt.

Deshalb weil es kein Allheilmittel ist, heißt es nicht, dass die Verfassung falsch ist. Tatsache ist natürlich, dass es nicht nur einer Verfassung bedarf, sondern auch der notwendigen Einrichtungen, um diese zu exekutieren, wie zB ein unabhängiges Verfassungsgericht. Die sogenannte „Kluft zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit“ würde ich aber in unseren Landen nicht allzu groß sehen.

So steht im

Grundgesetz-Artikel 3, Männer und Frauen wären
gleichberechtigt, und niemand dürfe u.a. aufgrund seines
Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden - die Praxis
sieht jedoch anders aus (s. z.B.
http://www.arbeitsamt.de/hst/services/anba/jg_2000/h…).

Da verwechselt du was: die verfassungsgesetzlichen Grundrechte betreffen einmal vom Grundatz her das Verhältnis zwischen Staat und Rechtsunterworfenen und zwar konkret im Bereich des hoheitlichen Handelns des Staates. Zumindest nicht unmittelbar davon betroffen sind zivilrechtliche Arbeitsverträge. Der Fall den du schilderst, nämlich dass Frauen weniger bezahlt bekommen usw. ist keine Verletzung dieses Grundrechts, was nicht bedeutet, dass ich auch der Meinung bin, dass Frauen soviel bezahlt bekommen sollten wie Männer etc.

Auch begehen im Grunde Leute wie Clement, Stoiber, Fischer,
Trittin und weitere Regierende tagtäglich Gesetzesbruch, weil
sie Einkommen beziehen, die vom Bundesverfassungsgericht als
verfassungswidrig eingestuft wurden.

Wenn sie das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig eingestuft hat, dann ist das ein Zeichen, dass die Verfassung funktioniert und nicht, dass sie nicht funktioniert.

   Es wird sich immer von politischer Seite eine Erklärung
dafür finden, weshalb Gesetze verändert, verschärft, erweitert
werden müssen. Sie mögen augenscheinlich plausibel sein, aber
es gibt keine beschränkende Grenze nach oben zwischen dem, was
sein kann, und dem, was sein darf. Man kann hier sich
eigentlich nur Adolf Hitler beziehen, der meines Wissens
gesagt hat, man hätte die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln
geschlagen. Und es sei auch daran erinnert, dass es im
Grundgesetz viele Hinweise zu Gesetzen gibt, die einen Artikel
näher definieren oder klären; somit muss man nicht einmal das
Grundgesetz selbst ändern, sondern die „Hintertür“ benutzen.

Naja, nur wäre in der derzeitigen Rechtslage die gleiche Vorgangsweise nicht mehr möglich, aber jede Verfassung hält nur so lange, so lange sie ein tatsächlicher Grundkonsens ist.

Die DDR nannte sich demokratisch und war doch diktatorisch.
Selbst ein Hitler wurde, wenn man es so sehen will,
demokratisch gewählt; ihm gelang es trotzdem, eine Diktatur zu
etablieren. Eine Diktatur, die nichtsdestotrotz auch über
Rechte und Gesetze verfügte, und Behörden konnten sich ebenso
darauf berufen, nur danach zu handeln.

Hier muss man aufpassen. Die DDR Verfassung war vom Text her nicht so totalitär. Das Problem war ja gerade, dass Verstöße gegen die Verfassung nicht geahndet werden konnten und genau damit sich neben der formellen Verfassung eine inoffizielle totalitäre „Parallelverfassung“ der SED gebildet hat, dieses Schema war in allen OStstaaten gleich.

Also ich muss sagen, dass die Verfassung jedenfalls einmal eine unabdingbare Voraussetzung ist für eine Demokratie. Wichtig ist, dass die Verfassung so beschaffen ist, dass sie durchgesetzt werden kann und vom einzelnen Bürger sozusagen „einklagbar“ ist.

Eine wirkliche Gefahr entsteht dann, wenn sich neben der Verfassung eine Parallelstruktur entwickelt, die mit verschiedenen Methoden die faktische Macht ausübt.

Gruß
Tom

Hallo Heike!

Aber ich will doch ganz stark hoffen, dass sich
Staatsdiener strikt an geltendes Recht halten
und nicht (!) an ihre persönliche Auffassung von
Recht. Oder an Deine Auffassung davon ;o).

Wenn Du meinen Text gelesen hast, dann erkennst Du, dass ich keineswegs vorhalte, Staatdiener würden sich nicht an geltendes Recht halten. Im Gegenteil. Denn, wie Du ja geschrieben hattest, „rechtfertigen muß er das Gesetz nicht. Nicht mehr als du. Er hat es ja nicht erlassen.“ Sicherlich müssten sich diejenigen, die diese Gesetze erlassen haben, rechtfertigen, doch sieht das so in der Praxis aus? Wenn es nicht gerade grossen Anklang in den Medien gefunden hat, erfährt man noch nicht einmal unbedingt etwas davon. Es bleibt die Möglichkeit, sich selbst zu informieren - wobei man natürlich erst einmal wissen muss, dass Änderungen anstehen -, doch muss auch dieses Wissen nichts nutzen. Beispielsweise kann ein Professor H.H. von Arnim in einem Buch beschreiben, dass Regierungspolitiker verfassungswidrige „Schatteneinkommen“ beziehen. Doch weder er noch Du noch ich könnten dagegen etwas unternehmen, weil wir nicht klagebefugt sind.

Nur was viele wollen, macht Wellen in diesem
Riesenteich. Das ist das Prinzip. Und nur über dieses
Prinzip kannst Du Einfluß nehmen. Kannst ein Gesetz
stoppen oder anregen.

Um Wellen zu erzeugen, muss man erst einmal eine Stimme haben. Deshalb wird die Meinungsfreiheit so hoch gehalten, denn eine Person mit einer Meinung - die nicht weiss, ob nicht andere diese ebenso teilen -, erzeugt keine Wellen; bestenfalls ein Plätschern. Denn es sind die Medien, die sich in den Händen weniger befinden und über die Macht und die Möglichkeit verfügen, Stimmen und Stimmungen zu erzeugen. Wenn sie es nicht wollen, wird eine Meinung auch nicht zur Diskussion gestellt. (Siehe „Der zensierte Alltag“, Hg. Ursula Gröttrup, 1985, Steidl-Verlag) Als Bürger hat man prinzipiell die Möglichkeit zur Gestaltung, praktisch bleibt man jedoch Zuschauer.

Wie sähe denn Deine Lösung aus ? Wie müßte es denn
sein, damit Du sagst : ja, das ist Demokratie ?

Es muss die Frage erlaubt sein, ob dieses System überhaupt dazu taugt, dass die Staatsgewalt tatsächlich vom Volke ausgeht.

Marco

Hallo Bark!

Du, das jetzt aufzuführen, würde leider etwas zu
lange dauern. Die Liste würde den Rahmen sprengen.
Aber es geht auch einfacher. Suche einfach mal das
nächste Asylantenheim auf und frage die Insassen,
woher sie kommen und weshalb sie hier sind.

Ein schiefer Vergleich, denn unsere Gesetzgeber zeigen sich beim Asylgesetz sehr „anpassungsfähig“. Man kann verfolgt und gefoltert worden sein, und trotzdem werden sie abgewiesen, womit wir das Vorgehen solcher Länder bzw. Systeme unterstützen.

Zum Beispiel gibt es in den USA erhebliche Massen
an Gegenstimmen zur Todesstrafe. Aber sie machen
nicht die Meinungsmehrheit aus. Das hat dann aber nichts
mit Totalitarismus zutun, sondern mit einem noch
fehlenden Gesetzgebungsprozeß.

Da stellt sich wieder die Frage, wie eine Meinung gemacht wird und wofür die Menschen sensibilisiert werden. So gab es rund um uns herum seit Mitte der Achtziger BSE, während ausgerechnet bei uns keines vorzukommen schien. Als die ersten Verdachte aufkamen, löffelte beispielsweise der niedersächsische Ministerpräsident öffentlichkeitswirksam Ochsenschwanzsuppe, um die Stimmung niedrig zu halten. (Ähnlich wie zuvor englische Politiker, die demonstrativ Roastbeef assen.) Als sich jedoch der Ärger nicht mehr aufhalten liess, wurde von jeder neuen Entdeckung eines BSE-Falls berichtet, und es gab Sondersendungen zuhauf. Doch nach kurzer Zeit wurden die BSE-Fälle nicht mehr erwähnt, obwohl sie weiterhin stattfanden, und jeder weitere Skandal bzw. Nachlässigkeit wurde nur noch mit einem Achselzucken quittiert.
   Oder: Ganz gleich, wie man selbst zu dieser Thematik stehen mag, aber wie soll ich mir eine Meinungsbildung vorstellen, wenn beispielsweise 20.000 Menschen friedlich, aber verärgert gegen Missstände demonstrieren, während in den Medien 100 Randalierer bei dieser Demo in schlagzeilenträchtigen Bildern Erwähnung finden? Oder man nennt Sitzblockierer auf Gleisen „gewaltbereit“ („gewaltlosbereit“ scheint es nicht zu geben) und will sie mit einer Wegtragegebühr belegen. Und wenn es dafür kein Gesetz gibt, dann wird es eben geschaffen (http://home.t-online.de/home/polizei-marburg/presse/…). Doch selbst die Gewerkschaft der Polizei hält diese Wegtragegebühr für verfassungswidrig (http://www.gdp-rp.de/landesjournal/journal_08_01.htm). Erreicht wird mit solchen Bildern, eine Meinung dahingehend zu beeinflussen, anscheinend begründet in ein demokratisches Recht, in diesem Fall das Demonstrationsrecht, einzugreifen.
   Unser Grundgesetz gesteht uns das Recht zu - Heinrich Böll nannte es sogar eine Pflicht -, gegen jedermann, der die bestehende Ordnung zu beseitigen versucht, Widerstand zu leisten. Wenn man diese Ordnung jedoch von herrschaftlicher Seite stets passend definiert, bleibt dieser Widerstand illegal, bis einem die Möglichkeit völlig genommen ist.

Der Umkehrschluss bedeutet ja, daß ich alle
Hauptbestandteile der Demokratie umkehren muß.
Das ist dann genau das, was man als Totalitarismus
bezeichnet.

Nunja, in totalitären System ist das Wahlrecht nicht unbedingt ausgeschlossen, und in der sich selbst ‚demokratisch‘ nennenden DDR durfte man auch das Land verlassen und es gab Oppositionsparteien. Ebenfalls richtet man sich in solchen Systemen überwiegend nach Recht und Gesetz.
   Dass bei diesen Beispielen das, was gedacht und gemeint ist, nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen muss, ist jedem klar. Aber genau diese Unterschiede zwischen Theorie und Praxis prangere ich an.

Dann möchte ich jetzt gerne mal genau wissen, wie Du
denn eine Demokratie gerne hättest?

Das ist die ja die Crux! Siehe meinen vorherigen Absatz und den Artikel an Jana im Brett „Inlandspolitik“: http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarticl…

Marco

Hallo Tom!

Da verwechselt du was: die verfassungsgesetzlichen
Grundrechte betreffen einmal vom Grundatz her das
Verhältnis zwischen Staat und Rechtsunterworfenen
und zwar konkret im Bereich des hoheitlichen Handelns
des Staates. Zumindest nicht unmittelbar davon betroffen
sind zivilrechtliche Arbeitsverträge. Der Fall
den du schilderst, nämlich dass Frauen weniger bezahlt
bekommen usw. ist keine Verletzung dieses Grundrechts,
was nicht bedeutet, dass ich auch der Meinung bin, dass
Frauen soviel bezahlt bekommen sollten wie Männer etc.

Als böser Schelm könnte ich Deinen letzten Satz jetzt falsch bzw. richtig verstehen. ;o) Der Rest liest sich für mich so, dass das Grundgesetz in Gleichgültigkeit verharrt, sofern es das Zivilrecht anders regelt.

Wenn sie das Bundesverfassungsgericht als
verfassungswidrig eingestuft hat, dann ist das ein
Zeichen, dass die Verfassung funktioniert und nicht,
dass sie nicht funktioniert.
(…)
Wichtig ist, dass die Verfassung so beschaffen ist,
dass sie durchgesetzt werden kann und vom einzelnen
Bürger sozusagen „einklagbar“ ist.

Leider nicht ganz, denn wenn ein Urteil ohne Konsequenzen bleibt, verliert es seinen Sinn. Dann könnte man alles be- und verurteilen. Die Hälfte aller Regierenden in Bundes- und Landtagen kassieren dieses „Schatteneinkommen“, aber weder Du noch ich sind klagebefugt. Das könnten nur die Damen und Herren in diesen Parlamenten.

Das Problem war ja gerade, dass Verstöße gegen
die Verfassung nicht geahndet werden konnten

… und nicht wurden, was wir in dem obigen Beispiel ebenfalls antreffen. Bedauerlicherweise scheinen diese Fälle nicht sehr publik zu werden, denn ich vermute, es ist nicht der einzige Verfassungsbruch, der ohne Konsequenzen bleibt.

Marco

Hallo Marco,

Ein schiefer Vergleich, denn unsere Gesetzgeber zeigen sich
beim Asylgesetz sehr „anpassungsfähig“. Man kann verfolgt und
gefoltert worden sein, und trotzdem werden sie abgewiesen,
womit wir das Vorgehen solcher Länder bzw. Systeme
unterstützen.

es ging mir ja auch nicht darum, wie wir mit diesen bewußten Asylanten umgehen, sondern darum, daß man sie bei ihnen erkundigen kann, wie Totalitarismus aussieht.

Zum Beispiel gibt es in den USA erhebliche Massen
an Gegenstimmen zur Todesstrafe. Aber sie machen
nicht die Meinungsmehrheit aus. Das hat dann aber nichts
mit Totalitarismus zutun, sondern mit einem noch
fehlenden Gesetzgebungsprozeß.

Da stellt sich wieder die Frage, wie eine Meinung gemacht wird
und wofür die Menschen sensibilisiert werden.

[…]

Ich habe Deine Ansicht mal etwas gekürzt…

Es gibt hier in Deutschland keine grundrechtliche Verbriefung zum Demonstrieren. Man nennt es Versammlungsfreiheit. Zur Demonstration wird das ganze erst, wenn das Recht auf Versammlungsfreiheit mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung im öffentlichen Rahmen ausgeübt wird. Das greift auch keiner an. Es wird nur dort eingeschritten, wo die Rechte anderer durch derartige Demonstrationen eingeschränkt werden. Und das ist im Falle von Sitzblockaden durchaus der Fall. In so einem Falle will ein Demonstrant durch körperlichen Einsatz ein bestimmtes Ziel erzwingen. Das ist auch eine gewisse Art von Gewalt.
Und dem wird begegnet, indem diese Leute weggetragen werden. Das ist meiner Meinung nach auch richtig so. Und einer „Wegtragegebühr“ würde ich sogar zustimmen, denn diese überflüssigen Polizeieinsätze kosten eine ganze Stange Geld und ich finde es ehrlich ziemlich dämlich, wenn der Steuerzahler dafür aufkommen soll, daß irgendwelche Leute meinen, sie müßten die allgemeine Anerkennung ihre Meinung unter körperlichem Einsatz erzwingen, was mit Demokratie aber gerade dann überhaupt nichts zutun hat. Demokratie geht eben nicht soweit, daß man machen kann, was man will. Und natürlich darf der Staat die Gesetze so auslegen, wie es der grundgesetzliche Rahmen erlaubt. Aber vergessen wir nicht, daß es in unserem Falle nie die Regierung oder ein Beamtenapparat ist, der die Gesetze erläßt, sondern dahinter steht immer die Zustimmung eines Landes- oder des Bundestages, also die von Dir mit Deiner freien Stimme gewählten Abgeordneten. Denn diese - und nur diese - stellen die Legislative, also die gesetzgebende Gewalt, dar. Deshalb verstehe ich auch Deine Bedenken eigentlich nicht. Ich meine, es wurde Dir in dieser Diskussion schon sehr oft angezeigt, an wenn Du Dich wenden kannst, oder was Du machen kannst, wenn Du gesetzliche Veränderungen für fragwürdig hältst.
Das hat aber alles nichts mit dem Gesetztgebungsprozeß zur Todesstrafe in den USA zu tun.

Der Umkehrschluss bedeutet ja, daß ich alle
Hauptbestandteile der Demokratie umkehren muß.
Das ist dann genau das, was man als Totalitarismus
bezeichnet.

Nunja, in totalitären System ist das Wahlrecht nicht unbedingt
ausgeschlossen, und in der sich selbst ‚demokratisch‘
nennenden DDR durfte man auch das Land verlassen und es gab
Oppositionsparteien. Ebenfalls richtet man sich in solchen
Systemen überwiegend nach Recht und Gesetz.

Der Vergleich hinkt tatsächlich sehr.

Dann möchte ich jetzt gerne mal genau wissen, wie Du
denn eine Demokratie gerne hättest?

Das ist die ja die Crux! Siehe meinen vorherigen Absatz und
den Artikel an Jana im Brett „Inlandspolitik“:
http://www.wer-weiss-was.de/cgi-bin/forum/showarticl…

Ja, habe ich mir durchgelesen. Du brauchst kein anderes System aus dem Hut zaubern. Meinst Du, Du bist seit Jahretausenden der erste, der das versucht? Es hat sich herausgestellt, daß die Demokratie das beste System ist, das es gibt. Und dabei haben wir in Deutschland noch immer das liberalste System überhaupt!! Außerdem…es werden keine Gesetze über unsere Köpfe hinweg entschieden. Du wählst doch die Gesetzesmacher. Und wenn Du enttäuscht bist, daß ein Abgeordneter Deiner Wahl einem Gesetz zustimmt, mit dem Du nicht einverstanden bist, dann ist das wirkliche nunmal nichts anderes als Pech. Aber das ist eben Demokratie. Da geht es nicht danach, ob Du allein ein Gesetz i. O. findest, oder ob Du meinst, Du hättest Deinen Abgeordneten mit Deiner Stimme quasi vorab dafür „bezahlt“, daß er nur das macht, was Du vorher gewollt hättest. Er ist Dir nicht verpflichtet. Der Abgeordnete ist nur seinem Gewissen verpflichtet. Wenn Dir daran was nicht gefällt…nochmal…lege Verfassungsbeschwerde ein, wende Dich an den Petitionsausschuß des Bundestages oder Deinen Landtag, zeige Politiker an, gründe eine eigene Partei… durfte man das in der DDR auch?

Die einzige Möglichkeit, sich direkt am Gesetzgebungsprozeß zu beteiligen, hast Du in der Schweiz mit ihrer „direkten Demokratie“. Diese lehne ich aber z. B. ich für Deutschland grundsätzlich ab, weil ich - für mich persönlich - nicht der Meinung bin, daß Deutschland die Reife für eine direkte Demokratie hat und diese Reife in den kommenden 20-30 Jahren auch nicht bekommen wird.

Gruß
Bark

Hallo Marco,

Es muss die Frage erlaubt sein, ob dieses System überhaupt
dazu taugt, dass die Staatsgewalt tatsächlich vom Volke
ausgeht.

Es muß aber auch erlaubt sein, an dem bestehenden System festzuhalten, bis sich etwas wirklich besseres findet.
Es hätte ja sein können, du hast was richtig geniales gefunden. Dann hätte ich es eben gern gewußt. Man darf doch mal fragen ?

Grüße
Heike

Hallo Bark!

es ging mir ja auch nicht darum, wie wir mit diesen
bewußten Asylanten umgehen, sondern darum, daß man
sie bei ihnen erkundigen kann, wie Totalitarismus aussieht.

Ich kann hier nur noch einmal betonen, dass man dies auch hier beobachten kann. Es ging ja ursprünglich um die Frage, wann aus Demokratie Totalitarismus, und wenn die Gesetze aufgeweicht und „passend“ gemacht werden, um unter Vorwänden - sehr „beliebt“: Sicherheitsaspekte - Gesetze zu verändern. Gleich dem Pawlowschen Effekt befolgen wir die demokratischen Vorgänge, selbst wenn sich die Verhältnisse längst geändert haben. Man kann Wasser zu sich nehmen und muss nicht davon krank werden, aber auch bei vergiftetem Wasser spüren wir nicht gleich die Wirkung, und erst nach Stunden wird uns bewusst, was wir zu uns genommen haben.
   Auch hier kann man einmal mehr die USA, das freieste Land der Welt, benennen; Stichwort Militärgerichte, womit demokratische Verhältnisse vollkommen ausgehebelt werden. Und da wir uns ja so sehr mit der USA solidarisch erklären, wird uns über kurz oder lang auch das beschert werden. „Natürlich“ unter Benennung des Kampfes gegen den Terrorismus.

Und das ist im Falle von Sitzblockaden durchaus
der Fall. In so einem Falle will ein Demonstrant
durch körperlichen Einsatz ein bestimmtes Ziel
erzwingen. Das ist auch eine gewisse Art von Gewalt.
Und dem wird begegnet, indem diese Leute weggetragen
werden. Das ist meiner Meinung nach auch richtig so.
(…)
also die von Dir mit Deiner freien Stimme
gewählten Abgeordneten.

An Deinen Zeilen lässt sich erkennen, dass die „veröffentliche“ Argumentation bereits Früchte getragen hat. Es geht (Dir) um Kosten, nicht um Rechte. Ginge es tatsächlich um verschwendete Gelder, dürften die etablierten Parteien erst recht nicht gewählt werden, s. Bund der Steuerzahler, Deutsche Steuergewerkschaft oder Prof. Hans Herbert von Arnim.
   Meine Stimme mag zwar frei sein, aber es ist gleichgültig, was ich wähle, weil wir es mit „Repräsentanten authentischer Macht“ (Noam Chomsky, „Profit over people“) zu tun haben. Um das obige Beispiel fortzuführen: Wenn ich die Wahl zwischen zwei vergifteten Wassern habe, so habe ich doch nur scheinbar eine Wahl.

Marco

Es muß aber auch erlaubt sein, an dem bestehenden System
festzuhalten, bis sich etwas wirklich besseres findet.
Es hätte ja sein können, du hast was richtig geniales
gefunden. Dann hätte ich es eben gern gewußt. Man darf doch
mal fragen ?

Guten Abend, Heike!

Natürlich darf erlaubt sein, am bestehenden System festzuhalten. Aber trotz des Festhaltens scheinst Du diesem System auch nicht über den Weg zu trauen, sonst würde Dich ein „besseres“ oder „geniales“ System nicht interessieren. ;o)

Marco

Guten Morgen Marco,

nee, das hat nichts mit „nicht trauen“ zu tun. Mein Auto ist auch ganz ordentlich. Und trotzdem guck ich mal hier und mal da, ob es nicht was besseres gibt. Aber letztlich würde ich mein Gefährt wolhl nicht ohne Not oder wirklich überzeugende Alternativen hergeben.

Tschüss

Heike

Hallo Marco,

wenn ich mal das, was Du bisher so geschrieben hast, zusammenfasse, dann komme ich auf diese Liste:

  • Beamte arbeiten nicht so, wie es nach Deiner Meinung sein müßte
  • Gesetze werden Deiner Meinung nach einfach aufgeweicht
  • der Staat macht Deiner Meinung nach, was er will
  • Menschen, die sich gegen die Gesetze dieses Staates stellen, Menschen, die die Rechte anderer beschränken wollen, sollen bußefrei ausgehen
  • Bundesregierung unterstützt die „grundrechtsaushebelnde USA“
  • Du fühlst Dich vom Staat belogen und betrogen
  • Du darfst zwar wählen, aber Deine Stimme ist angesichts seltsamer Machtverhälnisse nichts wert…

Das ist so eine Debatte, die aus meiner Sicht wieder sehr auf irgendwelchen Theorien basiert, die weder Hand und Fuß haben (wie gesagt: aus meiner Sicht). Bisher bist Du nur am Schlechtmachen. Nenne doch mal einen Staat, in dem es besser läuft. Das kannst Du nicht. Nenne doch mal konkrete Positivbeispiel, die Du als Orientierunsmaß herangezogen hast.

Ich habe Deinen Beitrag gelesen und nur kurz im Internet gewühlt. All Deine Theorien lassen sich hervorragendst widerlegen. Jede einzige. Da reicht ein Blick in „Die Welt“, da reicht ein Blick in das Genfer Abkommen zum Schutz der Zivilbevölkerung, da reicht ein Blick auf die Seiten des Deutschen Bundestages, ein Blick auf die Seiten des Roten Kreuzes und ein letzer Blick in das Grundgesetz. Ich habe mir allerdings erspart, die hier alles zu posten, weil ich ja davon ausgehe, daß Du Dich allumfassend informiert hast und jedes Für und Wider gegeneinander abgewogen hast, so daß Du auf diesem Wege zu einem festen Fundament Deiner Ansichten gelangen konntest. Ich frage mich nur, warum Du die Fragen, die ich Dir gestellt habe, in Deinen Antworten immer umgehst.

Kann es sein, daß Du mit unserem System grundsätzlich nicht einverstanden bist, weil Demokratie für 83.000.000 Menschen anders aussieht, als Du es Dir persönlich für Dich wünschen würdest?

Bark

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Hallo!

Da verwechselt du was: die verfassungsgesetzlichen
Grundrechte betreffen einmal vom Grundatz her das
Verhältnis zwischen Staat und Rechtsunterworfenen
und zwar konkret im Bereich des hoheitlichen Handelns
des Staates. Zumindest nicht unmittelbar davon betroffen
sind zivilrechtliche Arbeitsverträge. Der Fall
den du schilderst, nämlich dass Frauen weniger bezahlt
bekommen usw. ist keine Verletzung dieses Grundrechts,
was nicht bedeutet, dass ich auch der Meinung bin, dass
Frauen soviel bezahlt bekommen sollten wie Männer etc.

Als böser Schelm könnte ich Deinen letzten Satz jetzt falsch
bzw. richtig verstehen. ;o) Der Rest liest sich für mich so,
dass das Grundgesetz in Gleichgültigkeit verharrt, sofern es
das Zivilrecht anders regelt.

Im (marktwirtschaftlichen) Zivilrecht steht diesen Grundrechten halt das Grundrecht auf Eigentumsfreiheit entgegen. Ich kann mir aussuchen wem ich mein Eigentum zu welchem Preis verkaufe, vermiete etc., dabei muss ich keinen Gleichheitssatz beachten -> daher keine unmittelbare Anwendung der Grundrechte im Zivilrecht.

Daher gibts ja auch die schwierige Diskussion mit den sozialen Grundrechten, wie Recht auf Arbeit. So löblich es ist, dies als Staatsziel festzulegen, sowenig kann es in einer Marktwirtschaft ein Grundrecht ieS sein, weil ich das Recht im marktwirtschaftlichen System gegenüber dem Staat nicht durchsetzen kann.

Wenn sie das Bundesverfassungsgericht als
verfassungswidrig eingestuft hat, dann ist das ein
Zeichen, dass die Verfassung funktioniert und nicht,
dass sie nicht funktioniert.

Wichtig ist, dass die Verfassung so beschaffen ist,
dass sie durchgesetzt werden kann und vom einzelnen
Bürger sozusagen „einklagbar“ ist.

Leider nicht ganz, denn wenn ein Urteil ohne Konsequenzen
bleibt, verliert es seinen Sinn. Dann könnte man alles be- und
verurteilen. Die Hälfte aller Regierenden in Bundes- und
Landtagen kassieren dieses „Schatteneinkommen“, aber weder Du
noch ich sind klagebefugt. Das könnten nur die Damen und
Herren in diesen Parlamenten.

Ich kenne diesen konkreten Sachverhalt nicht, aber selbst wenn er stimmt, so fehlt mir immer noch deine Schlussfolgerung daraus, was soll sich konkret in der Verfassung ändern.

Deshalb weil eine Demokratie nicht ideal funktioniert (da gibts wohl kein Land) deshalb ist es noch nicht totalitaristisch und Schatteneinkommen mögen zwar durchaus illegal sein, haben aber mit Totalitarismus überhaupt nichts zu tun.

Gruß
Tom