War Schiller Philosophie Professor?

Promotion 1780
Servus,

wie bereits ausführlich erläutert, entsprach die Dissertation 1780 einer Dissertation heute. Das moderne Staatsexamen ist anders aufgebaut.

Die Organisation der Universitäten 1780 und heute lässt sich nicht 1:1 „spiegeln“. Die Erlangung der Doktorwürde entsprach in etwa der heutigen Habilitation; es promovierten Leute, die eine akademische Lehrtätigkeit anstrebten - ihr Anteil an den Hochschulabgängern bewegte sich im Bereich von Zehntelspromille. Zwei wesentliche Elemente waren ein öffentliches Examen, öffentliche Verteidigung der Thesen und eine Antrittsvorlesung.

Schöne Grüße

Dä Blumepeder

Ja stimmt, die 4 klassischen, hab ich auch schon gelesen. An der Uni Bonn gibt es im Moment 7 Fakultäten: Katholisch-Theologische Fakultät
Evangelisch-Theologische Fakultät
Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät
Medizinische Fakultät
Philosophische Fakultät
Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Landwirtschaftliche Fakultät

VG
Ayla

Und wann wurden die Doktoren dann zum Professor ernannt oder gab es so eine Bezeichnung damals noch nicht?

VG
Ayla

Titulaturstreit u.a.
Hallo Ayla,
da Du so hartnäckig nachfragst, eine etwas ausführlichere Antwort.

Den Titel ‚Professor‘ gab es durchaus schon - aber die Pikanterie liegt im Detail. Schiller war Extraordinarius der Philosophie und somit kein Nominalprofessor. Er durfte damit zwar den Titel ‚Professor‘ führen - aber ohne Zusatz (z.B. ‚für Geschichte‘ oder ‚für Philosophie‘). Berufen wurde er, wie schon geschrieben, auf einen Lehrstuhl für Geschichte.

Neben der Veröffentlichung seiner Antrittsvorlesung in Wielands ‚Der Teutsche Merkur‘ (4. Quartal 1789, lediglich mit dem Autorenvermerk „Schiller“) gab Schiller selbst einen Sonderdruck davon heraus (Akademische Buchhandlung Jena, 2 Auflagen), auf dessen Titelblatt er sich als „Professor für Geschichte“ bezeichnete, was bei manchen Kollegen übel ankam und zum sog. Titulaturstreit führte. Es begann damit, dass Johann August Heinrich Ulrich, Professor für Moral(sic!) und Politik, die falsche Amtsbezeichnung rügte und Schiller aufforderte, künftig „ähnliche Streiche“ zu unterlassen. Der ‚echte‘ Jenaer Professor für Geschichte, Christoph Gottlob Heinrich, protestierte dann auch prompt gegen die „Anmaßungen“ Schillers. Tatsächlich nicht unberechtigt, weil nach damaligem Brauch nur der Inhaber der sog. Nominalprofessur (und das musste ein Ordinarius sein, kein Extraordinarius wie Schiller) sich nach dem ihm verliehenen Lehrstuhl benennen durfte. Einen Nominalprofessor gab es für jeden Lehrstuhl nur einmal - und in Jena war dies für den Lehrstuhl Geschichte eben Heinrich, der als einziger an der Universität Jena auch den Titel „Professor für Geschichte“ führen durfte.

Sicherlich spielten da auch kleinlicher Neid und Missgunst eine nicht unerhebliche Rolle - der Andrang zu Schillers Antrittsvorlesung am 26. und 27.05.1789 war so groß, dass sie in den größten Hörsaal der Universität (der eigentlich den Theologie-Vorlesungen Professor Griesbachs vorbehalten war) verlegt werden musste. Schiller selbst berichtet, dass am zweiten Vorlesungstag nicht nur der Vorlesungssaal, sondern auch „ein Vorsaal und noch die Flur biß an die Hausthüre besetzt war“. Am Abend wurde er von von den Studenten mit einer Nachtmusik sowie mit einem dreifachen ‚Vivat‘ geehrt - Vergleichbares erfuhr in der Geschichte der Universität Jena lediglich noch Johann Gottlieb Fichte (der es jedoch nur zu einem einfachen ‚Vivat‘ brachte). Laut dem ‚Universitätsbereiser‘ Friedrich Gedicke (ein akademischer ‚Talentscout‘ und Gutachter der preußischen Regierung) hörten am Ende des ersten Semesters bei Schiller immer noch ca. 400 Studenten - das war in etwa die halbe Studentenschaft Jenas! Mehr ging schon wegen der Größe der Hörsäle nicht … Gedicke hingegen war Schiller nicht sonderlich gewogen - er bemäkelte dessen unverkennbar schwäbischen Tonfall und das pathetisch-deklamatorische seines Vortrags (aus diesem Grund war Schiller übrigens auch als Schauspieler untauglich). Nach dem ersten Semester ging der Zulauf allerdings stetig zurück - Schillers Vorlesungen unterschieden sich doch zu deutlich von der üblichen akademischen Kost; waren nicht im herkömmlichen Sinn ‚Unterricht‘ und ‚prüfungsrelevant‘. Schillers Freund Körner kommentierte das tröstend: "in einer Hauptstadt für einen Zirkel gebildeter Menschen, die den philosophischen Geist und die Schönheit der Darstellung in der Geschichte zu schätzen wissen, wären Deine Vorlesungen an ihrem Platze, Jena ist kein Himmelsstrich für solche Blumen“.

Um auf den Titulaturstreit zurückzukommen - in einem Brief an seine zukünftige Frau Charlotte von Lengefeld und deren Schwester Karoline beklagte sich Schiller über diese „Erbärmlichkeiten“ und schrieb: „ich bin nicht als Professor der Geschichte sondern der Philosophie berufen, aber das lächerliche ist, daß die Geschichte nur ein Theil aus der Philosophie ist und dass ich also, wenn ich das Eine bin, das andre nothwendig seyn muß“. Den Titel ‚Professor für Philosophie‘ durfte er freilich auch nicht führen, da er eben kein Nominalprofessor war - außerdem bezweifle ich, dass es einen solchen Titel zu dieser Zeit in Jena überhaupt gab, ohne dies nun ohne größeren Aufwand verifizieren zu können. Einen Lehrstuhl für Philosophie schlechthin scheint es jedenfalls nicht gegeben zu haben; Doyen der philosophischen Fakultät war der Dekan Hennings, Ordinarius für Moralphilosophie und Politik sowie Ordinarius für Logik und Metaphysik.

In Bezug auf Deine Ausgangsfrage: Schiller war weder ‚Professor für Geschichte‘ noch ‚Professor für Philosophie‘ - als Extraordinarius der Philosophie mit einem Lehrstuhl für Geschichte war er einfach nur Professor. Heute sicher schwer verständlich, wenn schon Schiller selbst es erst nach einem Sturm im Wasserglas und einiger ‚Nachhilfe‘ verstand …

Am 10.11.1789 - Schillers 30. Geburtstag - musste er sich wegen des Titulaturstreits einer Anhörung stellen, in dem ihm die Regularien des akademischen Betriebs erläutert wurden. Die ‚Schuld‘ wurde dann Dekan Justus Christian Hennings zugewiesen (bzw. er nahm sie auf sich), der es versäumt hatte, Schiller über die genaue Natur seines Titels und die akademischen Usancen in Jena aufzuklären. Die Titelanmaßung wurde als Versehen, nicht als Vergehen deklariert.

Verständlich, dass Schiller aufgrund des Titulaturstreits ernsthaft in Erwägung zog, den Bettel hinzuwerfen und Jena zu verlassen. Schon im Vorfeld war er mit der Berufung nicht sonderlich glücklich gewesen - für ihn ging es ja weniger um die Ehre als darum, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Und als Extraordinarius war er unbesoldet und somit auf die (von seinen Studenten an ihn zu entrichtenden) Kolleggelder angewiesen. Was bedeutete, dass er auch fleißig Kollegs halten musste, statt sich der Dichtung zu widmen (wo diese Jahre auch eine merkliche Lücke aufweisen). Der Reiz des Postens lag für ihn vor allem in der Aussicht auf eine ordentliche Professur, die ihn wirtschaftlich deutlich unabhängiger gemacht hätte. Deutlich lieber als die Professur wäre ihm allerdings eine Geldheirat gewesen. Dies äußerte er jedenfalls überdeutlich in einem Brief vom 09.03.1789 an seinen Freund Körner - „die Akademie in Jena möchte mich dann im Asch lecken“.

Insbesondere war er verärgert, als er feststellen musste, dass ihn die Professur zunächst einmal Geld kostete - und zwar die nicht unerheblichen Notariatskosten und Gebühren für den „Magisterquark“. „Diese Professur soll der Teufel holen, sie zieht mir einen Louisdor nach dem andern aus der Tasche“ (ebenfalls an Körner). Er hatte am 09. 12.1788 dem Antrag des Weimarer Regierungsrates Voigt, der ihn zu einer schnellen Entscheidung drängte, etwas überhastet zugestimmt und schrieb schon am 23.12. an Charlotte von Lengefeld: „Ich selbst habe mich aber übertölpeln lassen, und jetzt, da es zu spät ist, möchte ich gerne zurücktreten“. Am 21.01.1789 wurde er dann zunächst zum Professor ernannt, am 30.04. erhielt er dann sein Diplom und leistete den Magistereid (genau genommen bekam er nicht, wie ich früher schrieb, den Doktortitel, sondern den Magistertitel verliehen, was jedoch praktisch gleichbedeutend ist) - der oben erwähnte teure „Magisterquark“. Wie man sieht, wurde Schiller zuerst Professor, dann Magister - allerdings ist das ein Einzelfall aufgrund spezieller Umstände. Dass Schiller überhaupt ein Magisterdiplom (das zur akademischen Lehrtätigkeit berechtigte) benötigte, lag daran, dass die Karlsschule erst im Dezember 1781 zur Hohen Karlsschule wurde, also (von Kaiser Joseph II.) den Rang einer Universität erhielt. Somit war Schillers Abschluss an dieser Schule genau ein Jahr davor (obgleich er in den Anforderungen universitären Abschlüssen nicht nachstand) nicht allgemein anerkannt, was ihm z.B. verwehrte, privat als Arzt zu praktizieren und ihm lediglich eine medizinische Karriere im württembergischen Militär eröffnete. Mit der „Mikrologie“ der „Brodgelehrten“ (wie er manche seiner Jenaer Kollegen abfällig titulierte) kam Schiller nie richtig zurecht - ebenso wenig wie diese mit dem akademischen Quereinsteiger und Höhenflieger.

Freundliche Grüße,
Ralf

P.S: Schiller widmete dem eifersüchtigen Professor für Geschichte und Brotgelehrten Heinrich folgendes (1797 im Musenalmanach erschienene) spöttische Distichon:

Professor Historiarum

Breiter wird immer die Welt, und immer mehr Neues geschiehet,
Ach, die Geschichte wird stets länger und kürzer das Brot!

2 Like

Ok, vielen Dank für diese langer Erklärung, jetzt hab Ichs verstanden. Doch nicht so toll ein Professor zu sein damals, so ein „Titel“ ist eben nicht alles. Wie gut, dass er den Posten aufgab und weiter an seinen Dramen schrieb. Nur schade, dass er kein Schauspieltalent hatte, sonst hätte er wie Shakespeare in seinen eigenen Stücken spielen können.

VG
Ayla